OGH 14Os42/90

OGH14Os42/9024.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hermann Z*** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 8.Februar 1990, GZ 12 Vr 488/89-8, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hermann Z*** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 4.November 1989 in Steyr fremde bewegliche Sachen, nämlich drei Packungen Valiumampullen und zwei Packungen Tramalampullen, im Gesamtwert von 120,33 S dem Landeskrankenhaus Steyr durch Aufzwängen eines versperrten Medikamentenschrankes mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Der gegen diesen Schuldspruch auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt (schon) aus dem erstbezeichneten Grund Berechtigung zu.

Den Antrag des Beschwerdeführers auf Vernehmung des Polizeiarztes der Bundespolizeidirektion Steyr Dr. L*** und Einholung eines medizinischen (psychiatrischen) Sachverständigengutachtens, zum Nachweis dafür, daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt infolge Alkoholeinflusses sowie der Einnahme von Rohypnol und Methadon nicht zurechnungsfähig gewesen sei (S 55), wies das Erstgericht ab (S 56). In der (erst im Urteil nachgetragenen) Begründung (US 6 ff) brachte es zum Ausdruck, daß die Frage einer allfälligen Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nur im Rahmen der Beweiswürdigung zu klären sei, die Vernehmung des Polizeiarztes Dr. L*** und auch das von einem medizinischen Sachverständigen zu erwartende Gutachten jedoch "sowohl Anhaltspunkte für Zurechnungsunfähigkeit als auch für Zurechnungsfähigkeit bieten würde" (US 8). Die Ablehnung des bezüglichen Antrages erfolgte solcherart in augenscheinlich vorgreifender und damit der Verpflichtung aller im Strafverfahren tätigen Behörden zur Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO) zuwiderlaufender Beweiswürdigung.

Die Vernehmung Dris. L*** wäre schon deshalb geboten gewesen, weil dem Antrag des genannten Polizeiarztes, dem der Angeklagte nach seiner am 4.November 1989 erfolgten Festnahme vorgeführt wurde, zu entnehmen ist, daß die Einweisung in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus des Landes Oberösterreich wegen "Methadonkur, Suchtgiftmißbrauch, heute Einnahme von höheren Dosen (unkontrolliert) Tranquilizer" veranlaßt wurde (S 27) und auch dem Polizeibericht vom selben Tag zu entnehmen ist (S 29), daß "mit Rücksicht auf den bestehenden Geisteszustand bei Hermann Z*** von einer niederschriftlichen Vernehmung Abstand genommen werden mußte". Bei dieser Sachlage konnte sich das Schöffengericht nicht mit dem Hinweis begnügen, dem vom Polizeiarzt (im Einweisungsantrag) "beschriebenen Stimmungsbild" komme keine Bedeutung zu, weil der Angeklagte auf Grund seines Suchtgiftmißbrauches und der nunmehrigen Aufdeckung seiner Straftat "durchaus ein Stimmungsbild aufweisen konnte, das den Polizeiarzt zur Einweisung in das (psychiatrische) Krankenhaus veranlaßte" (US 8).

Aber auch die vom Erstgericht für die Ablehnung der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ins Treffen geführten Erwägungen gehen fehl. Wann eine Untersuchung des Geisteszustandes des Angeklagten stattzufinden hat, regelt § 134 Abs. 1 StPO. Darnach ist eine solche Untersuchung durch einen oder nötigenfalls zwei Ärzte (§ 118 Abs. 2 StPO) zu veranlassen, wenn Zweifel darüber entstehen, ob der Täter zur Zeit der Tat den Gebrauch seiner Vernunft besessen oder ob er an einer Geistesstörung gelitten habe, wodurch seine Zurechnungsfähigkeit aufgehoben war. Entscheidend ist demnach, ob Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten bestehen; ist das der Fall, dann können derartige Zweifel nicht durch irgendwelche Überlegungen beseitigt werden, sondern es ist die gutächtliche Meinung wenigstens eines Sachverständigen einzuholen (vgl. 10 Os 76/78 ua).

Rechtliche Beurteilung

Im gegenständlichen Verfahren liegen wie bereits dargelegt, derartige Zweifel auf der Hand. Das Schöffengericht hätte daher die bezügliche Frage durch die in Rede stehenden Beweiserhebungen einer weiteren Aufklärung zuführen müssen und durfte sich angesichts der aktenkundigen psychischen Auffälligkeiten nicht mit dem Hinweis auf das "zielgerichtete Vorgehen" des Angeklagten bei der Tatausführung, auf seine leugnenden Angaben hinsichtlich der Herkunft der bei ihm sichergestellten Medikamente und auf das Fehlen objektiver Merkmale "wieviel suchtmachende Mittel der Angeklagte eingenommen hat und ob er auch alkoholische Getränke zu sich genommen hat", begnügen. Es zeigt sich sohin, daß den von der Verteidigung gestellten Beweisanträgen zwecks zweifelsfreier Klärung der Frage der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit Berechtigung nicht von vornherein abgesprochen werden kann und das angefochtene Urteil daher im Sinn der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO nichtig ist.

Da bei dieser Sachlage die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war über die Nichtigkeitsbeschwerde - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - gemäß § 285 e StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Mit seiner dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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