OGH 14Os36/20f

OGH14Os36/20f9.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Walter im Verfahren zur Unterbringung des ***** L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Jänner 2020, GZ 9 Hv 122/19s‑54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00036.20F.0609.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des ***** L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Danach hat er [in G*****] unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie beruht,

I./ seinen Erwachsenenvertreter Mag. ***** G***** mittels nachstehender an das Bezirksgericht G***** gerichteter Schreiben durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Unterlassung der weiteren Ausübung seiner Erwachsenenvertretung zu nötigen versucht, und zwar

1. am 2. Mai 2019 durch die Ankündigung „ich morde gerne“ und „solche Menschen (gemeint offenbar der Erwachsenenvertreter) gehören erledigt“, „L.A. (gemeint offenbar der Betroffene) will Gemeinheit (gemeint offenbar der Erwachsenenvertreter) töten, killen, umbringen, ermorden“ und „L.A. schlägt jeden nieder, der kommt und sagt, er sei ein Sachwalter. L.A. hat auch meist einen Hirschfänger bei sich“,

2. am 29. Mai 2019 durch die Ankündigung „das ist ein Grund, zum Kannibalen zu werden.“, „Ich wünsche euch allen, die mich verwalten und vertreten wollen, Tod und Verderben. Krankheiten sollen euch plagen. Eure Kinder mögen dem Untergang geweiht sein. Eure Familien werden ausgerottet werden.“, „Ihr lebt nicht mehr lange.“, „Ich wünsche euch einen schnellen, kurzen und schmerzlosen Tod.“ und „man darf ihn (gemeint offenbar der Betroffene) nicht ärgern. Das geht tödlich für seine Feinde aus.“;

II./ am 19. Mai 2019 den psychiatrischen Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. ***** W***** durch die in einem Schreiben enthaltene Ankündigung „Pass auf W*****. Das große Psychiatersterben ist wieder einmal angesagt.“ gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;

III./ die für das beim Bezirksgericht G***** geführte Erwachsenenschutzverfahren des Betroffenen zuständige Richterin Mag. ***** We***** mittels nachstehender an das genannte Bezirksgericht gerichteter Schreiben gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1. am 2. Mai 2019 durch die Ankündigung „wir fahren mit der Richterin wieder einmal auf die Riegersburg zur Hexenverbrennung. Es wird ein Volksvergnügen, sie in der eisernen Jungfrau zu sehen.“, „ich morde gerne“ und „solche Menschen (gemeint offenbar die Richterin) gehören erledigt“,

2. am 29. Mai 2019 durch die Ankündigung „das ist ein Grund, zum Kannibalen zu werden.“, „Ich wünsche euch allen, die mich verwalten und vertreten wollen, Tod und Verderben. Krankheiten sollen euch plagen. Eure Kinder mögen dem Untergang geweiht sein. Eure Familien werden ausgerottet werden.“, „Ihr lebt nicht mehr lange.“, „Ich wünsche euch einen schnellen, kurzen und schmerzlosen Tod.“ und „man darf ihn (gemeint offenbar der Betroffene) nicht ärgern. Das geht tödlich für seine Feinde aus.“,

sohin Taten begangen, die als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (I./) und als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (II./ und III./) jeweils mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen kommt keine Berechtigung zu.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). Die Geltendmachung eines Feststellungsmangels wiederum setzt ebenfalls voraus, dass kein konstatierter Umstand übergangen oder bestritten wird (RIS-Justiz RS0118580 [T14]).

Diesen Anfechtungskriterien wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gerecht.

Mit dem – auch Feststellungsmängel reklamierenden – Einwand, bei den inkriminierten Äußerungen habe es sich nicht um Drohungen mit dem Tod, sondern bloß um milieubedingte Unmutsäußerungen „im Zorn“, „aus Imponiergehabe“, „zur Provokation“ und um „den Unmut über die bestehende Sachwalterschaft auszudrücken“ gehandelt, die „nur symbolisch nur am Papier gemeint“ gewesen seien, vernachlässigt die Beschwerde prozessordnungswidrig die gegenteiligen Feststellungen zum Bedeutungsinhalt und zur Ernstlichkeit der Äußerungen sowie zum Vorsatz des Beschwerdeführers (US 5 bis 8).

Vielmehr stellt das Beschwerdevorbringen (der Sache nach zum Teil auch Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe „die Angaben des Angeklagten“ und „die angeführten Gründe für die getätigten inkriminierten Äußerungen“ „nicht ausreichend berücksichtigt“ (s aber US 8; RIS-Justiz RS0098519) und der Umstand, dass die Tatzeitpunkte „ausschließlich im Mai 2019“ lagen, „deute nur [auf] Unmutsäußerungen“ hin, bloß eine unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung dar.

Indem die Rechtsrüge zu sämtlichen Anlasstaten die Eignung der Drohungen, den Bedrohten begründete Besorgnis (hier: vor Angriffen auf ihr Leben) einzuflößen (vgl dazu RIS-Justiz RS0092753; Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 33), „aufgrund der Begleitumstände“ in Frage stellt, weil die Bedrohten „über den Gesundheitszustand des Angeklagten Bescheid wissen bzw auch von dessen Unmut über die bestehende Sachwalterschaft“, leitet sie nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116569), weshalb eine solche bei gebotener Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs in Bezug auf die konstatierte schriftliche Ankündigung des „Tötens, Killens, Umbringens, Ermordens“ (I./), des „Psychiatersterbens“ (II./) sowie des „Ermordens, Erledigens, Tötens“ (III./) nicht gegeben sein, und aus welchem Grund es bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage auf eine in der Vergangenheit bereits realisierte oder zukünftig beabsichtigte Realisierung eines angedrohten Übels ( Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 23; RIS-Justiz RS0092519; vgl Schwaighofer in WK 2 StGB § 105 Rz 61) ankommen sollte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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