OGH 14Os39/93

OGH14Os39/9320.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.April 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zawilinski als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl R***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 27.November 1992, GZ 13 Vr 1787/92-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, und der Verteidigerin Dr. Appel, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde Karl R***** der Vergehen (I.) des Diebstahls nach § 127 StGB und (II.) des Betruges nach § 146 StGB sowie (III.) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er (in Graz)

(zu I) nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 25.000 S nicht übersteigenden Wert mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen, und zwar

1. am 29.Mai 1992 der Erika F***** 6.000 S Bargeld,

2. am 4.Juni 1992 der Heidemarie L***** 2.500 S Bargeld,

3. am 10.Juni 1992 der Cäcilia G***** zwei vergoldete und zwei silberne Kaffeelöffel mit Wappen im Gesamtwert von 200 S;

(zu II) am 4.Juni 1991 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Heidemarie L***** durch die Vorspiegelung, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Gast zu sein, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zum Ausschank von Getränken im Wert von insgesamt 890 S, mithin zu einer Handlung verleitet, welche Johann U***** an seinem Vermögen in vorgenannter Höhe schädigte;

(zu III) am 10.Juni 1992 dadurch, daß er Cäcilia G***** am Kopf erfaßte, ihr den Mund zuhielt, ihr ein Butterfly-Messer an den Hals ansetzte, sie fesselte und einen Bargeldbetrag von 4.000 S sowie eine Gliederhalskette, ein Armband und eine Herrenarmbanduhr im Wert von insgesamt 1.300 S an sich nahm, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB), unter Verwendung einer Waffe, der Cäcilia G***** fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur die Raubqualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB (bewaffneter Raub) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6, 8, 10 a und 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Geschwornen hatten insoweit die (anklagekonform) auf das Verbrechen des schweren Raubes (unter Verwendung einer Waffe) nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB gerichtete Hauptfrage mit der Einschränkung: "sechsmal ja, zweimal ohne Messer ja" bejaht.

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) erblickt der Beschwerdeführer zunächst darin, daß den Geschwornen lediglich eine Hauptfrage nach schwerem Raub, nicht aber auch eine "Eventualfrage" nach (einfachem) Raub im Sinn des § 142 Abs. 1 StGB gestellt wurde, obgleich durch das Vorbringen in der Hauptverhandlung eine Tatbegehung ohne Verwendung einer Waffe indiziert gewesen sei.

Abgesehen davon, daß strafsatzändernde Erschwerungs- oder Milderungsumstände gemäß § 316 StPO nur Gegenstand einer Zusatzfrage, nicht aber einer (Deliktsalternativen zur Hauptfrage vorbehaltenen) Eventualfrage (als Schuldfrage) sein können, ist es gemäß § 317 Abs. 2 StGB der Beurteilung des Schwurgerichtshofes anheimgestellt, ob ein strafsatzändernder Umstand in die Hauptfrage aufzunehmen ("komplexe" Fragestellung) oder zum Gegenstand einer besonderen (Zusatz-)Frage zu machen ist. Auch § 316 StPO schreibt nicht zwingend vor, daß nach einem die Änderung des Strafsatzes begründenden Erschwerungs-(oder Milderungs-)umstand eine selbständige (Zusatz-)Frage an die Geschwornen zu richten ist. Demzufolge ist es nicht nur zulässig, sondern mitunter sogar zweckmäßig, strafsatzändernde Umstände in die Hauptfrage aufzunehmen (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 9 zu § 316). Dem Fehlen der Voraussetzungen für die Annahme der Qualifikation eines schweren Raubes unter Verwendung einer Waffe nach § 143 zweiter Fall StGB hätten die Geschwornen bei Beantwortung der (insoweit einzigen) Hauptfrage Rechnung tragen können, wie dies übrigens auch tatsächlich geschehen ist. Darauf waren sie nicht nur in der (ihnen übergebenen und zudem im Beratungszimmer angeschlagenen) allgemeinen Rechtsbelehrung sowie im Vordruck für die an sie gerichteten Fragen (StPO-FormProt.15), sondern auch in der besonderen Rechtsbelehrung (vgl. deren S 7) ausdrücklich hingewiesen worden.

Aber auch der unter diesem Nichtigkeitsgrund erhobene (und im Rahmen der Rechtsrüge wiederholte) weitere Einwand, die Fragestellung nach Raub (und der darauf gegründete Wahrspruch) lasse nicht erkennen, ob das zur Begehung des Raubes verwendete Butterfly-Messer geöffnet oder geschlossen war, ist unbegründet. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß selbst einem geschlossenen Messer, das der Täter in der Hand hält und nur aufzuklappen braucht, um es als Waffe einzusetzen, Waffenqualität im Sinn des § 143 zweiter Fall StGB zukommt (EvBl 1978/34). Da der Angeklagte im übrigen die Verwendung eines ungeöffneten Butterfly-Messers - dessen besondere Öffnungsmechanik zudem eine vereinfachte und beschleunigte Freilegung der Klinge mit nur einer Hand erlaubt (vgl 11 Os 48/90) - nie behauptete, vielmehr bei seiner fortgesetzten Vernehmung durch den Untersuchungsrichter am 2. Juli 1972 ausdrücklich zugab, der Cäcilia G***** das Messer deshalb vorgehalten und am Hals angesetzt zu haben, um sie einzuschüchtern (vgl. S. 111 d, 111 f), war die von ihm vermißte Konkretisierung der Beschaffenheit des Tatwerkzeuges nicht erforderlich.

Die Instruktionsrüge (Z 8) hinwieder läßt nicht erkennen, inwieweit die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung unrichtig sein soll. Entgegen dem Beschwerdevorbringen enthält sie nämlich (vgl deren S 11 ff) durchaus zutreffende Erläuterungen zum Waffenbegriff im Sinn des § 143 StGB (Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr 4 ff zu § 143 StGB). Welcher Teil dieser Rechtsbelehrung Anlaß für einen Irrtum der Laienrichter bei Beurteilung der hier aktuellen Rechtsfrage bieten könnte, wird vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt. Ebensowenig kann der Beschwerde entnommen werden, inwiefern die Rechtsbelehrung die Geschwornen über das "Zusammenspiel" der gestellten Fragen hätte beirren können.

Als nicht zielführend erweist sich auch die Tatsachenrüge (Z 10 a), mit welcher erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen zum Tathergang getroffenen Feststellungen geltend gemacht werden.

Zu dem zunächst erhobenen Einwand, dem Angeklagten sei die gleichzeitige Ausführung der ihm angelasteten Tathandlungen (Erfassen des Kopfes des Tatopfers, Zuhalten des Mundes und Ansetzen des Messers) unmöglich gewesen, genügt der Hinweis, daß damit bloß die einzelnen Phasen der Gewaltanwendung in ihrer zeitlichen Folge beschrieben wurden. Somit scheitert auch der Versuch des Beschwerdeführers, aus konstruierten "Tathandlungsabfolgen" die Unwahrscheinlichkeit des von ihm - wie bereits dargelegt wurde - im Vorverfahren ausdrücklich zugegebenen (vgl. abermals S 111 d ff) Messereinsatzes darzutun.

Soweit der Angeklagte in diesem Zusammenhang die Nichtvornahme der in der Hauptverhandlung vom 2.Oktober 1992 begehrten Durchführung eines Ortsaugenscheines (S 370) bemängelt, wurde der darauf abzielende Beweisantrag in der am 27.November 1992 gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung nicht wiederholt (S 400), sodaß ihm die Legitimation zur Geltendmachung eines daraus abgeleiteten Verfahrensmangels (Z 5) fehlt. Im übrigen waren die im Akt befindlichen Unterlagen (Lichtbilder: S 152, 155; maßstabsgerechte Planskizze: S 165) durchaus geeignet, den Geschwornen in ausreichendem Maße Aufschluß über die Gegebenheiten im Tatortbereich zu geben und ihnen eine verläßliche Beurteilung der vom Angeklagten und seinem Opfer geschilderten Tatversionen zu ermöglichen.

Schließlich können die vom Beschwerdeführer geäußerten Bedenken auch nicht darauf gegründet werden, daß Cäcilia G***** - entgegen ihren früheren Behauptungen - in der Hauptverhandlung eine Bedrohung durch den Angeklagten mit einem Messer verneint habe. Ergibt sich doch aus dem Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Dr. Zigeuner, daß die geänderte Darstellung des Vorfalles in der Hauptverhandlung auf Gedächtnisstörungen und Vergeßlichkeit der (1910 geborenen) cerebral-sklerotisch geschädigten Cäcilia G***** zurückgeführt werden kann (AS 369, 400).

Die Beschwerde vermag somit weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Verpflichtung des Gerichtes zur amtswegigen Wahrheitserforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung, noch an Hand der Akten Beweisergebnisse aufzuzeigen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen Lebenserfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der im Verdikt der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen, auch soweit sie die Verwendung einer Waffe betreffen, entstehen lassen.

In der Subsumtionsrüge (Z 12) bekämpft der Angeklagte die Unterstellung der Raubtat unter die Qualifikation nach § 143 (zweiter Fall) StGB mit der Begründung, der Wahrspruch lasse einerseits eine Unterscheidung zwischen "Verwendung" und "Mitführung" der Waffe und andererseits Feststellungen darüber vermissen, ob das tataktuelle Butterfly-Messer bei der Tatausführung im geöffneten oder geschlossenen Zustand verwendet wurde.

Der nach Meinung des Beschwerdeführers aus einer verfehlten Fragestellung resultierende Rechtsirrtum in Ansehung des Tatbestandsmerkmales "unter Verwendung einer Waffe" liegt nicht vor, weil das laut Wahrspruch von den Geschwornen als erwiesen angenommene Verhalten des Angeklagten, wonach er dem Raubopfer bei der Tatbegehung das besagte Messer an den Hals ansetzte, in rechtlicher Beziehung für die Annahme der Tatqualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB jedenfalls tragfähig ist. Dabei kommt der auch in der Rechtsrüge erneut aufgeworfenen Frage, ob vorliegend ein geschlossenes oder geöffnetes Messer zum Einsatz gebracht wurde, aus den bereits dargelegten Erwägungen keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Die rechtliche Beurteilung des Tatverhaltens des Angeklagten als Verbrechen des schweren Raubes im Sinn der §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB erfolgte somit frei von Rechtsirrtum.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 143 erster Strafsatz StGB zu acht Jahren Freiheitsstrafe.

Dabei wertete es das Zusammentreffen zweier Vergehen mit einem Verbrechen, den Umstand, daß der Angeklagte bei der Begehung der (Raub-)Tat die Wehr- und Hilflosigkeit eines anderen (nämlich der 82-jährigen Cäcilia G*****) ausgenützt hat, den raschen Rückfall und die die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB übersteigenden einschlägigen Vorstrafen als erschwerend, hingegen das Geständnis als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Von einer in der Berufung - ohne jegliche Substantiierung - behaupteten Tatbegehung durch eine besonders verlockende Gelegenheit und nur aus Unbesonnenheit kann angesichts der sorgfältigen Tatplanung und des stundenlangen Beobachtens der Gewohnheiten der Cäcilia G***** (in ihrem Haus) keine Rede sein. Das Geständnis hinwieder wurde vom Erstgericht ohnedies uneingeschränkt als Milderungsgrund berücksichtigt. Die "von Lieblosigkeit begleitete Kindheit" und "dadurch sicherlich erlittene Erziehungsmängel" können angesichts des Alters des Angeklagten (von 27 Jahren) und der Wirkungslosigkeit bisheriger Abstrafungen nicht (mehr) zu seinen Gunsten herangezogen werden. Wohl aber wäre die Zustandebringung des der Cäcilia G***** geraubten bzw. gestohlenen Gutes als Milderungsgrund zu werten gewesen.

Dennoch wurde auf der Basis der sohin korrigierten Strafzumessungsgründe die vom Erstgericht über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe von acht Jahren - insbesondere im Hinblick auf den hohen Unrechtsgehalt der Raubtat, auf sein durch mehrere einschlägige Verurteilungen getrübtes Vorleben und den überaus raschen Rückfall (nach Verbüßung einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe bis 7. April 1992) - nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) keinesfalls zu hoch ausgemessen. Eine Strafreduktion kam somit nicht in Betracht.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

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