OGH 14Os44/95

OGH14Os44/9516.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Mai 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.E. Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Stöckelle als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef F* wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und 3 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 13. Jänner 1995, GZ 26 Vr 1.511/94‑42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, und des Verteidigers Mag.Martin, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0140OS00044.9500000.0516.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen ‑ auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch vom Vorwurf des Einbruchsdiebstahls enthaltenden ‑ Urteil wurde der Angeklagte Josef F* des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und 3 StGB (I), des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15269 Abs 1 erster Fall StGB (II), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (IV) schuldig erkannt.

Nach den allein angefochtenen Punkten I und IV des Schuldspruchs hat der Angeklagte

I. die Barbara W* durch gefährliche Drohung mit dem Tode zu Handlungen zu nötigen versucht, die besonders wichtige Interessen der Genötigten verletzten, und zwar

1. Ende Juli 1994 durch die Drohung: "Komm sofort mit dem Kind herunter, ich habe das gleiche Recht zu dem Kind wie du. Komm, oder ich bring' dich um. Es wird zu einer Tragödie kommen!", dazu, mit dem gemeinsamen Kind aus der Wohnung auf die Straße herunterzukommen;

2. am 4. September 1994 durch die Äußerung: "Gib mir das Kind, ich will das Kind oder ich bring' dich um. Bevor du das Kind behältst, werfe ich es beim Fenster hinaus oder über die Stiegen hinunter, dann hat keiner mehr etwas davon!", dazu, ihm die Möglichkeit einzuräumen, das gemeinsame Kind zu besuchen;

3. am 12. September 1994 durch die Äußerung:"Gib das Kind heraus oder ich hole es mir selbst und dann gibt es eine Tragödie. Ich werde dir das Schlimmste antun, was man einer Mutter nur antun kann!", dazu, mit dem Kind auf die Straße herunterzukommen;

4. am 13. September 1994 durch die Drohung, daß er sie umbringen werde, dazu, ihm das gemeinsame Kind zwecks eines Besuches zu überlassen;

IV. am 17. Oktober 1994 durch die gegenüber Eleonore W* abgegebene und zur Weiterleitung an Barbara W* bestimmte Äußerung: "Ich werde Barbara W* und die gemeinsame Tochter in deren Armen abstechen!", die Barbara W* gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die aus den Gründen der Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist in keinem Punkt berechtigt.

Dem gegen den Schuldspruch zu Punkt I/4 (wegen des Verbrechens der schweren Nötigung) erhobenen Einwand (Z 5) zuwider konnte das Erstgericht aus dem Zusammenhang der Bekundungen der Zeugin Barbara W* über frühere Nötigungshandlungen des Angeklagten (I/1 bis 3) mit dem von ihr auch in der Hauptverhandlung aufrecht erhaltenen Vorbringen, vom Angeklagten am 13. September 1994 auf die gleiche Art wie früher bedroht worden zu sein (S 24 in ON 18 und S 127 f), sowie aus der sachlich zum Teil geständigen Einlassung des Angeklagten vor der Polizei (S 25 und 27 in ON 18) logisch und empirisch einwandfrei folgern, daß die Zeugin auch am 13. September 1994 durch eine gefährliche Drohung mit dem Tod zur Überlassung des gemeinsamen Kindes an den Angeklagten veranlaßt werden sollte (US 11 f und 15). Demnach kann weder vom Fehlen der erforderlichen aktenmäßigen Deckung dieses Schuldspruchs noch davon die Rede sein, daß das Erstgericht für diesen Ausspruch keine Gründe angegeben hätte.

Soweit sich der Angeklagte darüber beschwert, daß der Schuldspruch zu Punkt IV (wegen gefährlicher Drohung) auf einer unrichtigen Wiedergabe der Depositionen der Eleonore W* beruht, zielt er auf keinen entscheidungswesentlichen Umstand ab. Es ist nämlich ohne Bedeutung, ob das in Aussicht gestellte Übel gegen die bedrohte Person selbst oder gegen ihre Angehörigen, gegen unter ihren Schutz gestellte oder gegen ihr sonst persönlich nahestehende Personen gerichtet ist, sofern sich die Verwirklichung der Ankündigung auch für den Bedrohten selbst als Übel darstellt (siehe insb Leukauf‑Steininger Komm3 § 74 RN 21 und Kienapfel BT I3 § 105 Rz 36). Deshalb ist es irrelevant, daß im angefochtenen Urteil sowohl Barbara W* als auch deren Kind als Adressaten der in Aussicht gestellten Übelszufügung bezeichnet werden (US 4 und 11), wogegen diese (mittelbare) Ankündigung nach den Angaben der Zeugin Eleonore W* ausschließlich das Kind betraf (S 111 und 230).

Damit versagen diese Ausführungen auch insoweit, als sie der Angeklagte unter dem Gesichtspunkt einer Tatsachenrüge (Z 5 a) behandelt sehen will, fehlt es ihnen nach dem Gesagten doch an der Eignung, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Hinsichtlich des Schuldspruchfaktums IV ist für den Beschwerdestandpunkt auch daraus nichts zu gewinnen, daß die Zeugin Eleonore W* infolge des Dialektes des Angeklagten allenfalls einige Worte nicht verstanden hat und von ihm auch nicht ausdrücklich zur Weitergabe der Drohungen an ihre Tochter Barbara W* aufgefordert worden ist. Denn zum einen hat sich die Zeugin nach der Aktenlage primär auf die Androhung der Ermordung ihres Enkelkindes konzentriert und auch in der Hauptverhandlung deponiert, ihrer Meinung nach gerade in Ansehung dieses Kernbereiches der drohenden Äußerung des Angeklagten keinem Mißverständnis unterlegen zu sein (S 230 f). Zum andern legt die gegenständliche Ankündigung eines besonders brutalen Verbrechens gegenüber Eleonore W*, nämlich der Ermordung ihrer Enkelin in den Armen der Tochter Barbara W*, nach Lage des Falles auch die tätergewollte Weitergabe dieser Drohung nahe. Demnach bestehen auch insofern keine erheblichen Bedenken (Z 5a) gegen den Schuldspruch.

Ebensowenig durchzudringen vermag der Angeklagte mit seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a).

Dem Einwand, das Erstgericht wäre verhalten gewesen, die Auslassungen des Angeklagten (Fakten I/1 bis 4 und IV) als zur Deliktsverwirklichung nach §§ 105, 107 StGB ungeeignete milieubedingte Unmutsäußerungen eines Betrunkenen zu werten, ist zu erwidern, daß die Beurteilung der Ernstlichkeit einer (sich ihrem Wortlaut nach als Drohung manifestierenden) Äußerung wie auch ihres Sinnes und Bedeutungsinhaltes ausschließlich eine ‑ im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu lösende ‑ Tatfrage betrifft (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 46 und 47 zu § 281). Diese hat das Erstgericht mit formell einwandfreier Begründung dahin beantwortet, daß es die inkriminierten Aussprüche als ernsthafte Drohung mit dem Tode interpretierte (US 9 und 11). Mangels Orientierung am Urteilssachverhalt verfehlt die Rechtsrüge damit eine gesetzmäßige Ausführung.

Nicht anders verhält es sich mit dem weiteren Beschwerdeeinwand, der Akteninhalt biete keinen Hinweis darauf, daß der Angeklagte die Weitergabe seiner im Zuge des Telefongesprächs mit Eleonore W* vom 17. Oktober 1994 ausgestoßenen Drohungen (IV) an Barbara W* gewollt hätte. Damit wird die ausdrückliche Feststellung negiert, daß der Angeklagte mit einer solchen Weitergabe gezielt gerechnet hat (US 11).

Von urteilsfremden Tatsachenprämissen geht auch die Subsumtionsrüge (Z 10) aus, wenn sie aus der Sicht einseitig zugunsten des Angeklagten gezogener Schlußfolgerungen die Beurteilung der Äußerungen als Drohungen mit dem Tode kritisiert. Damit setzt sich die Rüge über das die angenommenen Qualifikationen nach §§ 106 Abs 1 Z 1 und 107 Abs 2 StGB tragende Tatsachensubstrat hinweg und erweist sich auch insoferne als nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Sachlich unbegründet ist schließlich der Einwand gegen die Annahme der Qualifikation nach § 106 Abs 1 Z 3 StGB (Z 10).

Diese Deliktsqualifikation liegt vor, wenn der Genötigte zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung veranlaßt wird, die besonders wichtige Interessen seiner Person oder eines Dritten verletzt. Darunter sind neben beruflichen oder gesellschaftlichen Belangen insbesondere auch familiäre Interessen zu verstehen. Zudem ist erforderlich, daß in den betreffenden Interessensbereich des Genötigten durch die Forderung nach besonders schwerwiegenden Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen eingegriffen wird, die den qualifikationsbegründenden schweren Nachteilen nach § 106 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB zumindest annähernd gleichwertig sind (insb Leukauf‑Steininger Komm3 RN 9 und 10; Kienapfel BT I3 Rz 8 und 9; Schwaighofer in WK Rz 13 ff, jeweils zu § 106 StGB). Eine Verletzung solcher besonders wichtiger familiärer Interessen liegt aber dann vor, wenn die Nötigung eine massive Beeinträchtigung von Elternrechten und der hieraus resultierenden Schutzfunktion gegenüber einem Kind zum Ziel hat.

Von diesen Beurteilungskriterien ausgehend hat das Schöffengericht im Hinblick auf die Neigung des Angeklagten zum Alkoholmißbrauch und zu erheblicher - nicht zuletzt auch in schwerwiegende Drohungen gegen das eigene Kind zum Ausdruck kommender - Aggressivität mit Recht bejaht, daß er durch sein Verlangen nach Herausgabe des (wenn auch gemeinsamen) zweijährigen Kindes besonders wichtige familiäre Interessen der alleinerziehungs- und sorgeberechtigten Mutter Barbara W* verletzte. Die Unterstellung der Tat (I) unter die Qualifikation des § 106 Abs 1 Z 3 StGB entspricht daher dem Gesetz.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zu verwerfen.

Bei der nach §§ 28 Abs 1106 Abs 1 StGB vorgenommenen Strafbemessung wertete das Erstgericht die längere Zeit zurückliegenden einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, die Wiederholung der Nötigung und ihre zweifache Qualifikation, sein Straffälligwerden trotz bereits anhängigen Strafverfahrens, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen und die Verletzung von zwei Personen als erschwerend; als mildernd hingegen, daß der Widerstand gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben ist. Es verhängte darnach eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten.

Die gegen das Strafausmaß gerichtete Berufung des Angeklagten ist unbegründet. Zwar wurde die Begehung der vom Schuldspruch umfaßten Straftaten zu einem Zeitpunkt, als das Verfahren wegen des Einbruchsdiebstahls, von dem der Angeklagte freigesprochen worden ist, schon anhängig war, vom Schöffengericht zu Unrecht als besonderer Erschwerungsgrund gewertet. Die Verletzung zweier Personen ist jedoch dem Angeklagten keineswegs doppelt angelastet worden, denn die Wiederholung dieser Tat wurde beim Erschwerungsgrund des § 33 Z 1 StGB nicht mitberücksichtigt. Zusätzliche Milderungsgründe hat der Berufungswerber nicht geltend gemacht. Solche sind nach der Aktenlage auch nicht erkennbar.

Im Ergebnis hat der Oberste Gerichtshof jedenfalls keinen Anlaß zu der begehrten Strafermäßigung gefunden.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

 

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