OGH 14Os153/07t

OGH14Os153/07t15.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Jänner 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nemanja P***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG aF und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Mai 2007, GZ 8 Hv 2/07v-169, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Nemanja P***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG aF (1.) und des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (2.) schuldig erkannt.

Demnach hat er

1. in Graz, Wien und anderen Orten in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG aF) übersteigenden Menge durch gewinnbringende Verkäufe in Verkehr gesetzt, indem er im Zeitraum von Juni 2005 bis Ende Dezember 2005 in unzähligen Angriffen mindestens 30.000 Gramm Cannabiskraut und im Zeitraum von Anfang Jänner 2006 bis 24. Mai 2006 in drei Angriffen insgesamt 230 Gramm Kokain an den abgesondert verfolgten Stjepan T***** gewinnbringend veräußerte;

2. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Anfang September 2006 in Graz in einem gerichtlichen Verfahren ein verfälschtes Beweismittel gebraucht, indem er in der gegen ihn gerichteten Strafsache des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, AZ 8 Hv 2/07v (ehemals AZ 18 Ur 164/06v), die Vorlage einer Fotokopie einer Bescheinigung des Gemeindegerichtes in Kovin vom 2. August 2006, SU.VIII/06-115, samt beglaubigter Übersetzung durch seinen Verteidiger veranlasste, worin (zum Beweis eines Alibis) jeweils die Dauer des Vollzuges einer Gefängnisstrafe von 100 Tagen und deren Vollzug ab dem 1. Juni 2005 durch Manipulation unrichtig dargestellt wurden.

Die vom Angeklagten dagegen aus den Gründen der Z 3, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 3) ist mit ihrem Einwand, es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Erwägungen das Erstgericht den Angeklagten während der Vernehmung der Zeugen Cornelia T***** (S 129 ff/IV), Stjepan T***** (S 165 ff/IV), Damir P***** (S 187 ff/IV) und Dejan S***** (S 281 ff/IV) gemäß § 250 Abs 1 erster Satz StPO habe abtreten lassen, darauf zu verweisen, dass lediglich die Unterlassung der Information des Angeklagten über das während seiner vorübergehenden Abwesenheit Geschehene, nicht jedoch die auf Grund richterlichen Ermessens erfolgte Entfernung des Angeklagten aus dem Gerichtssaal unter Nichtigkeitsdrohung steht (Kirchbacher, WK-StPO § 250 Rz ,11).

Auch die Rügebehauptung, die Zeugen hätten zum Zeitpunkt der Rückkehr des Beschwerdeführers in den Gerichtssaal diesen bereits verlassen gehabt, findet im Hauptverhandlungsprotokoll keine Bestätigung. Im Übrigen zeigt sich aus der Erklärung des wieder vorgeführten Angeklagten, den Zeugen S***** nie im Leben gesehen zu haben (S 287/IV), dass zumindest dieser Zeuge bei neuerlicher Vorführung des Angeklagten noch anwesend war. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, sein Verteidiger sei an der Ausübung seines Rechtes auf Befragung der Zeugen gehindert gewesen, weil er diesem die hiefür notwendige Information mangels Kenntnis der Inhalte der Zeugenaussagen nicht erteilen konnte, ist er auf die nach § 250 Abs 2 StPO jeweils erfolgte und dokumentierte (S 133, 177, 195 und 287/IV) Instruktion über den Inhalt des inzwischen Vorgefallenen zu verweisen. Insofern der Beschwerdeführer unzureichende Information behauptet, kann er dies nicht auf den Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls stützen, das insoweit nur die Wiedergabe der wesentlichen Förmlichkeiten verlangt (§ 271 Abs 1 Z 4 StPO). Es wäre dem Verteidiger freigestanden, Mängel dieser Mitteilung an den Angeklagten in das Protokoll zu reklamieren.

Entgegen der Rüge reicht bei einem der Gerichtssprache nicht mächtigen Angeklagten eine resümierende Übersetzung (Kirchbacher aaO Rz 9).

Die Deposition des Zeugen Stjepan T*****, der - dem Rechtsmittelvorbringen zuwider - in der Hauptverhandlung seine bisher belastenden Angaben aufrechterhalten hatte (S 167/IV), wurde dem Angeklagten ausdrücklich vorgehalten (S 179/IV). Die Verfahrensrüge scheitert diesbezüglich an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung der vermissten Information (Kirchbacher aaO Rz 11; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 249).

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) kritisiert betreffend den Schuldspruch 2. die fehlende Erörterung der Einlassung des Nichtigkeitswerbers, sein Verteidiger habe ein Alibi gesucht und von der Familie des Angeklagten die gegenständliche verfälschte Bestätigung (S 461/II; deutsche Übersetzung: S 463/II) besorgt (S 273/IV). Er selbst habe die Bestätigung erst durch Vorzeigen einer Kopie nach der Vorlage durch den Verteidiger anlässlich des Enthaftungsantrages ON 98 gesehen (S 275/IV). In Anbetracht des unmittelbar danach abgelegten Geständnisses (S 275/IV) und der weiteren - in der Rechtsmittelschrift nicht erwähnten - Verantwortung, wonach er selbst das Falsifikat dem Gericht habe vorlegen lassen (S 121/IV), stellt der relevierte Aussageteil kein erhebliches, sohin erörterungsbedürftiges Beweismittel dar, weil einzig entscheidend die Veranlassung der Urkundenvorlage durch den Angeklagten ist (US 10 f, 13) und es als nicht entscheidungswesentlich dahingestellt bleiben kann, wann der Angeklagte erstmals die verfälschte Bestätigung zu Gesicht bekommen hat. Die Kenntnis von der inhaltlichen Unrichtigkeit des durch Vorlage tatsächlich gebrauchten Beweismittels hat der Nichtigkeitswerber ausdrücklich zugestanden (S 275/IV), wobei diese Textpassage in der Beschwerdeschrift irreführenderweise nicht wiedergegeben wird.

Das Verteidigervorbringen, die Urkunden von der Familie des Angeklagten aus Serbien geschickt bekommen zu haben (S 77/IV), war nicht zu erörtern, weil ihm nicht zu entnehmen ist, der Verteidiger habe die Unterlagen ohne Tätigwerden des Angeklagten erhalten. Mit der daran anknüpfenden Argumentation, der Verteidiger habe die Dokumente ohne Zutun des Nichtigkeitswerbers zugestellt bekommen, entfernt sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) von der Urteilstatsache der Veranlassung der Beweismittelbeschaffung durch den Beschwerdeführer im Wissen um die inhaltliche Unrichtigkeit (US 10 f), sodass sie nicht zur gesetzeskonformen Ausführung gelangt.

Bleibt anzumerken, dass die vom Erstgericht vorgenommene rechtliche Unterstellung der im Schuldspruch 2 geschilderten Tat verfehlt ist. Die Verwendung der Kopie eines verfälschten Schriftstücks im Rechtsverkehr ist als Gebrauch einer verfälschten Urkunde nach § 223 Abs 2 StGB zu werten (vgl Kienapfel/Schroll in WK² [2006] § 223 Rz 219; Kienapfel/Schmoller BT III Rz 49; Kirchbacher/Presslauer in WK² [2006] Rz 15; 11 Os 121/04). Die Aufforderung zu einer Vorlage dieser auf ein Falsifikat zurückzuführenden Kopie (vgl US 10 f) ist als Bestimmungstäterschaft nach § 12 zweiter Fall StGB iVm § 223 Abs 2 StGB zu qualifizieren. Zufolge der Subsidiaritätsklausel im § 293 Abs 1 StGB erweist sich daher die Unterstellung dieser Tat unter § 293 Abs 2 StGB als falsch. Diese unrichtige rechtliche Beurteilung wirkte sich aber fallbezogen nicht zum Nachteil des Angeklagten aus und konnte daher auf sich beruhen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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