OGH 14Os44/11v

OGH14Os44/11v28.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. April 2011 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kirnbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roman B***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 5 HR 199/10m des Landesgerichts Eisenstadt, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Roman B***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 21. März 2011, AZ 22 Bs 71/11v (ON 92 der HR-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Roman B***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 21. März 2011 (ON 92) gab das Oberlandesgericht Wien einer Beschwerde des Roman B***** gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 4. März 2011 (ON 75), mit welchem die (am 23. Dezember 2010 verhängte [ON 9] und wiederholt fortgesetzte [ON 23 und 42]) Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO prolongiert worden war, nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den vom Erstgericht angenommenen Haftgründen an.

Das Beschwerdegericht bejahte den dringenden Tatverdacht, Roman B***** habe von Mai 2008 bis Dezember 2010 in Eisenstadt

(1) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die Begehung schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich seiner Verfügungsbefugnis über Wertpapierverrechnungskonten und von ihm präsentierter Sparbücher - „allenfalls“ unter Benützung falscher, gefälschter oder inhaltlich unrichtiger Urkunden - Angestellte der O***** AG zur Auszahlung von noch näher festzustellenden, 50.000 Euro deutlich übersteigenden Barbeträgen verleitet und nachgenannte Personen an ihrem Vermögen geschädigt, und zwar:

a) die O***** AG oder die Inhaber von in Kundendepots verwahrten Wertpapieren durch Vorlage von Barbehebungsaufträgen;

b) Theresia I***** oder die O***** AG durch Präsentation einer noch nicht exakt feststehenden Zahl der Theresia I***** gehörenden Sparbücher;

(2) die ihm in seiner Eigenschaft als Privatkundenbetreuer der O***** AG, mithin durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht und dem genannten Unternehmen einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, dass er im Jahr 2010 vier Überweisungen mit einem Gesamtbetrag von 220.580 Euro auf das Konto seiner damaligen Lebensgefährtin Barbara S***** bzw auf ein Konto seines ungarischen Geschäftspartners Tivadar E***** veranlasste;

(3) eine fremde bewegliche Sache in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich Bargeld in der Höhe von 350.000 Euro bis 370.000 Euro, das sich in einem Schließfach der O***** AG befand, N. G***** mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen.

Diese für sehr wahrscheinlich gehaltenen Taten subsumierte das Oberlandesgericht den Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (1), der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (2) und des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2 StGB (3).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Roman B***** erhobene Grundrechtsbeschwerde schlägt fehl.

Die rechtliche Annahme einer der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren prüft der Oberste Gerichtshof dahin, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durften, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als unvertretbar („willkürlich“) angesehen werden müsste. § 173 Abs 2 StPO kennt somit als Vergleichsbasis des Willkürverbots nur die in Anschlag gebrachten bestimmten Tatsachen, weshalb auch ein bei dieser Prognose erfolgtes Unterbleiben der Erwägung einzelner aus Sicht eines Beschwerdeführers allenfalls erörterungsbedürftiger Umstände nicht als Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden kann (RIS-Justiz RS0117806).

Die vom Oberlandesgericht für die Annahme der Fluchtgefahr ins Treffen geführten Tatsachen, nämlich der wesentliche Verlust sozialer Inlandsbindung durch Beendigung einer Lebensgemeinschaft, Auslandskontakte des Beschuldigten auch während der Untersuchungshaft sowie die - angesichts massiver Vermögensdelinquenz mit einem Gesamtschaden von zumindest acht Millionen Euro - zu erwartende mehrjährige unbedingte Freiheitsstrafe (BS 5) lassen einen formal einwandfreien Schluss auf die nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO begründete Gefahr zu, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß flüchten oder sich verborgen halten.

Dem setzt der Beschwerdeführer durch die Hinweise auf (verbliebene) familiäre Bindungen in Österreich, einen inländischen Wohnsitz und die Zusage einer Anstellung im Inland keine substantiellen Argumente entgegen und zeigt solcherart keine Willkür der bekämpften Prognoseentscheidung auf.

Eine Erörterung der Einwände gegen die vom Oberlandesgericht ebenso - im Übrigen erneut willkürfrei - als bestehend angesehene Tatbegehungsgefahr erübrigt sich, weil bei gegebenem dringenden Tatverdacht bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt (RIS-Justiz RS0061196).

Welche Entscheidungsrelevanz der Einlassung des Beschuldigten zu von ihm geleistetem Lösegeld „aufgrund von massiven Drohungen und Erpressungen“ zukommen sollte, erklärt die Beschwerde nicht. Gleiches gilt für den bloßen Hinweis, dass sich Tivadar E***** in Ungarn in Untersuchungshaft befindet und Ermittlungen gegen ihn aufgenommen wurden.

Soweit die Grundrechtsbeschwerde erstmals und unbegründet eine Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft reklamiert, scheitert sie schon an der fehlenden Ausschöpfung des Instanzenzugs (RIS-Justiz RS0114487).

Somit wurde Roman B***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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