OGH 14Os183/88

OGH14Os183/8821.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Dezember 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Burianek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Robert B*** wegen des Vergehens nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 3. Mai 1988, AZ 25 Bs 114/88 (GZ 1 c E Vr 5488/86-39 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 3.Mai 1988, 25 Bs 114/88, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 223 StGB. Dieses Urteil, das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2.Dezember 1987, GZ 1 c Vr 5488/86-39, und die darauf beruhenden Beschlüsse, Anordnungen und Verfügungen werden aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. Dezember 1987, GZ 1 c E Vr 5488/86-39, wurde der Finanzbeamte Robert B*** des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB schuldig erkannt. Das Gericht legte ihm zur Last, in Mödling und Gumpoldskirchen als Leiter der Vollstreckungsstelle beim Finanzamt Mödling, nachdem er das vom Vollstrecker Erich S*** und der Ehegattin des Abgabenschuldners Brigitte S*** unterschriebene Pfändungsprotokoll vom 7.Juli 1981 etwa 14 Tage nach dessen Errichtung durch handschriftliche Aufnahme weiterer Postzahlen (21 bis 25) ergänzt und somit verfälscht hatte, diese inländische öffentliche Urkunde im Vollstreckungsverfahren, also im Rechtsverkehr, zum Beweis eines Rechtes, nämlich der ordnungsgemäßen Pfändung und Verwertung der Pfandgegenstände mit den Postzahlen 21 bis 25 gebraucht zu haben. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen wohnte der Beschuldigte am 7.Juli 1981 in Gumpoldskirchen der formell von dem ihm unterstellten Vollstrecker S*** durchgeführten Fahrnisexekution bei, mit der Gegenstände unter den Postzahlen 1 bis 20 gepfändet wurden. Als er 14 Tage später Grund zur Befürchtung erhielt, der betroffenen Firma S*** drohe der Konkurs, begab er sich abermals (diesmal allein) dorthin und pfändete weitere Fahrnisse; er legte kein neues Pfändungsprotokoll an, brachte auch im alten Protokoll keinen Korrekturvermerk an, sondern setzte das alte Protokoll derart fort, daß der Eindruck entstehen konnte, auch die weiteren fünf Postzahlen wären bereits am 7. Juli 1981 gepfändet worden. Dieser Sachverhalt wurde auch vom Beschuldigten nicht bestritten; er leugnete aber - wie das Erstgericht im Urteil sagt - "die subjektive Tatseite". Tatsächlich hat er sich damit verantwortet, daß er vergessen habe, einen Vermerk (über das Datum der fortgesetzten Pfändung) zu machen oder ein neues Protokoll anzulegen (S 207). Das Gericht führte dazu im Urteil aus, daß der Angeklagte die Vorschriften kennen mußte und auch Überlastung "die subjektive Tatseite nicht ausschließen könne" (S 286). Da sohin "die subjektive Tatseite nachgewiesen werden könnte" (S 287), ging das Erstgericht mit Schuldspruch vor. Der Berufung des Angeklagten gegen dieses Urteil wegen Nichtigkeit und Schuld gab das Oberlandesgericht mit Erkenntnis vom 3. Mai 1988, 25 Bs 114/88 (ON 47), nicht Folge. Es erwiderte den Berufungsausführungen ua, daß "für die subjektive Tatseite des vorliegenden Urkundendelikts (....) weder ein besonderer - über die schon im Gebrauch des Falsifikates gelegene Irreführung hinausgehender - Täuschungsvorsatz (LSK 1978/378), noch ein Schädigungsvorsatz (13 Os 11/77) erforderlich (sei), weshalb es irgendwelcher Ausführungen darüber (nämlich zur subjektiven Tatseite) nicht bedurfte (S 314).

Rechtliche Beurteilung

Diese ersichtlich auf den Kommentar in Leukauf-Steininger, StGB2, RN 38 zu § 223 gestützte, aber mißverstandene Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes ist verfehlt: Das Tatbild der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 1 und 2 StGB erfordert auf der subjektiven Tatseite keineswegs nur den auf die Verwirklichung des diesem Tatbild entsprechenden Sachverhalts gerichteten Vorsatz gemäß § 5 Abs. 1 StGB, sondern darüber hinaus nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes und nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung den "erweiterten" Vorsatz, daß die (falsche oder verfälschte) Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde (Abs. 1) oder gebraucht wird (Abs. 2). Mit diesem für beide Absätze des § 223 StGB gleichen sogenannten Täuschungsvorsatz (Kienapfel, WK, Rz 225 ff zu § 223) handelt, wer durch Täuschung über die Echtheit einen anderen zu einem bestimmten Verhalten im Rechtsverkehr veranlassen will (Kienapfel, aaO), wer durch den Gebrauch der Urkunde eine rechtserhebliche Reaktion eines anderen, eine rechtlich erhebliche Maßnahme bezweckt (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 33, 37, 39 zu § 223). Dabei muß die Urkunde wegen ihres Inhalts in rechtserheblicher Weise verwendet werden (LSK 1978/386 = JBl. 1979, 272 mit weiteren Nachweisen). Daß darüber hinaus kein über die schon in der Ingebrauchnahme liegende Irreführung hinausgehender Täuschungsvorsatz verlangt wird (vgl. das eingangs erwähnte Zitat aus Leukauf-Steininger im Berufungserkenntnis; insbesondere LSK 1978/387 = JBl. 1977, 272) ist zwar richtig, wurde aber vom Berufungsgericht aus dem Zusammenhang mit dem unmittelbar davorstehenden Rechtssatz gelöst und daher in seiner Tragweite mißverstanden. Wird eine Urkunde trotz einer in einem bestimmten Punkt erfolgten Verfälschung im Rechtsverkehr verwendet, so entspricht dies § 223 Abs. 2 StGB nur dann, wenn diese Verfälschung für die konkrete Verwendung bedeutsam war.

Ein darauf gerichteter (erweiterter) Vorsatz des Angeklagten wurde in den Urteilen beider Gerichtsinstanzen nicht festgestellt. Hierauf hat der Angeklagte in seinem Rechtsmittel, zwar nicht gestützt auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO, aber doch in der Mängelrüge (Z 5) und in der Schuldberufung (S 299, 301) hingewiesen, wenngleich das Schwergewicht der Berufung in dem Nachweis lag, daß die vorgenommene Pfändung ungeachtet des Formfehlers gültig war, worauf es tatsächlich (Berufungsgericht S 313 unten, 314 oben) nicht ankommt. Dem aufgezeigten entscheidenden Feststellungsmangel hätte das Berufungsgericht aber nachgehen müssen; durch die Verwerfung der Nichtigkeits- und Schuldberufung hat es das Gesetz daher zum Nachteil des Angeklagten im § 223 StGB verletzt.

Da es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, die fehlenden Konstatierungen nachzutragen und bei der gegebenen

Sachlage - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - auch nicht gesagt werden kann, daß Grundlagen für die zur subjektiven Tatseite erforderlichen Feststellungen im erneuerten Rechtsgang unter keinen Umständen zu erwarten seien, war in Stattgebung der von der Generalprokurator gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde spruchgemäß zu entscheiden.

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