OGH 14Os31/22y

OGH14Os31/22y26.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. April 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wagner in der Strafsache gegen * G* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 19. Oktober 2021, GZ 11 Hv 46/21k‑44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00031.22Y.0426.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil * G* der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (II./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III./) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 3 StGB (IV./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in G* und anderenorts

I./ zu nicht näher bestimmten Zeitpunkten in den Jahren 2014 und 2015 in zumindest zwei Angriffen mit einer unmündigen Person, nämlich der am * geborenen * H*, den Beischlaf vollzogen, indem er mit seinem Penis in ihre Vagina eindrang;

II./ im Frühling/Sommer 2019 H* mit Gewalt zur [gemeint:] Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie an ein Gitterregal festband und gegen ihren Willen mit zumindest einem Finger in ihre Vagina eindrang (US 5);

III./ durch die zu I./ und II./ geschilderten Taten an einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen;

IV./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen Herbst 2019 und April 2020 * H*, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person „als aufsichtsberechtigtes Familienmitglied“ durch intensive Berührungen von der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstellen in ihrer Würde verletzt, indem er ihr in zumindest einem Angriff gezielt und intensiv auf den Bereich zwischen Oberschenkel und Gesäß griff (US 6).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 43 S 31) des in der Hauptverhandlung am 19. Oktober 2021 gestellten Antrags (ON 43 S 30) auf Einholung eines gynäkologischen Gutachtens zum Beweis, dass das Opfer „zum Untersuchungszeitpunkt“ noch keinen Geschlechtsverkehr hatte, die Einkerbung im Hymen des Opfers „auch organisch bedingt bzw. durch Masturbation verursacht worden sein kann“, der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Beischlafhandlungen nicht begangen hat und „sofern bewiesen werden würde, dass die Einkerbung im Hymen organisch bedingt sei“, von den ihm zur Last gelegten Beischlaf- und Penetrationshandlungen freizusprechen sei, Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.

[5] Zunächst ließ der Antrag durch den angesprochen unbestimmten Untersuchungszeitpunkt nicht erkennen, ob eine (neuerliche) gynäkologische Untersuchung (zum Erfordernis der Zustimmung des Opfers sowie dessen gesetzlichen Vertreters zu einer solchen und eines entsprechenden Antragsvorbringens vgl RIS‑Justiz RS0118956; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 350), oder die Erstellung eines Gutachtens auf Basis des Ambulanzberichts vom 4. Mai 2020 (ON 4 S 93 f) begehrt wird.

[6] Aber selbst im zuletzt genannten Fall zielte der Antrag nach dem Vorbringen bloß auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS‑Justiz RS0118123, RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 f), weil ihm nicht zu entnehmen war, weshalb die begehrte Beweisaufnahme die spekulativ behaupteten Ergebnisse erwarten lasse (RIS‑Justiz RS0099453) und inwieweit diese – mit Blick darauf, dass die Ursache für eine Einkerbung im Hymen des Opfers keine Rückschlüsse auf die Frage der Begehung der angelasteten Taten durch den Angeklagten zulässt – für die Schuld‑ und die Subsumtionsfrage von Relevanz wären (RIS‑Justiz RS0118319 [T1]).

[7] Soweit der Beweisantrag darauf abzielen hätte sollen, die Glaubwürdigkeit der Zeugin H* zu erschüttern (vgl dazu RIS‑Justiz RS0028345; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 340, 350), ließ er offen, warum aus der angestrebten Beweisaufnahme Rückschlüsse darauf gezogen werden könnten, diese habe zu entscheidenden Tatsachen die Unwahrheit gesagt (vgl RIS‑Justiz RS0120109 [T3]).

[8] Die im Rechtsmittel enthaltenen Ausführungen zur Präzisierung des Antrags sind mit Blick auf das sich aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ergebende Neuerungsverbot unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

[9] Mit Kritik an der Begründung des Schöffengerichts zur Antragsabweisung entfernt sich die Beschwerde vom Prüfungsmaßstab der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO (RIS‑Justiz RS0116749 [T9]).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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