Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die "Beschwerden" werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurden Albert L***** und Andrea J***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (I.) sowie der teilweise im Stadium des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (II. und III.) schuldig erkannt.
Danach haben Albert L***** und Andrea J***** in Hochburg-Ach und anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken den bestehenden Vorschriften zuwider
I. durch den Verkauf von insgesamt 897 Gramm Heroin an nachstehende Abnehmer Suchtgift in Verkehr gesetzt, wobei sie die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift begangen haben, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht, und zwar
A) von Mitte Mai 2002 bis 22. September 2002 in vielfachen Angriffen
durch Verkauf von mindestens 558 Gramm Heroin an Herbert S*****,
B) von August bis November 2001 in zumindest fünf Angriffen durch
Verkauf von 34 Gramm Heroin an Sabina G*****,
C) von November 2002 bis Anfang März 2003 in mehreren Angriffen durch
Verkauf von rund 5 Gramm Heroin an Ferdinand R***** und
D) von Mitte 1999 bis Sommer 2001 in vielfachen Angriffen durch
Verkauf von zumindest 300 Gramm Heroin an Wolfgang D*****;
II. von einem unbekannten Zeitpunkt bis 12. Februar 2003 eine unbekannt gebliebene Menge an Heroin erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen, wobei die Tat im Bezug auf 41,1 Gramm beim Versuch geblieben ist;
III. von einem unbekannten Zeitpunkt bis 12. Februar 2003 insgesamt 1.080 Gramm Mohnkapseln, beinhaltend den Wirkstoff Morphin, sohin ein Suchtgift, erworben und bis zur Sicherstellung am 12. Februar 2003 besessen.
Das Schöffengericht verhängte über beide Angeklagten Freiheitsstrafen. Überdies schöpfte es - entgegen § 443 Abs 1 StPO - verfehlt mit gesondertem, im Anschluss an das Urteil verkündetem "Beschluss" aus den Taten erlangte Vermögensvorteile ab. Gegen die Schuldsprüche richten sich die getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten. Albert L***** stützt seine auf § 281 Abs 1 Z 3 und 4 StPO, Andrea J***** ihre (nur, aber inhaltsgleich) auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO. Den Strafausspruch bekämpfen sie mit Berufung, die Abschöpfungsentscheidung mit "Beschwerde".
Rechtliche Beurteilung
Beiden Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu. Die nach dem Hauptverhandlungsprotokoll entgegen § 234 StPO vom Vorsitzenden ohne vorherige Ermahnung (in sprachlich nicht gelungener Form) verfügte Entfernung des Angeklagten L***** aus der Verhandlung (S 169/II) ist nicht mit Nichtigkeit bedroht. Ein auf Verhinderung dieser Maßnahme gerichteter Antrag an den Schöffensenat wurde nicht gestellt. Wie die Beschwerde (Z 3) selbst zugesteht, ergibt sich aus dem Protokoll über die fortgesetzte Hauptverhandlung, dass der Angeklagte - obwohl im Fall des § 234 StPO dazu keine gesetzliche Verpflichtung besteht - über die Ergebnisse des in seiner Abwesenheit durchgeführten Beweisverfahrens aufgeklärt wurde (S 169 und 205/II des rekonstruierten Aktes). Damit liegt aber der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht vor (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 249). Wenn nach Ansicht des Verteidigers diese Mitteilungen unvollständig waren, wäre es seine Aufgabe gewesen, entsprechende Feststellungen im Protokoll zu begehren, Anträge an den erkennenden Senat zu stellen oder bei Ausübung seines Fragerechtes gezielte Vorhalte zu machen. Die identen Verfahrensrügen beider Angeklagter (Z 4) bekämpfen die Abweisung von zwei in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen. Die Beischaffung des den Erstangeklagten betreffenden Finanzaktes wurde - im Hinblick auf die inkriminierte gewerbsmäßige Begehunsweise - zum Beweis dafür beantragt, dass Albert L***** über das angegebene Einkommen tatsächlich verfügt und dieses (durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides belegte) Einkommen bezogen hat (S 207/II). Da bei Antragstellung nicht dargetan wurde, warum sich das behauptete Ergebnis aus dem Finanzakt ergeben sollte, handelt es sich um einen unzulässigen Erkundungsbeweis (Ratz aaO Rz 330). Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente sind unbeachtlich, weil bei Überprüfung eines Beweisantrages immer von der Aktenlage zum Zeitpunkt der Antragstellung und der Entscheidung über ihn durch das Schöffengericht auszugehen ist (Ratz aaO Rz 325). Im Übrigen hat das Erstgericht das behauptete Einkommen des Erstangeklagten von 200.000 S jährlich und den Zuverdienst der Zweitangeklagten ohnedies in seine Erwägungen miteinbezogen, aber als zu gering für den von beiden Beschwerdeführern betriebenen aufwendigen Lebenswandel und den Hausbau bezeichnet (US 9 oben und 17).
Die Vernehmung des Zeugen Kilon P***** sollte beweisen, "dass die Zeugin Sch***** in der von ihr angegebenen Zeit von Mai bis August 2002 nicht die Reisen nach Grünhilling-Ach durchführen konnte, da sie in der Zeit von Juni bis August mit Herrn Kilon P***** in einem Teil des ehemaligen Jugoslawiens aufhältig war und sie also bis Anfang/Mitte August in Restjugoslawien aufhältig war und diese drei oder fünf Besuche in Grünhillig-Ach nicht durchführen konnte" (S 257 f/II).
Die Zeugin Brigitte Sch***** hat in der Hauptverhandlung jedoch angegeben, von Mai bis September 2002, als ihr Freund Herbert S***** nicht in Haft war, jedenfalls dreimal mit ihm bei den Angeklagten in Oberösterreich gewesen zu sein (insbesondere S 175 ff/II). Warum die Zeugin - trotz eines Aufenthaltes im ehemaligen Jugoslawien - im Mai oder ab Mitte August bis September nicht drei Fahrten nach Oberösterreich hätte durchführen können, wird im Beweisantrag nicht dargetan. Damit handelt er sich aber um einen Erkundungsbeweis, welcher demnach ohne Verletzung von Verteidigungsrechten zu Recht abgewiesen wurde.
Obwohl sich die Nichtigkeitsbeschwerden inhaltlich nur gegen den Schuldspruch I. richten, erstrecken sich die Rechtsmittelanträge (... das erstinstanzliche Urteil aufzuheben ...) auf alle Schuldsprüche. Hinsichtlich der Fakten II. und III. fehlt es aber an der deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Umstände, die Nichtigkeitsgründe bilden sollen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufungen und "die Beschwerden", welche als Berufungen zu werten sind (vgl hiezu § 443 Abs 1 und Abs 3; Forgger/Foregger-Bachner StPO15 § 443 Anm. II.), der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)