Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf 9 (neun) Monate herabgesetzt wird.
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht aus Anlaß der neuen Verurteilung unter Verlängerung der Probezeit auf 5 (fünf) Jahre abgesehen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Thomas G*****der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (1/a und b), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt und zu 14 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde eine bedingte Strafnachsicht widerrufen (§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO).
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Thomas G*****in K*****
1. Susanne G*****
a) im Dezember 1991 die persönliche Freiheit entzogen, indem er sich auf ihren Oberkörper setzte und ihre Arme mit seinen Schenkeln umklammerte, wobei er in der Folge etwa eine Viertelstunde lang eine Blumenvase in ihre Scheide einführte;
b) am 7. und 8. September 1992 widerrechtlich gefangengehalten, indem er sie mehrere Stunden in einem Zimmer seines Elternhauses einsperrte, nachdem er zuvor die beiden innenseitigen Fenstergriffe abmontiert hatte;
2. im November 1991 die Susanne G*****mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zum Austrinken eines Glases Wasser mit darin aufgelösten Antibabypillen, genötigt, indem er ihr trotz Gegenwehr das Glas an den Mund drückte und den Inhalt in ihren Mund goß;
3. im Juni 1991 eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen durfte, nämlich den Reisepaß der Susanne G*****, durch Zerreißen mit dem Vorsatz vernichtet, zu verhindern, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweise eines Rechtes oder einer Tatsache gebraucht werde.
Nur gegen den Schuldspruch wegen Freiheitsentziehung (1) richten sich die vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerden, die der Angeklagte auf die Z 5, die Staatsanwaltschaft auf die Z 10 des § 281 Abs 1 StPO stützt. Den Strafausspruch ficht der Angeklagte mit Berufung, den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde an.
Die Mängelrüge des Angeklagten verfehlt zum Teil ihre gesetzmäßige Darstellung, zum Teil ist sie unbegründet. Die in Beschwerde gezogenen Ausführungen des Erstgerichtes zur Verhaltensprognose des Angeklagten sind für das Erkenntnis in der Schuldfrage einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände ebenso irrelevant, wie die aufgeworfenen Fragen, ob Susanne G*****unter dem Einfluß des Angeklagten den Berufsschulbesuch abbrach, ob der Angeklagte den Kontakt der Genannten zu ihren Eltern verhinderte, oder ob er sie am 7. September 1992 unter einem Vorwand zu einem Treffpunkt lockte, um sie wieder für sich zu gewinnen.
Soweit der Beschwerdeführer unter Zitierung aus dem Zusammenhang gelöster Passagen der Angaben der Zeugin G*****in der Hauptverhandlung die Urteilsfeststellung als unzureichend begründet bemängelt, wonach dieser am 7. und 8. September 1992 "in beiden Fällen" (gemeint: schon im PKW und nachher im Zimmer in K*****) die Entziehung der Freiheit bewußt geworden ist (US 11), stellt er nicht auf deren gesamte Aussage ab. Derzufolge hat sie bei dem Versuch, aus dem Auto auszusteigen, bemerkt, daß sich die Beifahrertüre nicht öffnen ließ und die Fensterkurbel fehlte (S 43/II); und am Morgen des 8. September 1992 mußte sie durch das WC-Fenster flüchten, weil der Angeklagte die Zimmertüre versperrt und die Fensterverriegelung abmontiert hatte (S 45/II). Von unzureichender Begründung der bekämpften Urteilsfeststellungen kann sohin keine Rede sein, zumal der Schöffensenat der Zeugin auf Grund ihres persönlichen Eindrucks, den sie in der Hauptverhandlung hinterließ, volle Glaubwürdigkeit attestierte (US 12).
Für den Schuldspruch wegen Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB hinwieder ist es ohne Bedeutung, ob der Angeklagte anläßlich des Vorfalles im Dezember 1991 (Faktum 1/a) der Susanne G*****auch eine Glasvase in die Scheide einführte, denn eine strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit wurde - unbekämpft und ohne Nachteil für den Angeklagten - nicht angenommen. Darüber hinaus sei aber mit Rücksicht auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft erwähnt, daß dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen ist, warum diese Urteilsfeststellung eine Erörterung der Angaben des Zeugen Herbert G*****erfordert hätte. Dieser konnte sich an eine derartige Vase bloß nicht erinnern, räumte aber ein, daß im Hause mehrere - seiner Meinung nach aber "stärkere" - Vasen aus Glas vorhanden sind (S 107/II).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas G*****war sohin zu verwerfen.
Verfehlt ist aber auch die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
Zutreffend führt der Schöffensenat aus, daß nach Lage des Falles in der etwa 15 Minuten dauernden Entziehung der persönlichen Freiheit unter gleichzeitigem Einführen einer Vase in die Scheide der Susanne G*****weder objektiv noch subjektiv aus deren Sicht (vgl S 42, 47, 53/II) von der Zufügung besonderer Qualen im Sinne einer länger währenden, sehr erheblichen physischen oder psychischen Beeinträchtigung des Opfers (vgl. Leukauf-Steininger Komm3 § 99 RN 20, 21) gesprochen werden kann (US 15).
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht zwei einschlägige Vorverurteilungen, das Zusammentreffen von drei Vergehen und die Ausnützung der Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers als erschwerend; als mildernd hingegen ein Teilgeständnis (Faktum 3) und den Umstand, daß die Fakten 1/a, 2 und 3 vor dem Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 27. Juli 1992, AZ 19 E Vr 641/92, lagen, somit lediglich das Faktum 1/b eine Strafbemessung nach §§ 31, 40 StGB verhindert hat.
Dagegen wendet der Berufungswerber mit Recht ein, daß die erste Vorverurteilung (vom 21. Juli 1987, AZ 19 E Vr 568/87 des Kreisgerichtes Leoben; bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 10 Monaten) bereits getilgt ist. Auch der Erschwerungsumstand des § 33 Z 7 StGB liegt nicht vor, weil der Angeklagte beim Vergehen der Freiheitsentziehung (1) keineswegs einen bereits objektiv, d.h. ohne sein Zutun bestehenden Zustand der Wehr- oder Hilflosigkeit der Susanne G***** ausgenützt, also bei der Tatausführung gezielt in Rechnung gestellt hat. Dem Umstand hinwieder, daß die Mehrzahl der strafbaren Handlungen vor der letzten Verurteilung lagen, wurde vom Erstgericht zu wenig Gewicht beigemessen (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB3 E 31, 33 zu § 31). Wenngleich dem Angeklagten noch zusätzlich die leichte Verletzung des Tatopfers (1/a) anzulasten ist, so hält der Oberste Gerichtshof unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Falles und der Wesensart des Thomas G***** (US 5 ff), von dem er sich im Gerichtstag einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte, die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe doch für überhöht, weshalb sie der unrechtsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) des Angeklagten entsprechend auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß zu reduzieren war.
Die bedingte Nachsicht eines Teiles der Freiheitsstrafe (§ 43 a Abs 3 StGB) kam zwar nicht mehr in Betracht, allerdings schien es angesichts des Umstandes, daß die nunmehr ausgesprochene Strafe durch Anrechnung der Vorhaft bereits zur Gänze verbüßt ist, und der Angeklagte erstmals einen längeren Freiheitsentzug verspürt hat, nicht geboten, auch noch zusätzlich die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe von 12 Monaten aus dem Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 27. Juli 1992, AZ 19 E Vr 641/92, zu widerrufen und diese Strafe vollziehen zu lassen. Es erscheint vielmehr zweckmäßig, diese Strafe für weitere zwei Jahre zur Bewährung auszusetzen, womit auch die Möglichkeit einer längeren Betreuung durch einen Bewährungshelfer eröffnet wird.
Sowohl der Berufung als auch der Beschwerde war daher ein Erfolg beschieden.
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.
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