OGH 14Os29/93

OGH14Os29/9320.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.April 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Zawilinski als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Slavko I***** und andere wegen des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Slavko I***** und Tomo S***** sowie die Berufungen des Angeklagten Gerhard M***** und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich aller drei Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 27. November 1992, GZ 15 Vr 2.299/91-191, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Jerabek, der Angeklagten Slavko I*****, Tomo S***** und Gerhard M***** sowie der Verteidiger Dr.Felsberger, Dr.Jalovetz und Dr.Lanner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Slavko I*****, Tomo S***** und Gerhard M***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil sie in der Zeit vom 19. bis 21.Dezember 1991 in Feistritzgraben, Bad St.Leonhard, Salzburg, Wien und anderen Orten Österreichs im bewußten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter Günther R***** teils ohne Einwilligung mit Gewalt, teils nachdem sie seine Einwilligung durch gefährliche Drohung erlangt hatten, dadurch entführten, daß sie ihn in den Kastenwagen Fiat Fiorino verbrachten und fesselten, um dadurch Dritte, nämlich Ingrid F***** und Dr.Karl-Friedrich F***** zur Ausfolgung von 10 Millionen DM Bargeld zu nötigen, und zwar

Slavko I*****, indem er gemeinsam mit Tomo S***** den Günther R***** in den Laderaum des Entführungsfahrzeuges stieß, den Entführten teilweise bewachte und zeitweise das Entführungsfahrzeug lenkte, sowie in Wien das Lösegeld übernahm,

Tomo S*****, indem er Günther R***** einen (gemeint: als Revolver) echt wirkenden Schreckschußrevolver vorhielt, ihn aufforderte, auszusteigen und sodann an der Oberbekleidung erfaßte, zum Heck des Entführungsfahrzeuges zerrte und gemeinsam mit Slavko I***** in den Laderaum desselben stieß, anschließend Günther R***** fesselte und dessen Augen verband sowie den Entführten zeitweise bewachte,

Gerhard M*****, indem er mit dem gesondert verfolgten Alexander E***** die Tat plante und diesem Plan gemäß Slavko I***** und Tomo S***** anheuerte, zeitweise den Entführten bewachte, zeitweise das Entführungsfahrzeug lenkte, die Kontakte betreffend die Zahlung und Übergabe des Lösegeldes bewerkstelligte sowie den weiteren Ablauf der Entführung bis zur Übergabe des Lösegeldes und Freilassung des Günther R***** koordinierte.

Die Geschwornen bejahten die getrennt für jeden Angeklagten (anklagekonform) gestellte Hauptfrage nach erpresserischer Entführung gemäß § 102 Abs. 1 StGB jeweils stimmeneinhellig. Zusatzfragen dahingehend, ob dem Slavko I***** in bezug auf die ihm in der Hauptfrage vorgeworfene Tat entschuldigender Notstand gemäß § 10 StGB zukomme bzw. ob Tomo S***** zur Zeit der Tat am 19.Dezember 1991 wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung aufgrund des vorangegangenen Genusses von Alkohol in Verbindung mit der bestehenden Zuckerstoffwechselstörung unfähig gewesen sei, das Unrecht seiner Tat einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln, wurden ebenso stimmeneinhellig verneint. Weitere Fragen in Richtung des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB bzw. des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (hinsichtlich Slavko I*****) sowie in Richtung des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB (in bezug auf Tomo S*****) blieben folgerichtig unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagten I***** und S***** bekämpfen den Schuldspruch mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, wobei I***** die Gründe nach Z 1, 6, 8 und 12, S***** hingegen den Nichtigkeitsgrund nach Z 5 des § 345 Abs. 1 StPO geltend macht; überdies haben sowohl die (drei) Angeklagten als auch der öffentliche Ankläger Berufung ergriffen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Slavko I*****:

Den Vorwurf der nicht gehörigen Besetzung der Geschwornenbank (Z 1) stützt der Beschwerdeführer auf eine seinem Verteidiger nach der Hauptverhandlung (am 1.Dezember 1992) anonym zugekommene Information, daß der Geschworne Herbert S***** ca. 2 bis 3 Monate vorher in Zeltschach (im Sprengel des Landesgerichtes Klagenfurt) "in einen Raufhandel federführend verwickelt gewesen sein soll"; eine Nachschau in der für die Zeit der Hauptverhandlung aktuelle Geschwornenliste habe ergeben, daß Herbert S***** darin "bezeichnenderweise" nicht (mehr) aufscheine.

Dieses der Sache nach die Ausgeschlossenheit des Herbert S***** vom Amt des Geschwornen gemäß § 2 Z 4 GSchG 1990 behauptende Vorbringen ist widerlegt. Zum einen ist Herbert S***** in der vom Erstgericht beigeschafften Hauptdienstliste der Geschwornen für 1991 und 1992, Jv 3360-18/90, (nach wie vor) ausgewiesen, zum anderen ist bzw. war gegen ihn laut der vom Erstgericht eingeholten Auskunft der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom 5.Februar 1993 "weder eine Anzeige noch ein Strafverfahren in den Jahren 1991, 1992 und 1993 anhängig".

Als Verletzung von Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) rügt der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine Verantwortung in der Hauptverhandlung das Unterbleiben einer Zusatzfrage nach entschuldigendem Notstand im Sinn des § 10 StGB (auch) in bezug auf die Eventualfragen (fortlaufende Zahl 3 und 4) nach § 99 Abs. 1 StGB und §§ 105, 106 Abs. 1 Z 1 StGB. Ein die vermißte Fragestellung indizierendes Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung (§ 313 StPO) zeigt der Beschwerdeführer aber nicht auf. Seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung zufolge schöpfte er erstmals zu einem Zeitpunkt, als sich das Tatopfer bereits in der Gewalt der Täter befand, die erpresserische Entführung demnach schon formell vollendet, aber - als Dauerdelikt - noch nicht beendet war (vgl. SSt. 50/23), den Verdacht einer strafbaren Handlung in die genannte Richtung, der in der Folge zur Gewißheit wurde (S 407 ff/IV); dessen ungeachtet wirkte er an der (weiteren) Ausführung der Straftat mit, weil er aufgrund diverser, erst zu diesem Zeitpunkt gefallener Äußerungen des Mitangeklagten Gerhard M***** um sein Leben fürchtete (siehe S 411 ff/IV). Dafür, daß die behauptete akute Bedrängnis für den Beschwerdeführer schon in einem früheren Zeitraum aktuell war, als er im Sinn der eventualiter gestellten Schuldfragen noch ohne erpresserische Zielsetzung tätig geworden war, bietet diese Verantwortung nicht den geringsten Anhaltspunkt. Die behauptete Verletzung der Vorschrift des § 313 StPO ist dem Schwurgerichtshof sohin nicht unterlaufen.

Den Einwand der unrichtigen Rechtsbelehrung (Z 8) gründet die Beschwerde darauf, daß weder (der Mitangeklagte) Tomo S***** noch (der Zeuge) Günther R***** in der Hauptverhandlung eine unmittelbare Mitwirkung des Beschwerdeführers an der in Rede stehenden erpresserischen Entführung behauptet hätten. Da Gegenstand der Rechtsbelehrung nur rechtliche Umstände, nicht aber auch solche, die sich aus dem Beweisverfahren ergeben, sein können (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 14, 15 zu § 345 Z 8), wird mit diesem Vorbringen eine Urteilsnichtigkeit im Sinn der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO in Wahrheit nicht aufgezeigt.

Gleiches gilt auch für die Rechtsrüge (Z 12); leitet doch der Beschwerdeführer einen Rechts- oder Subsumtionsirrtum nicht aus dem Inhalt des Wahrspruchs der Geschwornen ab (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 8 zu § 345 Z 12), sondern versucht vielmehr im Widerspruch zu diesem an Hand der Verfahrensergebnisse darzulegen, daß er als willenloses Werkzeug mißbraucht worden sei.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten I***** war sohin zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Tomo S*****:

Der Angeklagte Tomo S***** erblickt den Verfahrensmangel (Z 5) in der Abweisung seiner in der Hauptverhandlung gestellten Anträge (S 699 f/IV) auf Beischaffung der ihn betreffenden Krankengeschichte der Klinik von Banja Luka sowie auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Internen Medizin (Diabetes) und eines weiteren Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie. Hiedurch sollte (zusammengefaßt wiedergegeben) dargetan werden, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der ihm angelasteten Tat aufgrund seiner schweren chronischen Zuckerkrankheit in Verbindung mit dem Genuß von erheblichen Alkoholmengen in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand befunden habe.

Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige Dr.Scrinzi brachte jedoch unmißverständlich zum Ausdruck, daß die Voraussetzungen für die Annahme eines derartigen Zustandes nicht vorliegen (S 59 ff, 275 ff, 665 ff/IV).

Die begehrte Beweisaufnahme konnte ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten unterbleiben: Soweit der Beschwerdeführer zunächst damit argumentiert, die Einsichtnahme in die Krankengeschichte der Klinik in Banja Luka, wo er vom 27.Dezember 1988 bis 31.Jänner 1989 stationär behandelt worden sei, hätte "objektive Aufschlüsse" über das Ausmaß seiner Zuckerkrankheit und des von ihm geschilderten Deliriums anläßlich dieses Krankenhausaufenthaltes erbracht, ist für seinen Beschwerdestandpunkt nichts zu gewinnen: Maßgebliche Bedeutung kommt nämlich allein dem Zustand des Beschwerdeführers im Tatzeitraum zu. Sein konkretes Tatverhalten läßt aber im Zusammenhang mit den übrigen Ergebnissen des Beweisverfahrens die Annahme einer seine strafrechtliche Verantwortlichkeit ausschließenden Beeinträchtigung seines Geisteszustandes nach den in jeder Beziehung unbedenklichen und auch für medizinische Laien nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr.Scrinzi für ausgeschlossen erscheinen.

Die in der Beschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfenen, nach Meinung des Beschwerdeführers die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Internen Medizin gebietenden Fragen, welches konkrete Ausmaß die Zuckerstoffwechselkrankheit des Beschwerdeführers erreichte bzw. ab welchen konkreten Blutzuckerwerten es überhaupt zu relevanten Bewußtseinsstörungen kommen könne, bedurften hier keiner weiteren Klärung. Denn der vom Erstgericht beigezogene psychiatrische Sachverständige war zur Beantwortung der in sein Fachgebiet fallenden und allein entscheidenden Frage, ob die Diskretions- und/oder Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers zufolge der Faktoren "Zuckerkrankheit" und "Alkoholmißbrauch" zur Tatzeit in Zweifel zu ziehen wäre, auch ohne ein näheres Eingehen auf die vom Beweisantrag erfaßten Umstände durchaus in der Lage.

Die vom Beschwerdeführer überdies begehrte Beiziehung eines zweiten psychiatrischen Sachverständigen hätte - abgesehen vom hier nicht aktuellen, nicht einmal vom Beschwerdeführer behaupteten Sonderfall der besonderen Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung gemäß § 118 Abs. 2 StPO - vorausgesetzt, daß Mängel des Befundes oder der Begutachtung nicht durch die nochmalige Vernehmung des zunächst beigezogenen Sachverständigen beseitigt werden können (§§ 125, 126 Abs. 1 StPO). Anhaltspunkte für eine solche Mangelhaftigkeit des Gutachtens des Sachverständigen Dr.Scrinzi zeigt der Beschwerdeführer nicht auf.

Eine "Unvollständigkeit und Mangelhaftigkeit" des Gutachtens in diesem Sinn erblickt der Beschwerdeführer zunächst darin, daß der genannte Sachverständige die Frage seiner Zuckerkrankheit im ersten schriftlichen Gutachten (ON 115) gänzlich vernachlässigt habe, obgleich ihm das beträchtliche Ausmaß dieser Erkrankung schon damals bekannt gewesen sei und er selbst einräumen mußte, daß eine Zuckerkrankheit allein oder im Zusammenwirken mit übermäßigem Alkoholgenuß "in einem Zustand potenzieren kann, der Bewußtsteinsstörungen hervorruft". Diese Argumentation übergeht die hiezu gegebene Aufklärung des Sachverständigen, eine Befassung mit diesem für die Gutachtenerstellung nach Lage des Falles unmaßgeblichen Umstand zunächst deshalb für entbehrlich gehalten zu haben, weil der Beschwerdeführer selbst diese Krankheit im Rahmen der allgemeinen Anamnese bloß erwähnt, aber eine darauf zurückzuführende Beeinträchtigung seines Geisteszustandes zur Tatzeit nicht einmal andeutungsweise behauptet habe. Die erst später vom Beschwerdeführer in den Raum gestellte Möglichkeit einer durch diese Krankheit (in Verbindung mit Alkoholmißbrauch) ausgelösten tiefgreifenden Bewußtseinsstörung wurde vom Sachverständigen nach einer neuerlichen Untersuchung (S 671/IV) eingehend erörtert und unter ausdrücklicher Berücksichtigung der in der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände, insbesondere auch des im Jahre 1988 aufgetretenen Deliriums sowie der Angaben des Beschwerdeführers über seine Zuckerwerte und überhaupt seines Gesundheitszustandes während und nach dem inkriminierten Tatgeschehen (mit jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Überzeugungskraft) verworfen (ON 164 iVm S 665 ff/IV).

Entgegen dem Beschwerdevorwurf, es sei die "Schaffung objektiver Grundlagen" zur Beurteilung des Ausmaßes des chronischen Alkoholismus und dessen Einflusses auf allfällige Bewußtseinsstörungen des Beschwerdeführers versäumt worden, stand dem Sachverständigen angesichts des durch die Beweisaufnahme mit hinreichender Sicherheit rekonstruierten Tatverhaltens des Beschwerdeführers und dessen detailgetreuen Erinnerungsvermögens im Zusammenhang mit der eigenen Befundaufnahme ein ausreichendes Tatsachensubstrat für die ihm obliegende Begutachtung zur Verfügung; daß die hieraus vom Sachverständigen gezogenen Schlußfolgerungen mit gesichertem psychiatrischen Fachwissen unvereinbar wären, vermag der Beschwerdeführer, der sich in diesem Zusammenhang nur auf allgemein bekannte Erfahrungswerte über die Möglichkeit alkoholbedingter Hirnschädigung bzw. die Schwierigkeit der Einschätzung psychischer Ausfallserscheinungen beruft, jedenfalls nicht aufzuzeigen. Nur der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang noch bemerkt, daß sich der Beschwerdeführer oder sein Verteidiger zu einer ergänzenden Befragung des Sachverständigen zwecks Klärung der nunmehr vorgebrachten Einwände in der Hauptverhandlung nicht veranlaßt gesehen haben; auch der Zeuge Günther R***** verneinte im übrigen mit Entschiedenheit Anzeichen einer relevanten Alkoholisierung des Beschwerdeführers (S 65/I, 593, 611/IV).

Als nicht stichhältig erweist sich ferner der Einwand, der Sachverständige hätte die für die Beurteilung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit maßgebliche Frage der "Sinnlosigkeit des Handelns des Beschwerdeführers in mehreren Punkten widersprüchlich und unrichtig beurteilt".

Die Aussage des Sachverständigen, der Beschwerdeführer sei "als Resultat einer kritischen Einsicht in die gefährlich erscheinende Situation", und keinesfalls zufolge einer "plötzlichen Verwirrung" noch während der Tatverübung "ausgestiegen" (S 671/IV), findet nämlich in der eigenen Aussage des Beschwerdeführers hinreichend Deckung; demnach habe er nach Kenntnis der Höhe der erpresserischen Forderung "aus Angst" nicht mehr mitmachen wollen (S 87 ff/I, 465/IV). Ob dieser Entschluß (auch) durch den Umstand mitbeeinflußt wurde, daß "die erste Lösegeldübergabe nicht klappte" (siehe Aussage des Mitangeklagten M*****, S 525/IV), kann dahingestellt bleiben, wird doch die in Kritik gezogene Erwägung des Sachverständigen auch dadurch nicht in Frage gestellt.

Gleichfalls nicht zielführend ist das weitere Beschwerdeargument, die Tatsache der Rückkehr des Angeklagten S***** nach Österreich, wo er verhaftet wurde, deute auf eine psychische Störung hin. Abgesehen davon, daß dieser Umstand vom Sachverständigen ohnedies berücksichtigt wurde (S 695/IV), vermag dieses vom Beschwerdeführer vor der Gendarmerie mit seiner damaligen Bargeldlosigkeit und dem Empfang seiner Pension erklärte Verhalten die Annahme eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Ausmaßes einer allfälligen derartigen Störung nicht zu tragen.

Den Inhalt des in Rede stehenden Gutachtens gibt der Beschwerdeführer letztlich nicht aktengetreu wieder, wenn er meint, darin werde die Alkoholabhängigkeit ungeachtet seiner bisherigen Unbescholtenheit als kriminogener Faktor dargestellt. Der Sachverständige hat in Wahrheit nur auf den allgemein bekannten Erfahrungswert verwiesen, daß Alkoholabhängigkeit an sich kriminogen wirke, eine geradezu zwingende Schlußfolgerung von chronischem Alkoholismus auf Straffälligkeit aber verneint (S 677, 693/IV).

Auch der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** war sohin ein Erfolg zu versagen.

Zu den Berufungen:

Das Geschwornengericht verurteilte die Angeklagten nach § 102 Abs. 1 StGB zu Freiheitsstrafen, die es bei Slavko I***** und Tomo S***** mit je zehn Jahren und bei Gerhard M***** mit zwölf Jahren festsetzte.

Dabei wertete es bei den Angeklagten I***** und S***** keinen Umstand, beim Angeklagten M***** jedoch die führende Beteiligung an der von mehreren begangenen strafbaren Handlung als erschwerend; als mildernd berücksichtigte das Erstgericht demgegenüber bei allen Angeklagten den bisher ordentlichen Lebenswandel, der jedoch bei I***** und S***** durch ihre asoziale Lebensführung in gewissem Maße beeinträchtigt erscheine, bei diesen beiden Angeklagten ferner den Umstand, daß sie die Tat unter Einwirkung des Mitangeklagten M***** verübten, bei I***** auch den Umstand, daß er durch seine "Erstaussage" wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug, sowie bei M***** überdies das reumütige Geständnis und den Umstand, daß er den entstandenen Schaden zumindest teilweise gutmachte.

Den Berufungen, mit denen die Angeklagten eine Strafherabsetzung anstreben, während die Staatsanwaltschaft hinsichtlich sämtlicher Angeklagten eine Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafen beantragt, kommt keine Berechtigung zu.

Daß der von den Angeklagten I***** und S***** reklamierte (weitere) Milderungsgrund einer Beteiligung an der Straftat nur in untergeordneter Weise (§ 34 Z 6 StGB) angesichts der von ihnen gesetzten Ausführungshandlungen nicht vorliegt, hat bereits das Erstgericht zutreffend zum Ausdruck gebracht (US 9). Wenn der Angeklagte S***** in diesem Zusammenhang darauf hinweist, daß dem Entführungsopfer "keinerlei körperlicher Schaden zugefügt" worden sei, übersieht er, daß ihm eine derartige Tatfolge als Erschwerungsgrund anzulasten wäre. Die Tatverübung unter Einwirkung des Mitangeklagten M***** wurde bei I***** und S***** gleichfalls schon als mildernd gewertet. Der von I***** in diesem Zusammenhang außerdem reklamierte Milderungsgrund nach § 34 Z 11 StGB würde das objektive Vorliegen von Umständen voraussetzen, die an die Grenze - hier - eines Rechtfertigungsgrundes führen; davon kann jedoch vorliegend keine Rede sein. Dies gilt gleichermaßen für den Angeklagten M*****, der - entgegen den Ausführungen des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Dr.Scrinzi (S 677 ff/IV) - unter Hinweis auf seinen Drogenkonsum (Kokain) und auf eine gewisse Abhängigkeit von seiner (zweiten) Ehegattin eine Tatbegehung unter Umständen, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen, abgeleitet wissen will.

Bei dem Einwand, der Umstand, daß sie sich der Zufügung eines größeren Schadens freiwillig enthielten, hätte gleichfalls als mildernd berücksichtigt werden müssen, übersehen die drei Angeklagten, daß der Milderungsgrund nach § 34 Z 14 StGB nicht schon darin zu erblicken ist, daß der Rechtsbrecher bei einem kriminellen Unternehmen über die tatsächlich gesetzten strafgesetzwidrigen Aktivitäten hinaus auch noch tiefer hätte verstrickt sein können. Entgegen dem Berufungsvorbringen der Angeklagten I***** und S***** kann bei ihnen aber auch von einer Selbststellung (§ 34 Z 16 StGB) keine Rede sein. Der Angeklagte I***** wurde in der Nacht zum 21. Dezember 1991 in Wien, als er im Begriff war, einen Teil des erpreßten Lösegeldes vom Südbahnhof (Schließfach) in die Innenstadt zu transportieren, von Beamten des Sicherheitsbüros der Bundespolizeidirektion Wien angehalten und in der Folge festgenommen. Der Angeklagte S***** hinwieder wurde in Graz im Bahnhofsbereich festgenommen, wo er sich schon vor der Tat (regelmäßig) aufgehalten hatte und der (dortigen) Polizei aufgrund vorangegangener Perlustrierungen bekannt war.

Die Alkoholisierung des Angeklagten S***** zur Tatzeit vermag weder zu seinem Vorteil - wie er meint - noch zu seinem Nachteil - wie die Staatsanwaltschaft ausführt - auszuschlagen. Zwar fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte S*****imunovic im berauschten Zustand zur Begehung strafbarer Handlungen neigt. Angesichts des bereits längerwährenden, nach den Angaben des Berufungswerbers auch schon stationäre Krankenhausaufenthalte erfordernden Alkoholmißbrauchs gereicht die tataktuelle Alkoholisierung bei der nach § 35 StGB vorzunehmenden Vorwurfsabwägung dem Angeklagten jedenfalls nicht zum Vorteil. Dem steht eine gewisse, durch den chronischen Alkoholmißbrauch bedingte Persönlichkeitsveränderung gegenüber, sodaß dem Angeklagten entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft auch nur ein eingeschränkter Vorwurf im Hinblick auf die tataktuelle Alkoholbeeinträchtigung gemacht werden kann.

Dem Angeklagten I***** wurde ein wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung, den das Geschworenengericht aus seiner ersten Aussage ableitete, ohnedies zugute gehalten. Soweit auch der Angeklagte M***** diesen Milderungsgrund für sich reklamiert, genügt der Hinweis, daß neben dem bei ihm als mildernd berücksichtigten reumütigen Geständnis der Beitrag zur Wahrheitsfindung nicht nochmals gesondert als mildernder Umstand gewertet werden kann. Der Meinung des Angeklagten M***** zuwider handelt es sich bei der in § 34 Z 2 StGB erwähnten Diskrepanz zwischen Tat und sonstigem Täterverhalten nicht um einen besonderen Milderungsgrund, sondern um die Bedingung, unter der dem Rechtsbrecher ein bisher ordentlicher Lebenswandel uneingeschränkt als Milderungsgrund zugute gehalten werden kann (vgl. 14 Os 53/91).

Wenn die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung den dem Angeklagten M***** vom Erstgericht zugebilligten bisher ordentlichen Lebenswandel mit dem Hinweis auf Fahndungsmaßnahmen gegen M***** wegen "zahlreicher Betrügereien im In- und Ausland" in Frage zu stellen sucht, so kann darin (schon vom Verfahrensstadium her gesehen) noch keine tragfähige Grundlage für die Annahme eines asoziale Züge aufweisenden Lebenswandels erblickt werden. Soweit dies vom Erstgericht bei den Angeklagten I***** und S***** bei Würdigung des Milderungsgrundes nach § 34 Z 2 StGB unter Hinweis auf den Aufenthalt "im Sandlermilieu am Hauptbahnhof in Graz" (einschränkend) herangezogen wird, darf wohl die (auch schon damals) äußerst kritische Lage im Heimatstaat der Angeklagten I***** und S***** (Bosnien) mit permanent kriegsähnlichen Verhältnissen nicht außer acht gelassen werden.

Daß die Initiative zur vorliegenden Tat von einem Dritten, nämlich dem in Deutschland gesondert verfolgten Richard E***** ausgegangen sein soll, vermag den Milderungsgrund nach § 34 Z 4 StGB schon angesichts der nach den Angaben des Angeklagten M***** damals bestandenen Freundschaft zwischen ihm und E***** und der sich über mehrere Monate erstreckenden gemeinsamen eingehenden Planung und Vorbereitung der Tat nicht zu bewirken. Die teilweise Schadensgutmachung (durch "Akontozahlungen" an Günther R***** und Dr.F*****) wurde dem Angeklagten M***** vom Erstgericht ohnedies als Milderungsgrund zugute gehalten. Die darüber hinaus ins Treffen geführte Bereitwilligkeit zur (weiteren) Schadensgutmachung durch Anerkenntnis des Schadens kann nicht zusätzlich als mildernder Umstand berücksichtigt werden (Leukauf-Steininger aaO § 34 RN 23). Andrerseits wurde jedoch vom Erstgericht übersehen, daß die objektive Schadensgutmachung durch Zustandebringung des überwiegenden Teiles des erpreßten Lösegeldes bei allen drei Angeklagten als mildernd zu berücksichtigen ist.

Der Staatsanwaltschaft hinwieder ist einzuräumen, daß den Angeklagten der qualvolle Zustand, in welchem der Entführte über 42 Stunden lang (gefesselt mit Augenbinde in einem Kastenwagen bei tiefen Temperaturen) gehalten wurde, als erschwerend anzulasten gewesen wäre. Dies gilt gleichermaßen für den Umstand, daß es über die Tatvollendung (durch Erlangen der Herrschaft über das Opfer) hinaus auch zur tatsächlichen Übergabe des (sehr hohen) Lösegeldbetrages (von rund 70 Millionen Schilling) gekommen ist.

Dennoch erscheinen auf der Basis der sohin korrigierten Strafzumessungsgründe die über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen, insbesondere im Hinblick auf den hohen Unrechtsgehalt sowie auf ihre tat- und persönlichkeitsbezogene Schuld (§ 32 StGB), durchaus als angemessen. Wie schon das Erstgericht darlegte, lassen vor allem der Tathergang sowie die Schwere der von den Angeklagten zu verantwortenden Rechtsgutbeeinträchtigung die Annahme eines atypischen, besonders günstig gelagerten Falles, bei welchem die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) gerechtfertigt erschiene, nicht zu. Der Hinweis des Angeklagten M***** auf in anderen Verfahren verhängte Strafen kann schon im Hinblick auf die Besonderheiten jedes einzelnen Falles nicht zielführend sein. Den für die Angeklagten sprechenden mildernden Umständen wurde durch die Ausmessung der Strafe an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens ohnedies ausreichend Rechnung getragen. Es kam daher weder eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen noch deren Erhöhung in Betracht.

Über die Rechtsmittel war somit spruchgemäß zu erkennen.

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