Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.November 1993, GZ 2 c Vr 13.231/93-83, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 130 zweiter Satz StGB.
Dieses Urteil, das im übrigen, insbesondere im Ausspruch über die gewerbsmäßige Begehungsweise als solcher unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Beurteilung des den Angeklagten Raimund Klaus H***** und Wilhelm W***** (früher H*****) laut Punkt A./ zur Last liegenden Diebstahlsverbrechens nach § 130 zweiter Satz StGB sowie in dem die Genannten betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem oben bezeichneten Urteil, das auch hier nicht interessierende andere Entscheidungen enthält, wurden Raimund Klaus H***** und sein Bruder Wilhelm W***** (früher H*****) des - bei Raimund Klaus H***** teils in der Entwicklungsstufe des Versuches verbliebenen - Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 zweiter Satz, bzw § 15 StGB schuldig erkannt (Punkt A) und hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt.
Darnach haben sie
A./ fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S übersteigenden Wert anderen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie den Diebstahl in der Absicht begingen, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,
I./ weggenommen, und zwar
a) Raimund Klaus H***** und Wilhelm W***** als Mittäter
1) am 13.November 1992 der Henriette S***** 10.000 S Bargeld;
2) zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Dezember 1992 der Leopoldine Se***** einen Bargeldbetrag von 500 S;
3) am 4.Dezember 1992 der Elisabeth Sch***** 20.000 S Bargeld;
4) am 10.Dezember 1992 der Margarete F***** 30.000 S Bargeld;
5) am 12.Dezember 1992 der Ida R***** eine braune Ledergeldbörse mit 150 S Bargeld;
6) zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt Mitte Dezember 1992 der Traude T***** einen Bargeldbetrag von 1.000 S;
7) am 4.Jänner 1993 der Josefine H***** 1.200 S Bargeld;
8) am 11.Jänner 1993 der Valerie R***** ein Schmucketui mit einem goldenen Panzerarmband (ca 60 Gramm schwer), eine Panzerhalskette (gold, ca 50 Gramm schwer) sowie eine Zuchtperlenkette mit Goldschließe und 57 Perlen im Gesamtwert von 24.000 S;
9) am 21.Jänner 1993 der Stefanie B***** einen weißen Brillantring, eine goldene Armbanduhr, eine doppelreihige Perlenkette, ca acht goldene Armreifen, ein Paar Anhänger auf Ohrringen, eine feingliedrige goldfarbige Halskette mit einem Anhänger, zwei goldfarbige schmale Armreifen und zwei silberfarbige Armreifen im Gesamtwert von 31.000 S;
10) zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Feber 1993 der Leopoldine J***** 15.000 S Bargeld;
11) am 8.Feber 1993 der Hedwig B***** eine schwarze Ledergeldbörse mit 1.000 S;
12) am 17.Feber 1993 der Barbara K***** 5.000 S Bargeld;
13) am 18.Feber und 26.Feber 1993 der Franziska K***** einen Bargeldbetrag von 2.300 S;
14) am 28.Feber 1993 der Martha Ch***** eine Brieftasche mit 3.000 S Bargeld;
15) am 4.März 1993 der Maria A***** eine Geldbörse mit 50 S Bargeld;
b) Raimund Klaus H***** allein am 16.Jänner 1993 dem Ernst H***** einen Geldbetrag von 6.000 S;
II./ wegzunehmen versucht, und zwar Raimund Klaus H***** am 8.Feber 1993 mit dem abgesondert verfolgten Peter B***** als Mittäter der Theresia L***** Bargeld in nicht mehr festzustellender Höhe.
Rechtliche Beurteilung
Dieses nur von der Staatsanwaltschaft mit Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe angefochtene Urteil steht - wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang, denn es kann weder dem Urteilsspruch noch den Entscheidungsgründen die für die Annahme des Qualifikationstatbestands nach § 130 zweiter Satz StGB erforderliche Feststellung entnommen werden, daß die Absicht der Angeklagten darauf gerichtet war, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen (§ 128 Abs 1 Z 4 StGB) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Die im Urteilsspruch verwendete Formulierung, wonach Raimund Klaus H***** und Wilhelm W***** fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S übersteigenden Wert weggenommen (bzw wegzunehmen versucht) haben, kann angesichts der Mehrzahl der ihnen angelasteten diebischen Angriffe, von denen aber nur zwei mit der hier aktuellen Qualifikation des § 128 Abs 1 Z 4 StGB beschwert sind (A/I/a/4 und 9), unter dem Aspekt des im § 29 StGB verankerten Zusammenrechnungsprinzips nur als Feststellung einer die Wertgrenze von 25.000 S übersteigenden Gesamtsumme der einzelnen Schadensbeträge, nicht aber dahin verstanden werden, daß die Angeklagten beabsichtigt hätten, fortgesetzt - wenn auch nicht ausschließlich - Diebstähle mit einer jeweils für sich allein den Wert von 25.000 S übersteigenden Beute zu verüben. Der im Urteilssatz wiedergegebene Wortlaut des § 70 StGB hinwieder besagt bloß, daß die Angeklagten die ihnen zur Last gelegten Diebstähle gewerbsmäßig begangen haben, läßt aber eine Interpretation, daß ihre Absicht auf die wiederkehrende Begehung im Einzelfall wertqualifiziert schwerer Diebstähle (§ 128 Abs 1 Z 4 StGB) gerichtet war, ebensowenig zu, wie die Ausführungen in den Entscheidungsgründen (US 8, 10). Nur dann, wenn diese Absicht festgestellt ist, wäre es in rechtlicher Hinsicht bedeutungslos, ob der wertqualifizierende Betrag von 25.000 S bei allen, einigen oder auch nur einem von den tatsächlich begangenen Diebstählen oder Diebstahlsversuchen überschritten worden ist (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 130 RN 14, 15 und § 148 RN 8 mwN aus der Judikatur). Ansonsten stellt die Tatsache der Begehung mehrerer wertqualifiziert schwerer Diebstähle nur ein Indiz für das Bestehen einer gewerbsmäßigen Absicht iSd § 130 zweiter Satz StGB dar, vermag aber die Feststellung einer solchen, auf die fortgesetzte Begehung schwerer Diebstähle gerichteten Tendenz selbst nicht zu ersetzen.
Der aufgezeigte Feststellungsmangel gereicht den Angeklagten Raimund Klaus H***** und Wilhelm W***** zum Nachteil, weshalb der verfehlte Qualifikationsausspruch einschließlich des darauf beruhenden Strafausspruchs zu kassieren und insoweit eine Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen war (§ 292 letzter Satz StPO).
Die Berufung der Staatsanwaltschaft, über die noch nicht entschieden worden ist, ist damit gegenstandslos.
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