Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden Urteil wurden Leonardo L***** und Sajmir B***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter (richtig vierter) Fall und 15 StGB (A), der Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2 StGB (B), des Betruges nach § 146 StGB (C) und nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (D) sowie des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB (E), Leonardo L***** überdies des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach haben Leonardo L***** und Sajmir B***** teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken, teils als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB
A) fremde bewegliche Sachen in einem 2.000 Euro übersteigenden Wert
nachgenannten Personen durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,
I.) weggenommen, und zwar
1.) zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt Ende August/Anfang September 2003 in Brandenberg dem Hannes und der Katja N***** eine goldene Halskette, eine Granat-Kropfkette und ein weißgoldenes Kreuz im Gesamtwert von 234 Euro sowie eine Breitling-Armbanduhr (Anschaffungswert ca 2.834,30 Euro) nach Überklettern eines mindestens 2,5 m hohen Flachgaragendaches sowie einer Balkonbrüstung und Eindringen in deren Wohnhaus;
2.) am 29. August 2003 in Kitzbühel dem Alois und der Maria S***** sieben Damen- bzw Eheringe, zwei Babenberger-Goldmünzen und einen goldenen Ohrstecker im Gesamtwert von 1.163 Euro nach Einsteigen in deren Wohnhaus durch ein Fenster;
3.) in der Nacht zum 2. September 2003 in Kufstein dem Anton O***** eine Kellnergeldtasche im Wert von 50 Euro sowie Bargeld in Höhe von 874,20 Euro nach Einsteigen in dessen Wohnhaus über ein Garagendach;
4.) in der Nacht zum 6. September 2003 in Wörgl der Marika M***** ein Autoradio im Wert von 200 Euro nach Aufbrechen der Fahrertür ihres PKW's,
II.) Bargeld, Wert- und Gebrauchsgegenstände wegzunehmen versucht, und zwar
1.) in der Nacht zum 2. September 2003 in Kufstein dem Hans-Peter H***** nach Entriegeln eines Fensters und Einsteigen in dessen Wohnhaus;
2.) in der Nacht zum 2. September 2003 in Kufstein dem Franz G***** nach Entriegeln eines Fensters und Einstiegen in dessen Büro- und Verkaufsräumlichkeiten;
3.) in der Nacht zum 1. September 2003 in Radfeld dem Michael M***** nach Aufbrechen eines Fensters und Einsteigen in dessen Bauernhaus;
4.) in der Nacht zum 1. September 2003 in Brixlegg der Monika Z***** nach Entriegeln eines Fensters und Einsteigen in deren Wohnhaus;
5.) in der Nacht zum 1. September 2003 in Brixlegg dem Recep K***** nach Entriegeln eines Fensters und Einsteigen in dessen Wohnhaus;
6.) in der Nacht zum 1. September 2003 in Brixlegg dem Ihsan E***** nach Überklettern eines Balkons und Eindringen in dessen Wohnhaus;
7.) in der Nacht zum 1. September 2003 dem Harald V***** nach Entriegeln eines Fensters und Einsteigen in dessen Wohnhaus;
B) in der Nacht zum 6. September 2003 in Wörgl ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW der Marika M*****, ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen, wobei sie sich die Gewalt über das Fahrzeug durch Aufbrechen der Fahrertür, somit durch eine der im § 129 StGB geschilderten Handlungen, verschafften;
C) am 5./6. September 2003 in Söll mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche der Pension "Sch*****" durch die Vorgabe ihrer Zahlungsfähigkeit- und willigkeit, somit durch Täschung über Tatsachen zur Gewährung von Quartier, also zu einer Handlung verleitet, die diese mit einem Betrag von 52 Euro an ihrem Vermögen schädigte;
D) vom 28. August bis 6. September 2003 in diversen Orten Tirols und Salzburgs, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, nämlich eine Pistole der Marke Beretta, Kaliber 7,65 mm, geführt;
E) zwischen 28. August und 6. September 2003 in diversen Orten Tirols
und Salzburgs die gemeinsame Ausführung eines schweren Raubes (§§ 142 Abs 1, 143, zweiter Fall StGB) verabredet;
Leonardo L***** zudem als Alleintäter in der Nacht zum 6. September 2003 in Wörgl und anderen Orten, Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich einen Zulassungsschein, einen Führerschein sowie eine Geburtsurkunde der Marika M*****, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.
Rechtliche Beurteilung
Den von beiden Angeklagten (in getrennten Rechtsmittelschriften) dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu. Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO bringen beide Beschwerdeführer im Wesentlichen inhaltsgleich vor, die gerichtliche Verwertung der den österreichischen Sicherheitsbehörden übermittelten, lediglich auf einen Überwachungsauftrag der Turiner Staatsanwaltschaft zurückgehenden Abhörprotokolle betreffend die von beiden Angeklagten in dem von ihnen benutzten PKW geführten Gespräche widerspreche dem mit Nichtigkeit bedrohten § 149h StPO. Dazu hielt das Schöffengericht fest, dass von der Staatsanwaltschaft Turin gegen die Angeklagten ein Strafverfahren u.a. wegen des Verdachts von Raubüberfällen und eines versuchten bewaffneten Raubüberfalls, gegen den Angeklagten Leonardo L***** überdies wegen weiterer bewaffneter Raubüberfälle als Mitglied einer Bande und gegen Sajmir B***** wegen Mitgliedschaft zu einer kriminellen Vereinigung geführt wird (US 10 und 20 f). Gegen B***** besteht ein von einem Turiner Gericht wegen des Verdachts der Mitgliedschaft zu einer kriminellen Vereinigung ausgestellter Haftbefehl (US 10). Nach der Aktenlage erfolgte die Einleitung der von den Polizeibehörden in Italien mit (im von den Angeklagten benutzten PKW eingebauten) Mikrofonen und GPS-Peilsender durchgeführten akustischen Überwachung der beiden Beschwerdeführer vor dem 28. August 2003. Der italienische Polizeibericht zu den Abhörprotokollen spricht davon, dass die "Ermittlungsarbeit" über Auftrag eines italienischen Staatsanwalts aufgenommen worden war (US 20 f; S 53/II). Die Aufzeichnung der Gespräche in Österreich bezog sich auf den Zeitraum zwischen 28. August und 6. September 2003 (ON 47 und ON 75). Nach den übermittelten Unterlagen wurden italienische "Gerichtsbehörden" von diesen Aktivitäten der beiden Beschwerdeführer in Österreich ebenso verständigt wie die über Interpol unterrichteten österreichischen Sicherheitsbehörden, nachdem die Turiner Stadtpolizei am 1. September 2003 bemerkt hatte, dass sich die Angeklagten auf österreichischem Hoheitsgebiet aufhielten (S 54/II). In einem Bericht des Landesgendarmeriekommandos für Tirol wird ohne nähere Ausführungen lediglich festgehalten, dass diese akustische Überwachung "gerichtlich angeordnet" worden war (S 5/II).
Im Zuge dieses "Lauschangriffs" wurden auch in Österreich geführten Gespräche aufgezeichnet, deren Inhalt die Tatrichter - neben anderen inländischen Beweisergebnissen - als Begründung für die Feststellungen zum (Leonardo L***** und Sajmir B***** angelasteten) Verbrechen des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB heranzogen (US 21 f).
§ 149h Abs 2 StPO stellt auf Ergebnisse der Überwachung ab, also auf eine solche nach dem VI. Abschnitt des XII. Hauptstücks der StPO und damit grundsätzlich auf einen inländischen Grundrechtseingriff iSd § 149d StPO, dessen prozessuale Voraussetzungen gewahrt worden sein müssen, um einen Zufallsfund im Strafverfahren verwerten zu können. Ziel dieser strengen Reglementierung ist es, eine Gefährdung oder gar Umgehung des (gegenüber inländischen Behörden garantierten) Grundrechtsschutzes im sensiblen Bereich der Privatsphäre zu verhindern (Murschetz, StPdG 27, 93 f; EBRV 49 BlgNR XX. GP, 21), um dem Wesen und dem rechtsstaatlichen Wert einer Verfahrensordnung gerecht zu werden (JAB 812 BlgNR XX. GP, 10 zu § 149h Abs 3 StPO). Da sich inländische Verfahrensgesetze nicht auf (ohne Veranlassung durch ein österreichisches Gericht entfaltete) Tätigkeiten ausländischer Behörden beziehen und sich die StPO daher nur an österreichische - und nicht auch an ausländische - Strafverfolgungsorgane als Normadressaten wendet, vermag eine innerstaatlich als akustische Überwachung zu beurteilende Vorgangsweise ausländischer Organe jedenfalls keine Nichtigkeit iSd § 149h Abs 2 Z 1 und 2 StPO zu begründen (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 182; 14 Os 77/99, EvBl 2000/65, 272).
Die von den Beschwerdeführern unter § 281 Abs 1 Z 3 StPO vorgebrachte Unzulässigkeit der Beweisverwendung, weil kein italienisches Gericht die Überwachung angeordnet habe, verkennt daher, dass § 149h Abs 2 Z 2 StPO eine solche Voraussetzung der Beweisgewinnung bei im Ausland erhobenen Verfahrensergebnissen nicht vorsieht.
Dessen ungeachtet steht es einem Angeklagten offen, der Verwendung ausländischer Beweisergebnisse im inländischen Strafverfahren durch eine auf die Sicherung eines fairen Verfahrens iSd Art 6 EMRK abzielende (auch im Rechtsmittelverfahren gemäß § 281 Abs 1 Z 4 StPO durchsetzbare) Antragstellung entgegenzutreten.
Im hier zu überprüfenden Strafverfahren begnügten sich die Verteidiger beider Angeklagter allerdings damit, Vorhalten aus den aufgezeichneten Gesprächen (S 95, 117, 121/III) als auch deren Verlesung "und Verwertung" - ohne Begründung - entgegenzutreten (S 127/III). Eine konkrete, Argumente zu einem Verstoß gegen Art 6 EMRK vorbringende Antragstellung (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 334) auf Unterlassung derartiger Vorhalte und der Verlesung der Abhörprotokolle durch den Vorsitzenden erfolgte ebenso wenig wie ein Begehren auf Senatsentscheidung (§ 238 Abs 1 StPO; vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 306) über einen mit diesem unsubstanziierten Widerspruch allenfalls zum Ausdruck gebrachten Antrag. Mangels einer - Verstöße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens geltend machenden und auf eine Senatsentscheidung abzielenden - Antragstellung wird die auf § 281 Abs 1 Z 3 StPO gestützte Beschwerde auch unter dem Aspekt einer damit inhaltlich ausgeführten Verfahrensrüge (Z 4) nicht prozessordnungsgemäß dargestellt. Auf die erst in der Beschwerde (und damit prozessual verspätet) vorgebrachten Einwände, die Überwachung in Italien sei ohne richterliche Genehmigung erfolgt und nach Bekanntwerden des Aufenthalts der Beschwerdeführer in Österreich fortgesetzt worden, sowie auf das unsubstanziierte Vorbringen, wonach die Abhörprotokolle unvollständig, aus dem Zusammenhang gerissen und ihre Authentizität nicht überprüfbar gewesen seien, war daher nicht weiter einzugehen. In der Mängelrüge (Z 5) kritisieren die Beschwerdeführer, ihre Angaben zu dem von ihnen geleugneten Vergehen des Betruges nach § 146 StGB (Schuldspruch C), sie hätten im Zeitpunkt der angelasteten betrügerischen Einmietung noch Geld gehabt, dieses aber erst im Laufe der Nacht bei Lokalbesuchen ausgegeben, seien unberücksichtig geblieben. Sie übergehen dabei den Umstand, dass ihnen nach den Angaben des Zweitangeklagten bei Inanspruchnahme der Übernachtungsmöglichkeit, für die sie 52 Euro zu zahlen gehabt hätten, nur mehr 50 Euro zur Verfügung standen (S 113/III). Dazu deponierten beide, dass mit diesem verbliebenen Rest der Einbruchsbeute Tankrechnungen, Maut und Essen bezahlt werden sollten (S 83, 115/III). Im Hinblick auf diese Verantwortungen durfte sich das Schöffengericht mit einer zusammenfassenden Wertung begnügen, wonach diese Verfahrensergebnisse einen zumindest bedingten Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz offen legen (US 18).
Entgegen dem weiteren, eine fehlende Begründung behauptenden Beschwerdevorbringen stützte das erkennende Gericht die Feststellung, wonach Leonardo L***** und Sajmir B***** den beabsichtigten Raubüberfall auf eine Bank deswegen nicht ausführen konnten, weil - für sie überraschend - die als Ziel des Verbrechens ausgesuchte Bank am Samstag geschlossen hatte (Schuldspruch E), auf entsprechende Ergebnisse der akustischen Überwachung (US 21 f).
In der Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholen beide Rechtsmittelwerber lediglich die bereits zur Mängelrüge erfolglos vorgebrachten Einwände betreffend den Schuldspruch C), ohne sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Die Rechtsrügen (Z 9 lit a) vermissen Feststellungen zur Konkretisierung des geplanten Raubüberfalls auf eine Bank und zu ihrer bereits vorhandenen vollen Tatbereitschaft (Schuldspruch E). Dabei übergehen sie aber prozessordnungswidrig die genau darauf abstellenden Urteilsannahmen, wonach beide Beschwerdeführer entschlossen waren, die 2 km vom ursprünglichen Raubobjekt entfernt liegende Bank in Piesendorf zu überfallen (US 15 und 21 f). Solcherart wird die Rechtsrüge nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt. Die Strafbemessungsrüge (Z 11) schließlich behauptet einen Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung, weil das erkennende Gericht den Umstand, dass sich das verbrecherische Komplott auf einen Raub unter Verwendung einer Waffe und damit auf das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB bezog, als erschwerend wertete. Nachdem der Tatbestand des § 277 Abs 1 StGB aber schon dann erfüllt ist, wenn die gemeinsame Ausführung eines Raubes nach § 142 StGB verabredet wird, stellt die Tatverabredung zu einem darüber hinausgehend (schwerer) qualifizierten Verbrechen - diesem Vorbringen zuwider - sehr wohl einen tauglichen Erschwerungsgrund dar.
Die teilweise offenbar unbegründeten, teilweise nicht dem Gesetz gemäß ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators, jedoch entgegen der dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO (von L***** teilweise unsachlich) erstatteten Äußerungen - bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Dies hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen zur Folge (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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