Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 17.Juni 1973 geborene jugendliche Angeklagte Andreas R*** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB (A) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2 StGB (C), sowie der am 30.Jänner 1970 geborene, zur Tatzeit gleichfalls noch jugendliche Angeklagte Wolfgang Z*** der Verbrechen des Raubes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs. 1 StGB (B) und des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB (C), sowie der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach §§ 136 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 erster Fall und 15 StGB (D) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (E) schuldig erkannt. Nach dem allein bekämpften Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubes (A bzw B) haben am 15.Juli 1988 in Salzburg A. Andreas R*** und der zugleich rechtskräftig
abgeurteilte Andreas Z*** (ein Bruder des Zweitangeklagten) als Mittäter dadurch, daß Andreas R*** mit einem Fahrrad auf Elisabeth H*** von hinten zufuhr und der am Gepäcksträger sitzende Andreas Z*** deren Handtasche im Wert von ca 1.000 S,
beinhaltend eine Geldbörse im Wert von ca 500 S mit ca 520 S Bargeld sowie diverse Effekten unbekannten Wertes, mit einem kräftigen Ruck entriß, obwohl Elisabeth H*** bei Verspüren des Zuges besonders fest zugegriffen hatte, sodaß der mit zwei Nieten an der Ledertasche befestigte Tragriemen aus der Befestigung gerissen wurde, sohin mit Gewalt gegen eine Person, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
B. Wolfgang Z*** zu dieser Tat beigetragen,
indem er gemeinsam mit Andreas Z*** und Andreas R*** beschloß, einer Frau im Mirabellgarten unter Verwendung eines Fahrrades die Handtasche zu entreißen, die unmittelbaren Täter in der Nähe des Tatortes begleitete und sie dadurch in ihrem Tatentschluß bestärkte sowie selbst nach einem geeigneten Opfer Ausschau hielt.
Aus den Urteilsgründen ergibt sich ferner, daß der Bereicherungsvorsatz der Angeklagten nur auf das Bargeld gerichtet war (US 33: "Raubbeute ca 520 S"), zumal die Täter die Handtasche samt weiterem Inhalt (darunter laut S 111, 126/III insbesondere der Führerschein und der Reisepaß der Elisabeth H***) auf der Flucht wegwarfen. Die Handtasche samt den erwähnten Dokumenten wurde kaum eine Stunde nach der Tat von einem Finder bei der Polizei abgegeben und dem Raubopfer ausgefolgt. Es fehlte lediglich die Geldbörse samt Bargeld (US 23 iVm S 112/III). Den Angaben der Geschädigten folgend bezifferte das Gericht den Wert der durch den räuberischen Angriff unbrauchbar gewordenen Handtasche mit ca 1.000 S und jenen der Geldbörse, deren Verbleib nicht geklärt werden konnte, mit ca 500 S (US 23/24).
In rechtlicher Hinsicht ging der Jugendschöffensenat zwar davon aus, daß der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt begangen wurde, sah jedoch den Tatbestand des minderschweren Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB deshalb nicht als verwirklicht an, weil es die weitere Voraussetzung dieser Privilegierung, daß die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat, "wegen des Gesamtschadens von ca 2.000 S" als nicht mehr gegeben erachtete (US 33). Die dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Andreas R*** und Wolfgang Z*** sind unbegründet.
Rechtliche Beurteilung
Zur Beschwerde des Angeklagten Andreas R***:
(§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO)
Zutreffend wendet der Beschwerdeführer zwar ein, daß nach den - oben wiedergegebenen - Feststellungen des Erstgerichtes der Bereicherungsvorsatz der Angeklagten nur auf den mit 520 S angenommenen Inhalt der Geldbörse gerichtet war, demnach der Raub an einer Sache geringen Wertes begangen worden ist (11 Os 2/89 = EvBl 1989/112). Damit ist allerdings nur eine der mehreren Voraussetzungen der Privilegierung nach § 142 Abs. 2 StGB, die kumulativ vorliegen müssen (EvBl 1976/116 ua), erfüllt. Die Tat darf nämlich auch sonst nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen haben, unter welchem Aspekt alle tatbestandlichen und außertatbestandlichen negativen Auswirkungen der Tat zu beurteilen sind, jedoch mit Ausnahme des Wertes der mit Bereicherungsvorsatz weggenommenen oder abgenötigten Sachen, weil dieser bereits in dem eigenen Merkmal der Geringwertigkeit der Raubbeute erfaßt ist (vgl Zipf im WK § 142 Rz 49; Kienapfel BT II2 § 142 RN 115). Daraus folgt für jene Fälle, in denen die Tatfolgen in Geld meßbar sind, weil es sich etwa - wie hier - um beim Raub mitunterlaufene Sachbeschädigungen handelt, daß der Wert der eigentlichen Raubbeute nicht - wie es das Erstgericht getan hat - mit dem zusätzlichen Vermögensschaden zusammengerechnet werden darf, vielmehr die Bedeutung des letzteren als Tatfolge selbständig zu beurteilen ist. Dabei ist die Grenze, oberhalb der von unbedeutenden (meßbaren) Tatfolgen nicht mehr gesprochen werden kann, ebenfalls mit jenem Betrag (von ca 1.000 S) anzunehmen, der nach der Rechtsprechung (EvBl 1989/112 ua) für die Geringwertigkeit einer Sache maßgebend ist; denn die in § 142 Abs. 2 StGB enthaltenen normativen Begriffe der Geringfügigkeit (des Wertes der geraubten Sache) und der Unbedeutendheit (eines Sachschadens als sonstige vermögenswerte Tatfolge) sind in dieser Beziehung gleichbedeutend. Nach den (von diesem Angeklagten nicht bekämpften) Wertfeststellungen des Erstgerichtes verbleibt aber nach Abzug der Raubbeute von 520 S immerhin noch ein Sachschaden von 1.500 S (Handtasche, Geldbörse), der nach dem Vorgesagten nicht mehr als unbedeutende Tatfolge anzusehen ist. Schon aus diesem Grunde ist dem Jugendschöffengericht in der Ablehnung der Privilegierung der Tat nach § 142 Abs. 2 StGB kein Rechtsirrtum unterlaufen.
Zur Beschwerde des Angeklagten Wolfgang Z***:
(§ 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO)
Dieser Angeklagte bemängelt zunächst (im Gegensatz zum Angeklagten R***) ausdrücklich die für die Bedeutsamkeit der Tatfolgen im Sinne des § 142 Abs. 2 StGB maßgebenden Feststellungen des Erstgerichtes über den Wert der unbrauchbar gewordenen Handtasche (ca 1.000 S) und der nicht mehr zustande gebrachten Geldbörse (ca 500 S) als unzureichend begründet (Z 5). Allein es kann dahingestellt bleiben, ob die diesbezügliche Aussage (S 286/III) der Geschädigten, auf welche das Erstgericht (beweiswürdigend) die bezügliche Urteilsannahme ersichtlich stützte (US 24), zuverlässig genug war (§ 99 StPO); denn bei der Beurteilung der Voraussetzung für die Annahme eines bloß minderschweren Raubes ist auch zu berücksichtigen, daß der Elisabeth H*** durch den räuberischen Angriff der Führerschein und der Reisepaß zeitweilig abhandengekommen sind. Schon der wenn auch nur kurzfristige Verlust so wichtiger Dokumente allein stellt aber - abgesehen davon, daß die Unterdrückung derartiger Urkunden sogar den Tatbestand des § 229 Abs. 1 StGB erfüllt, der jedoch vorliegend den Angeklagten im gegebenen Zusammenhang nicht angelastet wurde (vgl Punkt E/ des Schuldspruches) - für den Betroffenen eine derart fühlbare Beeinträchtigung dar, daß von bloß unbedeutenden Folgen der Tat keine Rede sein kann, ohne daß es noch der bedeutungsmäßigen Bewertung des allenfalls etwas überhöht eingeschätzten Vermögensschadens infolge Verlustes von Handtasche und Geldbörse bedürfte. Der insoweit erhobene Einwand betrifft demnach keine entscheidende Tatsache.
Zuzustimmen ist dem Beschwerdeeinwand (Z 10), daß die Privilegierungsvoraussetzungen, ob einerseits der Raub an einer Sache geringen Wertes begangen worden ist und ob andererseits die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat, getrennt zu beurteilen sind. Wie bereits zur Beschwerde des Angeklagten R*** ausgeführt, war der tatsächlich unter der Bagatellgrenze von 1.000 S gelegene Wert der Raubbeute bei Abwägung der Bedeutung der Tatfolgen ziffernmäßig nicht mehr zu veranschlagen.
Nicht im Recht ist der Beschwerdeführer aber mit seinem weiteren Einwand (Z 10), daß in Geld meßbare Tatfolgen selbst im Ausmaß von ca 2.000 S noch als unbedeutend einzustufen wären. Auch diesbezüglich ist er auf die Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde seines Komplizen zu verweisen.
Die für die Tatbestandsmäßigkeit der angewendeten Gewalt entscheidende Feststellung, daß durch das schnelle Fahren mit dem Fahrrad und das kräftige ruckartige Wegreißen der widerstrebende Wille der Elisabeth H*** gebrochen wurde, ist mit dem Hinweis auf deren Aussage zureichend begründet. Die Zeugin hat angegeben, daß sie im letzten Moment, als sie den Zug spürte, noch schnell besonders fest zugegriffen habe, doch hätte dies nichts mehr genützt (S 286/III). Der vom Erstgericht daraus gezogene Schluß, daß die Zeugin einen Widerstandsentschluß gefaßt hat (US 32), ist keineswegs unzulässig und es steht dem auch nicht entgegen, daß es sich dabei offenkundig um eine "reine Reaktion" handelte, denn es macht keinen Unterschied, mit welchem intellektuellen Aufwand ein latent vorhandener Behauptungswille aktiviert wird.
Die daran anschließende Subsumtionsrüge (Z 10), mit der die rechtliche Beurteilung der Tat als Diebstahl reklamiert wird, setzt sich über die eben wiedergegebene Konstatierung einer indirekten Gewaltanwendung gegen eine Person als Mittel der Sachwegnahme (vgl Leukauf-Steininger Komm2 RN 22; Kienapfel BT II2 RN 41; Zipf im WK Rz 52 je zu § 142 StGB) hinweg und ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.
Zu den Berufungen:
Das Jugendschöffengericht verhängte nach §§ 28 Abs. 1, 142 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 5 Z 4 JGG 1988 über Andreas R*** 12 Monate, über Wolfgang Z*** 18 Monate
Freiheitsstrafe, die es bei beiden Angeklagten für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachsah.
Dabei wertete es als erschwerend: bei Andreas R*** das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und die Wiederholung der diebischen Angriffe; bei Wolfgang Z*** das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit zwei Vergehen, die oftmalige Wiederholung der diebischen Angriffe und des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen, die zweifache Diebstahlsqualifikation und die zweifache Qualifikation des Vergehens nach § 136 StGB; als mildernd hingegen:
bei Andreas R*** die bisherige Unbescholtenheit, das offene und reumütige Geständnis, welches wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, die teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung von Diebsgut, daß er die Taten schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat, und daß es beim Diebstahl einmal beim Versuch geblieben ist; bei Wolfgang Z*** die bisherige Unbescholtenheit, die sehr vernachlässigte Erziehung, das offene und reumütige Geständnis, welches wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, die teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung von Diebsgut, daß er die Taten schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat, und daß es beim Diebstahl zehnmal und beim unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen viermal beim Versuch geblieben ist.
Gegen diesen Strafausspruch richten sich Berufungen der beiden Angeklagten, mit welchen sie eine Herabsetzung des Strafausmaßes anstreben; Wolfgang Z*** beantragt darüberhinaus, den Ausspruch der über ihn zu verhängenden Strafe für eine Probezeit vorzubehalten (§ 13 JGG 1988).
Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Da die verfahrensgegenständlichen Straftaten im Verlauf des Jahres 1988 verübt wurden, kann von einem Wohlverhalten durch längere Zeit im Sinn des Milderungsgrundes nach § 34 Z 18 StGB keine Rede sein. Unter Bedachtnahme auf die in § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung sind die vom Jugendschöffengericht über die beiden Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen nach ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld weder absolut noch im Verhältnis zueinander zu hoch ausgemessen.
Da sohin die Verhängung einer Freiheitsstrafe erforderlich ist, um den Angeklagten Wolfgang Z*** von künftigen abermaligen Verfehlungen abzuhalten, erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Berufungsbegehren dieses Angeklagten, den Ausspruch der über ihn zu verhängenden Strafe für eine Probezeit vorzubehalten (§ 13 JGG 1988), wodurch der nach Lage des Falles erforderliche Strafzweck - den zur Eigentumsdelinquenz neigenden Angeklagten Wolfgang Z*** von neuerlicher Straffälligkeit
abzuhalten - verfehlt würde.
Es war daher auch den Berufungen ein Erfolg zu versagen.
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