Spruch:
Die Durchführung der Hauptverhandlung am 10. Juli 2008 ohne Beiziehung eines Verteidigers verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 61 Abs 1 Z 5 StPO.
Das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 10. Juli 2008, GZ 31 Hv 73/08f-6, wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit Strafantrag vom 9. Juni 2008 legte die Staatsanwaltschaft Salzburg Salim P***** als Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 87 Abs 1 StGB zur Last, er habe am 5. März 2008 in B***** Houcine H***** durch Versetzen mehrerer Faustschläge und Fußtritte ins Gesicht und gegen den Oberkörper absichtlich eine schwere Körperverletzung zuzufügen versucht (ON 3). Ohne den Angeklagten zuvor aufzufordern, einen Verteidiger namhaft zu machen oder die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach § 61 Abs 2 StPO zu beantragen (§ 61 Abs 3 StPO), beraumte der Einzelrichter des Landesgerichts Salzburg für den 10. Juli 2008 eine Hauptverhandlung an, zu der Salim P***** unvertreten erschien. Die Hauptverhandlung wurde dennoch durchgeführt (ON 5) und der Angeklagte sodann anklagekonform des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt (ON 6).
Während die Staatsanwaltschaft dieses Urteil unbekämpft ließ, erhob Salim P***** dagegen Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (S 6/ON 5), über die bislang noch nicht entschieden wurde.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht diese Vorgangsweise mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 61 Abs 1 Z 5 StPO muss der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter des Landesgerichts durch einen Verteidiger vertreten sein, wenn für die Straftat, außer in den Fällen der §§ 129 Z 1 bis Z 3 und 164 Abs 4 StGB, eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist. Die Hauptverhandlung wegen des Anklagevorwurfs des mit einem bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 87 Abs 1 StGB hätte demnach nicht ohne Beiziehung eines Verteidigers durchgeführt werden dürfen.
Zufolge nicht auszuschließender nachteiliger Wirkung der aufgezeigten Gesetzesverletzung für den Angeklagten sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, das in diesem Verfahren ergangene Urteil aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 292 letzter Satz StPO).
Im nachfolgenden Rechtsgang wird das Erstgericht das - nur den Sanktionenbereich betreffende - Verschlechterungsverbot des § 290 Abs 2 StPO zu beachten haben, das sobald ein Urteil - wie hier im ersten Rechtsgang - bloß zu Gunsten des Angeklagten angefochten worden ist, für alle weiteren Stadien des Strafverfahrens gilt (§ 488 Abs 1 iVm § 293 Abs 3 StPO; Ratz, WK-StPO § 293 Rz 22) und jede einzelne Unrechtsfolge sowie Aussprüche bedingter Nachsicht und über die Dauer von Probezeiten je für sich betrifft (RIS-Justiz RS0100700; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 43).
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