OGH 14Os166/94(14Os169/94)

OGH14Os166/94(14Os169/94)29.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.November 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Hobel als Schriftführerin, in den Strafsachen gegen Christian V***** wegen strafbarer Handlungen gegen das Suchtgiftgesetz, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1.Juni 1994, GZ 6 d Vr 12.348/90-39, und gegen den Vorgang, daß im Verfahren AZ 6 a Vr 12.605/92 die Verständigung der Abteilung 6 d vom Beschluß auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht unterlassen wurde, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Bassler, und des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Gesetz ist verletzt worden

1. durch den Vorgang, daß das Landesgericht für Strafsachen Wien von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 16.März 1993, GZ 6 a Vr 12.605/92-26, gefaßten Beschluß auf Widerruf der bedingten Nachsicht der zum AZ 6 d Vr 12.348/90 dieses Gerichtes verhängten Strafe nicht unverzüglich die von dieser Entscheidung betroffene Gerichtsabteilung 6 d verständigte, in der Bestimmung des § 494 a Abs 8 aF (= Abs 7 nF) StPO;

2. durch den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Juni 1994, GZ 6 d Vr 12348/90-39, mit welchem diese Strafe endgültig nachgesehen wurde, in dem sich aus dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Der zu Punkt 2 bezeichnete Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23.April 1991, GZ 6 d Vr 12.348/90-27, wurde Christian V***** des (teils im Stadium des Versuches verbliebenen) Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und § 15 StGB sowie des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt. Unter Anrechnung einer Vorhaft wurde die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.März 1993, GZ 6 a Vr 12.605/92-26, wurde Christian V***** neuerlich wegen des (zum Teil als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB begangenen) Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt. Zugleich wurde die bedingte Nachsicht der achtzehnmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen. Der Vollzug beider Freiheitsstrafen wurde auf Antrag des Verurteilten gemäß § 23 a Abs 1 SGG bis 1.Februar 1995 aufgeschoben.

Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht wurde die Abteilung 6 d des Landesgerichtes für Strafsachen Wien entgegen der Vorschrift des § 494 a Abs 8 aF (= Abs 7 nF) StPO nicht verständigt.

Mit rechtskräftigem Beschluß vom 1.Juni 1994, GZ 6 d Vr 12.348/90-39, sah das Landesgericht für Strafsachen Wien die Strafe endgültig nach (§ 43 Abs 2 StGB).

Die Unterlassung der unverzüglichen Verständigung des Gerichtes der Vorentscheidung vom Widerrufsbeschluß durch das erkennende Gericht und der Beschluß auf endgültige Strafnachsicht stehen, wie der Generalprokurator in seiner deswegen zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 494 a Abs 8 StPO hatte jenes Gericht, das eine Widerrufsentscheidung fällt, unverzüglich alle Gerichte zu verständigen, deren Vorentscheidungen hievon betroffen sind.

Durch die im Verfahren zum AZ 6 a Vr 12.605/92 versäumte Verständigung wurde das Gesetz daher in der genannten Bestimmung verletzt.

Mit der Fassung des Beschlusses auf endgültige Strafnachsicht im Verfahren zum AZ 6 d Vr 12.348/90 wiederum nahm das Landesgericht für Strafsachen Wien eine gesetzlich nicht gedeckte Entscheidungskompetenz in Anspruch. Denn zufolge des im Verfahren zum AZ 6 a Vr 12.605/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gefaßten und sogleich rechtskräftig gewordenen Widerrufsbeschlusses vom 16. März 1993 konnte kein Gericht ohne vorangegangene Aufhebung des Beschlusses über den Entscheidungsgegenstand neuerlich absprechen. Demzufolge konnte auch der Beschluß auf endgültige Strafnachsicht - entgegen der Meinung des Erstgerichtes (ON 42) - weder den bereits zuvor ergangenen, rechtskräftig gewordenen Widerruf der bedingten Strafnachsicht beseitigen noch sonst irgendwelche rechtserheblichen Wirkungen für den Verurteilten nach sich ziehen.

Der Beschluß vom 1.Juni 1994 war daher zu kassieren (EvBl 1989/69 = JBl 1989, 400; 15 Os 76/91; 12 Os 3,4/94).

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