OGH 14Os29/08h

OGH14Os29/08h15.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Siegfried F***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB, AZ 2 U 124/03x des Bezirksgerichts Silz, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 13. August 2007 (ON 24) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Bauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Bezirksgerichts Silz vom 13. August 2007 (ON 24), mit dem die mit Urteil vom 1. Juli 2004 (ON 16) bedingt nachgesehene Strafe endgültig nachgesehen wurde, verletzt den sich aus dem XX. Hauptstück der StPO aF (nunmehr: 16. Hauptstück der StPO) ergebenden Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen. Dieser Beschluss wird ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen, in gekürzter Form ausgefertigten Urteil des Bezirksgerichts Silz vom 1. Juli 2004, GZ 2 U 124/03x-16, wurde Siegfried F***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.

Mit rechtskräftigem (Abwesenheits-)Urteil des Bezirksgerichts Imst vom 26. Jänner 2006, GZ 6 U 199/05f-9, wurde er wegen des am 31. August 2005 begangenen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO (iVm § 53 Abs 1 StGB) der Widerruf der vom Bezirksgericht Silz im Verfahren AZ 2 U 124/03x gewährten bedingten Strafnachsicht ausgesprochen. Diese Entscheidung erwuchs mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 13. April 2006, AZ 21 Bl 51/06t, womit der Beschwerde des Siegfried F***** gegen den Widerrufsbeschluss keine Folge gegeben wurde, in Rechtskraft.

Ausfertigungen der obgenannten Entscheidungen des Bezirksgerichts Imst und des Landesgerichts Innsbruck langten am 27. April 2006 beim Bezirksgericht Silz ein und wurden als ON 20 zum Akt genommen. Mit Beschluss vom 13. August 2007, GZ 2 U 124/03x-24, sah das Bezirksgericht Silz - ohne einen darauf abzielenden Antrag der Staatsanwaltschaft und trotz der sowohl aus ON 20 als auch der am 6. August 2007 eingeholten Strafregisterauskunft ON 23 ersichtlichen Widerrufsentscheidung - die bereits vom rechtskräftigen Widerruf der bedingten Nachsicht betroffene Strafe endgültig nach. Dieser Beschluss blieb seitens der Staatsanwaltschaft unbekämpft (siehe letzte Seite im AV-Bogen ON 1).

Der Beschluss des Bezirksgerichts Silz vom 13. August 2007, GZ 2 U 124/03x-24, steht - wie die Generalprokuratur mit ihrer deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Denn gemäß § 43 Abs 2 StGB ist die Strafe nur dann endgültig nachzusehen, wenn die Nachsicht nicht widerrufen wird. Diese Voraussetzung war im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Bezirksgerichts Silz wegen des aktenkundigen bereits am 26. Jänner 2006 im Verfahren AZ 6 U 199/05f des Bezirksgerichts Imst ausgesprochenen Widerrufs der bedingten Strafnachsicht nicht gegeben. Der Feststellungsbeschluss über die endgültige Strafnachsicht entfaltet angesichts der Bindungswirkung des zeitlich vorangegangenen, den identen Entscheidungsgegenstand betreffenden Widerrufsbeschlusses keine Rechtswirksamkeit; aus Gründen der Rechtsklarheit war er jedoch zu beseitigen (Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 13).

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