OGH 14Os36/19d

OGH14Os36/19d25.6.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Juni 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Binder in der Strafsache gegen Hermann W***** und einen anderen Angeklagten wegen der Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten W***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. August 2018, GZ 41 Hv 18/18t‑143, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00036.19D.0625.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten W***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Hermann W***** mehrerer Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, „und zwar die nachgenannten Personen vor deren 18. Geburtstag“, unmittelbar durch ein Entgelt dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung, nämlich den Oralverkehr, an ihm vorzunehmen oder von ihm an sich vornehmen zu lassen, und zwar

1. „zwischen Jänner 2015 und 1. August 2017“ E***** B*****, geboren am *****,

2. „zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten vor August 2017“ P***** B*****, geboren am *****.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Z 5, 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Entgegen der Mängelrüge stehen die als übergangen reklamierten (Z 5 zweiter Fall) Passagen aus den Aussagen der Zeugen Norbert G*****, Tibor B***** und Angel D*****, die sich im Wesentlichen in der Verneinung eigener Wahrnehmungen zu geschlechtlichen Handlungen des Angeklagten mit unter 18‑jährigen Personen und einer subjektiven Einschätzung dessen Vorlieben in Bezug auf das Alter seiner Sexualpartner erschöpfen, den – auf die belastenden Angaben einer Reihe anderer Zeugen gestützten (US 5) – Urteilsannahmen zu den konkreten Tathandlungen des Beschwerdeführers nicht erörterungsbedürftig entgegen.

Ebensowenig mussten sich die Tatrichter unter dem Aspekt von Unvollständigkeit gesondert mit den von der Rüge relevierten – isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen zitierten – Details aus der Aussage des Zeugen Sergej H***** anlässlich seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung (ON 142a S 30, 32) auseinandersetzen. Der Interpretation des Rechtsmittelwerbers zuwider ist darin nämlich keineswegs ein „Widerruf“ seiner belastenden Angaben vor der Kriminalpolizei zu erblicken. Denn der Zeuge löste die von der Beschwerde hervorgehobenen – auf insistierendes Nachfragen durch den Verteidiger gezeigten – Unsicherheiten („Vielleicht, weiß ich nicht ...“, „Dann weiß ich nicht, was sie getan oder nicht getan haben, ich hab sie nicht gesehen.“) im Zuge der weiteren Befragung klarstellend auf, indem er zusammenfassend bestätigte, dass (mit Ausnahme des Norbert G*****) alle von ihm genannten Opfer der (im gegenständlichen Verfahren) Angeklagten unter 18 Jahre alt waren und dass er diese nicht nur mit den jeweiligen Freiern weggehen gesehen habe, sondern von den Burschen auch über das anschließende Geschehen informiert worden sei (ON 142a S 34 f).

Mit dem Hinweis auf die schon von der Mängelrüge thematisierten Passagen aus der Aussage des Zeugen H*****, die – (eigene) geschlechtliche Handlungen mit dem Angeklagten bestreitenden – Bekundungen des Zeugen P***** B***** sowie dessen – von den Tatrichtern gleichfalls als unglaubwürdig beurteilte (US 5 f) – Behauptung, sein Bruder E***** habe erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres „business“ (gemeint: Oralverkehr gegen Entgelt) mit dem Beschwerdeführer gemacht, gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Soweit sie die Beurteilung der Überzeugungskraft der Aussagen des Angeklagten und des Zeugen Patrik B***** als unlogisch und lebensfremd kritisiert, lässt sie außer Acht, dass die Annahme der Tatrichter von der (in der Regel erheblichen Tatsache der) Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit einer Beweisperson als (bloß) beweiswürdigende Erwägung keinen zulässigen Bezugspunkt der Tatsachenrüge darstellt ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 431; RIS‑Justiz RS0099649).

Bei der nach Art einer Aufklärungsrüge vorgetragenen Kritik am Unterbleiben einer Befragung des Tatopfers Eugen B***** zum ihn betreffenden Tatvorwurf gibt der Beschwerdeführer nicht bekannt, wodurch er an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung

gehindert war (RIS‑Justiz RS0115823).

Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird Nichtigkeit aus

Z 5a ebensowenig dargetan (RIS‑Justiz RS0102162) wie mit dem Vorwurf, der Schuldspruch basiere bloß auf der – nach dem Beschwerdestandpunkt – widersprüchlichen und entlastenden Aussage des Zeugen H***** und den Bekundungen zweier Zeugen vom „Hörensagen“ (Adrian B***** und Gustav O*****), während „direkte Beweise“ nicht vorlägen (vgl zur Zulässigkeit von Indizienbeweisen RIS‑Justiz RS0098249).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch 1 leitet den Vorwurf, dem Urteil ließe sich nicht entnehmen, dass Eugen B***** zu den Tatzeitpunkten das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, ausschließlich aus dem konstatierten Tatzeitraum und dem Geburtsdatum des Genannten ab und verfehlt damit den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581; RIS‑Justiz RS0099810).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO bleibt anzumerken, dass eine Analyse der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 4 f; vgl auch den ausdrücklichen Hinweis auf die darauf bezogenen Aussagen der Zeugen H***** und Patrik B***** [US 5]) – unter Heranziehung des

Erkenntnisses (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; US 2: „vor deren 18. Geburtstag“) zu deren

Verdeutlichung (RIS‑Justiz RS0114639) – den Willen der Tatrichter, die zur vorgenommenen Subsumtion erforderlichen Feststellungen auch in Bezug auf das Alter des Eugen B***** zu treffen, hinreichend deutlich erkennen lässt (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte