OGH 14Os35/06p

OGH14Os35/06p9.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Mai 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hennrich als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann M***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 13. Jänner 2006, GZ 36 Hv 230/05a-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Johann M***** des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 5. April 2005 in Bischofshofen dadurch, dass er aus kurzer Distanz auf Erika S***** aus seiner Faustfeuerwaffe der Marke Smith & Wesson, Kaliber 9 mm, einen Schuss direkt und drei weitere Schüsse durch die geschlossene Türe zum Schlafzimmer abfeuerte, versucht hatte, einen anderen vorsätzlich zu töten.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 10a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Voraussetzung für die Stellung einer Eventualfrage ist das Vorbringen von Tatsachen in der Hauptverhandlung, die einen gegenüber der Anklage geänderten Sachverhalt und im Falle ihrer Bejahung die Basis für einen Schuldspruch wegen einer - anklagedifformen - gerichtlichen strafbaren Handlung in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken (Schindler, WK-StPO § 314 Rz 1).

Indem die Fragenrüge (Z 6) unter Hinweis auf einen sich aus den Angaben des Angeklagten und des Tatopfers ergebenden „kurzen heftigen Streit", und die Umstände, „dass er hiebei bei der Schussabgabe ein bisschen wackelte" und mehrere „unkontrollierte" Schüsse kurz hintereinander abfeuerte, sowie die vom Sachverständigen Dr. Mi***** attestierte, aus einem „Baumzeichenversuch nach Koch" herausgelesene Möglichkeit starker Hemmungs- und Verdrängungsmechanismen, in Verbindung mit einer Neigung zu aufgestauten Affekten mit der Gefahr von Affektentladungen (S 47/II) die Stellung einer Eventualfrage nach versuchtem Totschlag moniert, verfehlt sie unter Missachtung des Mangels eines für die begehrte Fragestellung erforderlichen Tatsachenvorbringens eine prozessordnungsgemäße Darstellung. Sowohl der Verantwortung des Angeklagten („es hat keinen Streit gegeben", S 150/II) als auch den Angaben der Zeugin Erika S***** („das war eine Diskussion, vielleicht war es ein bisschen laut", S 178/II) ist - dem Beschwerdevorbringen zuwider - nämlich lediglich zu entnehmen, dass es im Laufe des Abends zu einer belanglosen wörtlichen Auseinandersetzung kam. Der zitierte Sachverständige führte aber aus, die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten sei allenfalls durch mittelgradige Alkoholisierung und affektive Einengung (Zorn- bzw Wutaffekt) im Rahmen eines Partnerkonflikts geringfügig beeinträchtigt gewesen (S 55 f/II).

Diese Umstände bieten jedoch keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung, zumal der Angeklagte die Tat durchwegs als Unfall darstellte. Damit erübrigt sich aber auch die begehrte Stellung einer Eventualfrage nach absichtlicher schwerer Körperverletzung, wurde doch - diesbezüglich verantwortungskonform - eine Eventualfrage nach fahrlässiger Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 zweiter Fall (§ 81 Abs 1 Z 1) StGB ohnehin gestellt. Bloß abstrakt denkbare Möglichkeiten und Mutmaßungen bzw nicht gewählte Verteidigungsvarianten können jedoch nicht Gegenstand einer Eventualfrage sein (Mayerhofer StPO5 § 314 E 19 f). Der Instruktionsrüge (Z 8) zuwider ist der Passus, dass sich der Vorsatz auf sämtliche Tatbildmerkmale erstrecken muss, in der schriftlichen Rechtsbelehrung ausdrücklich enthalten (S 7, 15). Weshalb die Ausführungen, dass der Vorsatz auch spontan gefasst werden könne, für die Geschworenen missverständlich sein solle, vermag die Beschwerde ebensowenig substantiiert darzulegen wie ihre Forderung nach Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit (auch) in der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage. Die Kritik am Unterbleiben näherer Erörterungen zum Verhältnis von Mord und Totschlag übersieht, dass eine Belehrung nur in Ansehung tatsächlich gestellter Fragen zu erfolgen hat (Philipp, WK-StPO § 321 Rz 19). Warum aber die nicht vorgenommene Beschreibung des Begriffs allgemein begreiflicher heftiger Gemütsbewegung Einfluss auf die Beantwortung der Hauptfrage geübt haben solle, legt die Beschwerde nicht dar (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 63).

Die die Abgabe gezielter Schüsse leugnende Tatsachenrüge (Z 10a) vermag keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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