OGH 14Os39/95

OGH14Os39/954.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.April 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohrböck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Slobodan S* wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20.September 1994, GZ 9 Vr 1.485/94‑14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0140OS00039.9500000.0404.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Durch das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 20.September 1994, GZ 9 Vr 1.485/94‑14, ist das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 43 a Abs 2 StGB und 260 Abs 1 Z 3 StPO verletzt worden.

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Slobodan S* wird nach §§ 28 Abs 1, 43 a Abs 2, 207 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 200 (zweihundert) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 100 (hundert) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer Freiheitsstrafe von 3 (drei) Monaten und 10 (zehn) Tagen verurteilt.

Der Tagessatz wird mit 150 (einhundertfünzig) S festgesetzt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem oben bezeichneten Urteil wurde Slobodan S* des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB sowie der Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB schuldig erkannt. Der Strafausspruch lautet:

"Er wird hiefür nach § 207 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 (zehn) Monaten verurteilt. Gemäß § 43 a Abs 2 StGB wird anstelle eines Teiles der Freiheitsstrafe eine Geldstrafe von 200 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, wobei die Höhe des Tagessatzes gemäß § 19 Abs 2 StGB mit S 150,- bemessen wird, sodaß die Gesamtgeldstrafe S 30.000,- beträgt. Der Rest der Freiheitsstrafe, nämlich 3 Monate und 10 Tage werden gemäß § 43 a Abs 2 StGB und § 43 Abs 1 StGB unter Festsetzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen."

Dieser Strafausspruch verletzt das Gesetz, und zwar nicht nur ‑ wie der Generalprokurator in seiner deshalb gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt ‑ in der Bestimmung des § 43 a Abs 2 StGB, sondern auch in jener des § 260 Abs 1 Z 3 StPO.

Nach § 43 a Abs 2 StGB ist, falls auf eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten, aber nicht mehr als zwei Jahren zu erkennen wäre und nicht die Voraussetzungen für eine bedingte Nachsicht der ganzen Strafe vorliegen, an Stelle eines Teiles der Freiheitsstrafe eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu verhängen, wenn im Hinblick darauf der verbleibende Teil der Freiheitsstrafe nach § 43 StGB bedingt nachgesehen werden kann.

Anders als in den Fällen des § 43 a Abs 1, Abs 3 und Abs 4 StGB, in denen die Strafe zunächst der Höhe nach auszusprechen und sodann zu bestimmen ist, welcher Teil davon bedingt nachgesehen wird, ist bei der im § 43 a Abs 2 StGB vorgesehenen Strafenkombination das ohne Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen in Betracht kommende Ausmaß der gedachten Freiheitsstrafe im Urteilsspruch nicht anzuführen, sondern sind unmittelbar eine (unbedingte) Geldstrafe und eine (bedingte) Freiheitsstrafe zu verhängen (vgl EvBl 1991/41; siehe auch Leukauf‑Steininger Komm3 § 43 a RN 10). Erst in den Entscheidungsgründen kann das Ausmaß der hypothetischen Freiheitsstrafe angegeben werden, es besteht jedoch keineswegs eine Verpflichtung zu einer solchen Angabe; genug daran, daß in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommt, daß an sich auf eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten, aber nicht mehr als zwei Jahren zu erkennen gewesen wäre (idS wohl auch Leukauf‑Steininger aaO).

Die spruchmäßige Hervorhebung des Ausmaßes der gedachten Freiheitsstrafe von 10 Monaten widersprach sohin dem § 43 a Abs 2 StGB und gereichte dem Verurteilten zum Nachteil, weil damit ein scheinbar höherer Grad strafrechtlichen Tadels zum Ausdruck gebracht wurde.

Darüber hinaus ist aber dem Landesgericht ein weiterer Fehler auch insofern unterlaufen, als der ausgesprochene Freiheitsstrafteil (3 Monate und 10 Tage) und die für den Fall der Uneinbringlichkeit des Geldstrafteils festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe (100 Tage) in Summe nicht dem angegebenen hypothetischen Strafausmaß (10 Monate) entsprechen. Bei richtiger Berechnung ergäbe sich nämlich nach Subtraktion der Ersatzfreiheitsstrafe vom hypothetischen Strafausmaß ein Freiheitsstrafteil von 6 Monaten und 20 Tagen (und nicht bloß von 3 Monaten und 10 Tagen, die in Wahrheit der Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen!).

Auf diesen Mißgriff hat der Generalprokurator in der Nichtigkeitsbeschwerde zwar hingewiesen, ihn allerdings nicht ausdrücklich als Gesetzesverletzung geltend gemacht.

Insoweit ist jedoch das Gesetz in der Bestimmung des § 260 Abs 1 Z 3 StPO verletzt, weil nicht eindeutig zu erkennen ist, zu welchem Freiheitsstrafteil der Angeklagte verurteilt worden ist. Nach den mathematischen Prämissen beträgt der damit gemeinte "Rest der Freiheitsstrafe" eben 6 Monate und 20 Tage, während tatsächlich ein Freiheitsstrafteil von 3 Monaten und 10 Tagen ausgesprochen worden ist.

Der sohin in zweifacher Hinsicht gesetzwidrige Strafausspruch war daher zu kassieren (§ 292 letzter Satz StPO).

Von der Anordnung einer Verfahrenserneuerung in erster Instanz wurde ‑ entgegen dem Beschwerdeantrag ‑ abgesehen, weil eine neuerliche Beurteilung der Strafbemessungstatsachen durch das Erstgericht nicht erforderlich ist. Das (auch und gerade) im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes geltende Verschlimmerungsverbot hat nämlich zur Folge, daß ‑ anders als dies bei einer insoweit zum Nachteil des Angeklagten erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 3 (§ 260) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft der Fall wäre ‑ zu Gunsten des Angeklagten das Ausmaß der gedachten Freiheitsstrafe unter Zugrundelegung der falschen Berechnung des Landesgerichtes mit nicht mehr als 6 Monaten und 20 Tagen angenommen werden darf, zumal nicht auszuschließen ist, daß Slobodan S* einen Rechtsmittelverzicht eben nur im Hinblick auf diese Summe der Strafteile abgegeben hat. Dieses hypothetische Strafausmaß entspricht aber jedenfalls den im Ersturteil festgestellten Strafbemessungstatsachen, weshalb der Oberste Gerichtshof auf dieser Basis den Strafausspruch sogleich selbst korrigiert und auf die aus dem Spruch ersichtliche Strafenkombination erkannt hat.

Auf die Bestimmungen des § 18 Abs 1 und Abs 2 Z 1 FremdenG über das Aufenthaltsverbot gegen einen Fremden war in diesem Zusammenhang übrigens keine Rücksicht zu nehmen, weil sie kein Kriterium der Strafbemessung enthalten.

 

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