OGH 14Os2/04

OGH14Os2/0416.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. März 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jörg H***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Oktober 2003, GZ 031 Hv 71/03s-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Dr. Nordmeyer, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Dr. Deuretsbacher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jörg H***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (A) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er am 14. Juli 2002 in Wien

A) Christine C***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB dadurch, dass

er sie zu Boden warf, sich auf sie draufsetzte, sie ohrfeigte, ihr ins Gesicht schlug und sie würgte, wobei er mehrmals erklärte, er werde sie umbringen, mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich dem Einführen mehrerer Finger in ihre Scheide, genötigt;

B) Denise B***** durch die Äußerung, wenn sie ins Hotel komme oder

die Polizei rufe, wäre es ohnehin zu spät, weil er ihre Schwester Christine C***** umbringe, mithin durch Drohung mit dem Tod, gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Das Erstgericht hat zur subjektiven Tatseite festgestellt, bei Ausführung der Tat sei es Ziel des Angeklagten gewesen und sei es ihm darauf angekommen, durch die festgestellten Tätlichkeiten und Drohungen Frau C***** zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen (US 5). In der Beweiswürdigung führt es an, die Zeugin habe mit der Aussage, dass ihr die Vorgehensweise des Angeklagten nicht sexuell motiviert erschienen sei, sondern sie vielmehr den Eindruck gehabt habe, dass er sie demütigen wollte (S 119), präzise das häufigste Motiv für derartige Vergewaltigungen angesprochen. Nach forensischer Erfahrung sei dieses nämlich selten der Versuch, die sexuelle Begierde des Täters zu befriedigen, sondern wollten verlassene Freunde, Lebensgefährten oder Ehepartner auf diese Weise den Frauen noch einmal gewaltsam demonstrieren, dass sie in Wahrheit "ihnen gehören" (US 8).

Die Rechtsrüge (Z 9a cit) wendet ein, das Schöffengericht habe keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Angriff der Befriedigung des Geschlechtstriebes des Angeklagten diente. Die Rechtsansicht, ein auf bloße Demütigung des Opfers gerichteter Vorsatz reiche zur Verwirklichung des Verbrechens nach § 201 Abs 2 StGB aus, sei unzutreffend.

Dem ist jedoch zu erwidern, dass dem Gesetz eine Einschränkung des Inhalts, es müsse dem Täter auf seine sexuelle Befriedigung ankommen, fremd ist, wenn nur das Opfer die Tat als entsprechend schweren Eingriff in seine sexuelle Selbstbestimmung erleben muss, dies nach einem objektiv individualisierenden Maßstab. Die vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung (15 Os 11/92) und die Belegstelle (Foregger/Fabrizy StGB7 § 201 Rz 2) definieren, dass unter einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung (jedenfalls) jede auf Befriedigung des Geschlechtstriebes gerichtete Form einer oralen, vaginalen oder anderen Penetration, somit auch der Anal- und Mundverkehr fallen. Sie schließen aber nicht aus, dass auch nicht unmittelbar der Befriedigung des Geschlechtstriebes des Täters dienende Angriffe gegen die Sexualsphäre einer anderen Person von § 201 Abs 1 oder 2 StGB umfasst sein können. Sind doch Vergewaltigungen kriminologisch vornehmlich auf Machtausübung angelegt. Den Tatrichtern ist daher bei Beurteilung des Sachverhaltes kein Rechtsfehler unterlaufen.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) begehrt die Unterstellung der Tat unter § 202 Abs 1 StGB, weil der Angeklagten lediglich "immer wieder in Aussicht gestellt habe", dass er sein Opfer umbringen werde, aber nicht mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gedroht habe.

Das Erstgericht hat hiezu festgestellt: "Kurz nachdem sie das von ihnen genommene Zimmer betraten, begann der Angeklagte plötzlich auf die Zeugin einzuschlagen, warf sie zu Boden und setzte sich auf sie, wobei er sie heftig würgte und ihr immer wieder ins Gesicht schlug. Weiters stellte er ihr immer wieder in Aussicht, dass er sie umbringe" (US 4).

Angesichts dieser unmissverständlichen Feststellungen in ihrer Gesamtheit erfolgte die rechtliche Beurteilung der Drohung als gegenwärtig rechtsfehlerfrei. Im Übrigen vernachlässigt der Nichtigkeitswerber die Anwendung von Gewalt als zusätzliches Nötigungsmittel.

Die weitere Rüge zu diesem Nichtigkeitsgrund geht wiederum - wie oben dargelegt - von der falschen Prämisse aus, wonach ein auf Demütigung ausgerichteter Vorsatz der Subsumtion entgegenstehe. Obwohl sich die Nichtigkeitsbeschwerde inhaltlich nur gegen den Schuldspruch A richtet, begehrt sie die Aufhebung des gesamten Urteils. Zum Schuldspruch B fehlt es aber an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung von Umständen, welche einen Nichtigkeitsgrund bilden sollen.

Auch der Rechtsmittelantrag, nach § 288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten, entbehrt einer aktenmäßigen Grundlage, weil kein Gerichtshof zweiter Instanz die Versetzung in den Anklagestand ausgesprochen und daher auch kein unzuständiges Oberlandesgericht entschieden hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über Jörg H***** unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB nach § 201 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Bei der Strafzumessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen sowie die Verletzungen des Opfers; als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten.

Gegen den Strafausspruch richtet sich die Berufung des Jörg H*****, mit welcher er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht anstrebt.

Sie ist nicht begründet.

Die Verletzung des Opfers wurde zutreffend als erschwerend gewertet. Dies widerspricht nicht dem Doppelverwertungsverbot, weil einerseits eine Verurteilung wegen des Vergehens der Körperverletzung nicht erfolgte und andererseits nicht jede Gewaltanwendung notwendigerweise mit einer Verletzung verbunden sein muss.

Der besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 7 StGB liegt nicht vor, weil unbesonnen nur handelt, wer spontan einem augenblicklichen Willensimpuls folgt, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und ohne diesen unterdrückt worden wäre (Ebner in WK2 § 34 Rz 18). Hinweise auf derartige Umstände sind aber dem Akt nicht zu entnehmen.

Selbst wenn man die Berauschung des Täters als mildernd wertet, entspricht die verhängte Freiheitsstrafe dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat. Diese bleibt nämlich - entgegen den Berufungsausführungen - in ihrer kriminellen Auswirkung keineswegs hinter jenem Wert zurück, der typischerweise mit einer Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB verbunden ist. Vielmehr ist der Angeklagten plötzlich und rücksichtslos gegen sein Opfer vorgegangen (US 4) und hat seine körperliche Überlegenheit brutal ausgenützt. Eine bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe kommt aus präventiven Gründen nicht in Frage. Sie würde nämlich das vom Angeklagten begangene Verbrechen, das außerdem noch von einem weiteren Vergehen begleitet wurde, bagatellisieren und könnte dadurch weder für den schulduneinsichtigen Berufungswerber noch für andere potentielle Täter die entsprechende abhaltende Wirkung entfalten. Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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