Spruch:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß aufgehoben.
2. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
3. Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
4. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang K***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (A) sowie der Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (B) und des Diebstahls nach § 127 StGB (C) schuldig erkannt und zu einer teilweise bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.
Darnach hat er in Wien
A/ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die Sabine P***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, ein redlicher Darlehensnehmer zu sein, zur Übergabe (1.) eines Sparbuches mit einem Guthaben von 400.000 S im September 1992, (2./a) von 120.000 S am 20.Dezember 1993 und (2./b) von 11.000 S am 2.Mai 1994 verleitet, die die Darlehensgeberin in dieser Höhe am Vermögen schädigte;
B/ im Juni 1992 das ihm von Sabine P***** zur zinsbringenden Anlegung anvertraute Bargeld in Höhe von 268.194,30 S sich durch Verbrauch für eigene Zwecke mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung zugeeignet;
C/ am 1., 2. und 6.Juni 1994 eine fremde bewegliche Sache, nämlich insgesamt 15.000 S Bargeld der Sabine P***** mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen.
Rechtliche Beurteilung
Nach rechtzeitiger Rechtsmittelanmeldung (Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung) durch den dem Angeklagten gemäß § 41 Abs 2 StPO beigegebenen Verteidiger Dr.Karl Mathias W***** (ON 29) wurde die Urteilsausfertigung am 24.September 1996 dessen mittlerweiligem Stellvertreter, Rechtsanwalt Dr.Christian W*****, zugestellt. Da diese Funktion jedoch nicht mit dem automatischen Eintritt in die bestehenden Vollmachtsverhältnisse des Vertretenen verbunden ist (Schuppich-Tades RAO5 Anm 3 zu § 34), was gleichermaßen für dessen Beauftragung als Verfahrenshilfeverteidiger (§ 45 Abs 1 RAO) gilt, bestellte der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer mit Bescheid vom 7. Oktober 1996 von Amts wegen Dr.Christoph L***** zum Verteidiger des Angeklagten und verständigte davon am selben Tag das Erstgericht (ON 32).
Am 6.November 1996 langte die (am Tag davor zur Post gegebene) Rechtsmittelausführung durch Rechtsanwalt Dr.L*****, welchem eine Urteilsausfertigung ersichtlich durch die Rechtsanwaltskammer übermittelt worden war, beim Erstgericht ein.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies der Vorsitzende die Nichtigkeitsbeschwerde als verspätet zurück, wobei er davon ausging, daß die Ausführungsfrist ungeachtet der aktenkundigen Umbestellung am 25. September 1996 zu laufen begonnen hatte.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten ist berechtigt.
Tritt in der Person des Verteidigers nach § 41 Abs 2 StPO gemäß § 45 Abs 4 RAO ein Wechsel ein, dann beginnt die Frist zur Ausführung eines bereits angemeldeten Rechtsmittels erst mit dem auf die Zustellung des angefochtenen Urteils an den neu bestellten Verteidiger folgenden Tag zu laufen (Foregger-Kodek, StPO6 Anm IV zu § 41; EvBl 1991/56).
Da im vorliegenden Fall das angefochtene Urteil durch das Landesgericht für Strafsachen Wien dem neu bestellten Verteidiger überhaupt nicht zugestellt wurde, war die Rechtsmittelausführung jedenfalls rechtzeitig und der Zurückweisungsbeschluß daher aufzuheben.
Die gegen den Schuldspruch aus den Gründen der Z 5 und Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt indes.
Das Verhalten des Beschwerdeführers wäre auch dann tatbildlich im Sinne der §§ 146 f StGB (A), wenn er sich den Zugriff auf das Vermögen der Sabine P***** allein durch Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit verschafft hätte. Die Frage, ob in der Aussage des Betrugsopfers auch der dem Angeklagten darüber hinaus angelastete fehlende Zahlungswillen Deckung findet (Z 5), betrifft demnach keine entscheidende Tatsache.
In Ansehung der Tatbestände der §§ 127 und 133 StGB (B und C) kann dem vom Beschwerdeführer behaupteten Vorhaben, die teils veruntreuten, teils gestohlenen Gelder "auf dreißig Jahre zurückzuzahlen" (S 123), von vornherein nur die - für die Lösung der Schuldfrage irrelevante - Bedeutung einer allfällig geplanten nachträglichen Schadensgutmachung zukommen. Auf einen präsenten Deckungsfonds im Sinne eines dem Täter zur Tatzeit sofort zur Verfügung stehenden Vermögensäquivalentes, welcher allein im Faktum Veruntreuung (B) dem konstatierten Bereicherungsvorsatz entgegenstehen könnte, hat sich der Angeklagte niemals berufen und auch in Ansehung der ihm angelasteten Sachwegnahme (C) nichts behauptet, was darauf hindeutete, daß er einen entsprechenden Forderungsanspruch hatte oder zu haben glaubte. Der Einwand, auch insoweit kollidiere der festgestellte Bereicherungsvorsatz mit dem vom Beschwerdeführer behaupteten Rückzahlungswillen, dessen Nichtbestehen mangelhaft begründet worden sei (Z 5), geht daher schon aus rechtlichen Gründen ins Leere.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Schöffengericht habe (zu A und B) keinen Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz festgestellt, setzt sich über die Urteilsannahme hinweg, daß der Angeklagte das Vertrauen der Sabine P***** vorsätzlich (US 3) dazu mißbrauchte, dieser "auf verschiedenste Art Geld herauszulocken, um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern" (US 7 und 18) und sich mit eben diesem Vorsatz auch das ihm zur Veranlagung anvertraute Bargeld zueignete (US 19).
Die solcherart nicht gesetzmäßig ausgeführte, im übrigen aber offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO).
Über die Berufung wird demnach das Oberlandesgericht Wien zu befinden haben (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.
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