OGH 14Os193/95

OGH14Os193/9516.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. April 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. E. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eckert-Szinegh als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rupert K***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 127, 128 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. Juni 1995, GZ 1 c Vr 7.742/89-237, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, des Vertreters der Privatbeteiligten Rudolf G*****GmbH & Co KG, Dr. Pochendorfer, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Eduard Wegrostek zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und eine neue Hauptverhandlung angeordnet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Rupert K***** von der wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls als Beteiligter nach §§ 12 (zweiter Fall), 127, 128 Abs 2 StGB (I), des Vergehens der versuchten Bestimmung zur falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 12 (zweiter Fall), 15, 288 Abs 1 StGB (II) und des Vergehens nach § 56 Abs 1 Z 1 LMG (III) erhobenen Anklage (ON 158), er habe in W***** und A*****

I. im ersten Halbjahr 1989 dadurch, daß er als geschäftsführender Gesellschafter der Rupert K***** GmbH veranlaßte, daß in seinem Unternehmen teils minderwertiges, teils verdorbenes Fleisch in Kunststoffsäcke und Kartons verpackt, nach W***** transportiert und im Kühlhaus der ***** Kühlhaus F***** GmbH eingelagert werde, und einen unbekannt gebliebenen Dritten bestimmte, insgesamt 12.854,75 kg knochenloses Rindfleisch vom Vorderviertel, welches von der Rudolf G***** Vieh- und Fleischexport GmbH & Co KG im genannten Kühlhaus eingelagert und zum Export bestimmt war, wegzunehmen und gegen das minderwertige und verdorbene Fleisch auszutauschen, dazu beigetragen bzw Dritte dazu bestimmt, fremde bewegliche Sachen, nämlich 12.854,75 kg knochenloses Rindfleisch vom Vorderviertel im Gesamtwert von mindestens 578.463,75 S Verfügungsberechtigten der G***** GmbH & Co KG mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II. im Juni 1990 versucht, den Friedrich A***** zu bestimmen, am 15. Juni 1990 bei dessen förmlicher Vernehmung zur Sache als Zeuge im (gegenständlichen) Verfahren, AZ 26 d Vr 7.742/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, falsch auszusagen, indem er ihm sagte, er solle bei Gericht keinen Blödsinn reden, die Firma K***** verkaufe kein schlechtes Fleisch; die Vorderviertel, die er in G***** kaufe, kämen gar nicht zur Firma K*****, sondern würden gleich in W***** verkauft;

III. am 25. April 1990 gesundheitsschädliche Lebensmittel, nämlich ca 750 kg Spareribs mit bakterieller Durchsetzung und von ekelerregender Beschaffenheit, dadurch, daß er die Auslieferung an die Firma Engelbert M***** veranlaßte, vorsätzlich in Verkehr gebracht,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft mit - summarisch - auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.

Zunächst ist der Anklagebehörde beizupflichten, wenn sie in ihrer Mängelrüge (Z 5) zum Faktum I als Unvollständigkeit die Nichtberücksichtigung in der Hauptverhandlung verlesener (S 285/XIV) Belastungsbeweise rügt.

Das Erstgericht hat nämlich als belastend lediglich die - infolge Entschlagung des Zeugen in der Hauptverhandlung am 26. Juni 1995 nicht verlesenen, somit auch nicht verwertbaren - Angaben des Friedrich A***** im Vorverfahren sowie die - an sich nebensächliche - Auffindung eines Kronenkorken ("Bierkapsel") einer W***** Brauerei (deren Produkte auch von Mitarbeitern des Angeklagten konsumiert wurden) in einem der G***** GmbH & Co KG unterschobenen Fleischpaket demonstrativ angeführt, sich aber bei der Erörterung der Ergebnisse des Beweisverfahrens darauf beschränkt, diesen Umständen das Fehlen eines ausschließlichen Gelegenheitsverhältnisses und den angeblichen Erinnerungsmangel des Zeugen A***** entgegenzuhalten (US 8). Bei Erörterung der Beweisergebnisse wurde hingegen übergangen, daß insbesondere das Gutachten des Sachverständigen Dr. P***** zahlreiche Umstände aufzeigt, die auf eine Täterschaft des Angeklagten im Sinne des gegen ihn erhobenen Anklagevorwurfs hinweisen, wie die (teilweise) Verwendung jener Art von Kartons im Betrieb des Angeklagten, wie sie auch von der G***** GmbH & Co KG verwendet wurden (ON 77, S 51, 55/V) bzw von Originalkartons dieses Unternehmens (ON 77, S 57, 77/V), die Herkunft von Teilmengen des unterschobenen Fleisches von der Firma A***** in G*****, bei welcher der Angeklagte um die fragliche Zeit entsprechende Einkäufe getätigt hatte (ON 77, S 25 ff iVm S 41 f/V), oder die Gleichartigkeit des bei einem Mitarbeiter der Rupert K***** GmbH festgestellten Zuschnitts von Rindfleischplatten mit der Bearbeitung von der Firma G***** unterschobenen Fleischplatten (ON 77, S 47 f/V). In gleicher Weise hat das Erstgericht die Auffindung größerer Mengen minderwertigen bzw verdorbenen und gesundheitsschädlichen Fleisches sowie von drei Metallstapelgestellen (Paletten) der F***** GmbH (ON 77, 73/V) im Betrieb des Angeklagten unerörtert gelassen.

Zu Recht rügt die Staatsanwaltschaft ferner die aktenwidrige Charakterisierung der Aussage des Zeugen A*****, dem das Tatgericht mangelnde Erinnerung an einen konkreten Sachverhalt bei der Einvernahme in der Hauptverhandlung unterstellt (US 8); ist dem Zeugen doch bereits nach Beantwortung einer einzigen Frage (nach der Dauer seiner Beschäftigung beim Angeklagten) das Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO eingeräumt worden (S 281 ff/XIV).

Zuzustimmen ist der Anklagebehörde auch, soweit sie das Fehlen jeglicher Begründung (Z 5) für den Freispruch des Angeklagten von den unter Punkt II und III der Anklage erhobenen Vorwürfen bemängelt; denn diese Freisprüche sind keineswegs die logische Konsequenz der freisprechenden Erledigung des Anklagefaktums I durch das Erstgericht.

Es war daher - ohne daß noch auf die Verfahrensrüge (Z 4) der Staatsanwaltschaft einzugehen gewesen wäre - das angefochtene Urteil aufzuheben und ein zweiter Rechtsgang anzuordnen (§ 288 Abs 2 Z 1 StPO).

Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht einerseits zu berücksichtigen haben, daß gemäß § 120 StPO - entgegen seinen Ausführungen im Zwischenerkenntnis vom 24. August 1994 (S 195 verso/XIV) - eine Person nur dann (bei sonstiger Nichtigkeit) als Sachverständiger nicht beigezogen werden darf, wenn sie in einem Untersuchungsfall als Zeuge nicht vernommen oder nicht beeidigt werden darf oder zum Beschuldigten oder zum Verletzten in einem der im § 152 Abs 1 Z 2 StPO (beachte das Redaktionsversehen im StPÄG 1993; vgl Pleischl/Soyer, StPO, Anm zu § 120) bezeichneten Verhältnisse steht. Diese Voraussetzungen treffen jedoch auf den Sachverständigen Dr. P***** nicht zu und es kann auch auf den Umstand, daß dieser im Zivilverfahren AZ 16 Cg 75/90 des Handelsgerichtes Wien als Zeuge vernommen wurde, ein sonstiger (erheblicher) Einwand gegen seine Beiziehung als Sachverständiger im Strafverfahren nicht gestützt werden (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 E 6, 8 a und 8 b zu § 120).

Zum anderen wird zu beachten sein, daß der Zeuge A***** bisher das Vorliegen eines konkreten Entschlagungsgrundes nicht behauptet, sondern lediglich erklärt hat, eine einzelne Frage nicht beantworten zu wollen (S 281/XIV). Bei Aufrechterhaltung dieser Weigerung werden dem Zeugen ergänzende Erklärungen zur Glaubhaftmachung eines Befreiungsgrundes abzuverlangen und gegebenenfalls dessen Umfang zu prüfen sein (EvBl 1994/138).

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