OGH 14Os146/92

OGH14Os146/9218.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Mai 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof. Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter L***** und Franz U***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.September 1992, GZ 12e Vr 6884/91-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Weiss, der Angeklagten und deren Verteidiger Dr.Riedl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch des Angeklagten L***** enthaltenden) Urteil wurden die Offiziere des österreichischen Bundesheeres Oberst Walter L***** und Oberleutnant Franz U***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Ihnen liegt zur Last, am 31.Juli 1989 und in der Zeit danach in Stockerau als Beamte mit dem Vorsatz, die Republik Österreich in ihrem Recht auf Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen der Beschädigung von Bundeseigentum und auf Untersuchung gerichtlich und disziplinarrechtlich strafbarer Handlungen zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht zu haben, daß sie in Kenntnis eines am Gelände der Prinz-Eugen-Kaserne stattgefundenen Verkehrsunfalls vom 31.Juli 1989, an dem Oberleutnant Markus K***** und Offizier-Stellvertreter Johann S***** beteiligt waren, Markus K***** schwer verletzt und zwei Kraftfahrzeuge des österreichischen Bundesheeres beschädigt wurden, die vorgeschriebenen Maßnahmen zur Erfassung des Unfallgeschehens - insbesondere die Durchführung von Erhebungen und die Anlegung eines Unfallaktes - sowie die Erstattung einer Strafanzeige unterließen, wobei der Angeklagte U***** lediglich eine "Besondere Vorfallsmeldung" erstattete und der Angeklagte L***** die erforderlichen Maßnahmen sowie die Erstattung einer Strafanzeige ebenfalls nicht anordnete, sondern lediglich (durch U*****) eine "Besondere Vorfallsmeldung" erstatten ließ.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagten mit (gemeinsam ausgeführten) jeweils auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

In der Mängelrüge (Z 5) werfen die Beschwerdeführer dem Erstgericht zunächst vor, es habe sich mit der "Besonderen Vorfallsmeldung" (Fotokopie S 333 bis 335) überhaupt nicht bzw nur unzureichend auseinandergesetzt und keine bzw nur eine unzureichende Begründung für die Annahme ihres wissentlichen Befugnismißbrauchs geliefert, obwohl der Angeklagte U***** in Übereinstimmung mit seinem Vorgesetzten L***** in Erfüllung der Pflicht gemäß II/B Z 4 der mit Erlaß des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 30.April 1987 ergangenen "Richtlinien für die Bearbeitung von Verkehrsunfällen mit Heeresfahrzeugen, Neufassung 1987" (S 83 ff) durch Übermittlung der Vorausmeldung gemäß Formblatt "Besonderer Vorfall- Verkehrsunfall mit Heereskfz" (S 87) den relevanten Unfallsachverhalt ohnehin dem Armeekommando und vier weiteren vorgesetzten Dienststellen mitgeteilt habe; diesbezüglich erweise sich das Ersturteil als aktenwidrig; aus dieser genannten Vorausmeldung gehe auch zweifelsfrei hervor, daß von den Angeklagten strafrechtliche und sonstige Maßnahmen im Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Verkehrsunfall nicht getroffen, Sicherheitsorgane weder verständigt worden, noch selbst eingeschritten seien, sodaß nach (den Vorstellungen der Angeklagten) den fünf verständigten übergeordneten Dienststellen die pflichtgemäße Bearbeitung dieser Meldung und die allfällige Anordnung weiterer Maßnahmen ermöglicht worden sei. Desweiteren behaupten die Nichtigkeitswerber, im Ersturteil fänden sich "zur Frage der Vorsatzform bzw eines vorliegenden Vorsatzes betreffend die Schadenszufügung keine ordnungsgemäßen Feststellungen und Begründungen"; in bezug auf die Schadenszufügung werde nirgends ausgeführt, die Angeklagten hätten den Eintritt eines Schadens ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden.

Die Urteilsannahmen, die beiden Angeklagten hätten ihre Befugnis, Amtsgeschäfte vorzunehmen, zum Schaden der Republik Österreich wissentlich mißbraucht, begründete das Erstgericht - unter ausdrücklicher Ablehnung ihrer insoweit leugnenden und als bloße Schutzbehauptung gewerteten Verantwortungen in der Hauptverhandlung vor allem gestützt auf die Aussage des Unfallszeugen H***** - zureichend u.a. damit, daß

Demnach haben die Erkenntnisrichter - der Beschwerde zuwider - den aus aktenmäßig gedeckten Prämissen denkrichtig gezogenen Schluß, die Angeklagten hätten sich zumindest im grundsätzlichen Wissen um ihre Dienst- und Meldepflichten nach dem Unfall mit Heeresfahrzeugen über die einschlägigen Erlaßvorschriften wissentlich hinweggesetzt und daher lediglich eine "Besondere Vorfallsmeldung" mit dem Vorsatz erstattet, hiedurch disziplinäre, strafrechtliche und zivilrechtliche Ansprüche des Bundes zu verhindern (US 9 bis 12), mängelfrei begründet.

Entgegen dem weiteren Beschwerdeeinwand bedurfte es im Urteil keiner näheren Erörterung des Inhaltes der in Rede stehenden "Besonderen Vorfallsmeldung"; denn abgesehen davon, daß er nicht Gegenstand des Schuldvorwurfs ist, erweist er sich für die Widerlegung des mit Schädigungsvorsatz begangenen wissentlichen Befugnismißbrauchs ebenso entscheidungsunwesentlich wie für die Feststellung des Erstgerichtes, wonach das Verhalten der beiden Angeklagten in einem "Schutzmechanismus" gegenüber den ihnen untergeordneten Chargen vor Vollzugsansprüchen der Republik Österreich seine Begründung findet (US 7 ff und 11 oben).

Sofern die Nichtigkeitswerber aus dem Umstand, daß sie die fünf übergeordneten Dienststellen vorschriftsgemäß über den Sachverhalt und über die getroffenen bzw nicht getroffenen Maßnahmen verständigt haben, zu ihren Gunsten die Schlußfolgerung zu ziehen trachten, daß eine rechtswidrige Bewahrung der Unfallsbeteiligten vor Straf- und sonstiger Verfolgung gar nicht in ihrer Absicht gelegen sein konnte, kritisieren sie nicht nur in unzulässiger Weise die zu ihrem Nachteil ausgefallene tatrichterliche Beweiswürdigung, sondern übersehen auch den gegen sie sprechenden Umstand, daß in dieser "Besondere Vorfallsmeldung" eben nicht der gesamte wesentliche Unfallssachverhalt Aufnahme gefunden hatte. Auf der Grundlage einer derart unvollständigen Information war einerseits den übergeordneten Dienststellen die Prüfung der Voraussetzungen zur Einleitung strafgesetzlicher oder/und disziplinärer Maßnahmen bzw zur Geltendmachung von Regreßansprüchen der Republik Österreich gegen die unfallbeteiligten Heeresangehörigen verwehrt; andererseits war die dem Bundesministerium für Landesverteidigung vorbehaltene Festlegung des Verschuldensgrades (vgl D 1.b des zitierten Erlasses, S 95) nicht verläßlich gewährleistet. Die maßgeblichen Punkte 4. und 17. dieser in der Hauptverhandlung erörterten (S 429 Mitte) und im Urteil mehrfach festgestellten "Besonderen Vorfallsmeldung" (vgl abermals S 333-335) enthalten nämlich keinen Hinweis auf ein Mitverschulden des Unfallbeteiligten S*****, auf Pflichtverletzungen eines oder beider Kraftradlenker und auf die zum Teil schweren Sachschäden an den Heereskraftfahrzeugen, sondern lediglich die (irreführende) Tatsache des (nur) auf "Eigenverschulden" des schwerverletzten K***** zurückzuführenden Verkehrsunfalls an sich.

Was schließlich den Vorwurf der Aktenwidrigkeit im Zusammenhang mit der (isoliert betrachteten) "Besonderen Vorfallsmeldung" anlangt, ist bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe, die mit dem Urteilsspruch ein untrennbares Ganzes bilden (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 ENr 46), - der Beschwerde zuwider - unzweifelhaft erkennbar, daß mit der gerügten Urteilspassage (US 9) nicht etwa die im Spruch sowie in den Gründen festgestellte einleitende Maßnahme (Vorausmeldung) in Form der "Besonderen Vorfallsmeldung" (im Sinne des Punktes II. B Z 4 des zitierten Erlasses, S 87), die pflichtgemäß laut Verteiler (S 333) an die fünf übergeordneten Dienststellen ergangen war, gemeint ist, sondern allein die pflichtwidrige Unterlassung der Erstattung der unter Punkt IV. des zitierten Erlasses angeführten "Unfallsmeldung an das Bundesminsterium für Landesverteidigung" samt den dort (Punkt C. Z 2 lit a bis g) aufgezählten erforderlichen "Beilagen". Ergibt sich doch aus den Tatsachengeständnissen der Beschwerdeführer (S 101, 113-115, 273 ff und 277 ff sowie 348 und 351 a vso) mit hinreichender Deutlichkeit, daß sie sich entschlossen, vom Unfallsgeschehen bloß eine "Besondere Vorfallsmeldung" zu erstatten, hingegen die in derartigen Fällen vorgesehenen (weiteren) erforderlichen "Meldungen" (samt Anlegung eines Unfallaktes nach Durchführung von Erhebungen oder die Sachverhaltsmitteilung an die Sicherheitsbehörde) zu unterlassen (US 3 und 9).

Auch der Ausspruch des Erstgerichtes, daß die Republik Österreich in ihrem Recht auf Untersuchung disziplinarrechtlich strafbarer Handlungen durch die Tathandlungen der beiden Angeklagten geschädigt wurde, blieb nicht unvollständig begründet. Diesen formellen Mangel erblicken beide Angeklagten im stillschweigenden Übergehen der Verantwortung des Angeklagten U***** in der Hauptverhandlung, wonach er bei seiner unmittelbaren Unfallbeobachtung kein Verschulden eines der beiden Unfallbeteiligten wahrnehmen konnte (AS 414). Da er aber gemäß dem § 56 Abs. 1 HDG als Kompaniekommandant Disziplinarbehörde

1. Instanz ist, dem vorerst auch die Beurteilung obliegt, ob überhaupt ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist, sei bei einer (hier unterbliebenen) Berücksichtigung dieser Verantwortung eine andere Lösung der Beweisfrage denkbar.

Aus §§ 55 ff, 64 Abs. 1 HDG folgt, daß nach Kenntnisnahme des Verdachtes einer Pflichtverletzung die Entscheidung über die allfällige Einleitung oder Nichteinleitung eines Disziplinarverfahrens nicht im freien Ermessen des Einheitskommandanten liegt (vgl auch ZV Doris T***** S 427). Demnach hätten die Nichtigkeitswerber von der Einleitung des Disziplinarverfahrens nur dann Abstand nehmen dürfen, wenn nach Durchführung der vorgeschriebenen sicherheitsbehördlichen oder heeresinternen Unfallserhebungen eine Pflichtverletzung der beiden Soldaten zweifelsfrei auszuschließen gewesen wäre. Die Vornahme eben derartiger Untersuchungsmaßnahmen haben beide Angeklagten aber wissentlich unterlassen.

Entsprechend dem Gebot des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO hat das Schöffengericht aber auch die Feststellung über die Kenntnis der Angeklagten vom fahrlässigen Fehlverhalten der ihnen untergeordneten unfallbeteiligten Kfz-Lenker zutreffend auf die heeresinterne Stellungnahme des vom Angeklagten U***** über den Unfallshergang informierten Angeklagten L***** (S 45 in Verbindung mit US 10) zureichend begründet, ohne daß es eines näheren Eingehens auf die insoweit leugnende und als unglaubwürdig verworfene Verantwortung des Angeklagten U***** bedurft hätte.

Im Kern erweist sich das Vorbringen der Mängelrüge demnach als im Nichtigkeitsverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässiger Versuch, die zu Ungunsten der Beschwerdeführer ausschlagende tatrichterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen und aus einzelnen Verfahrensergebnissen für ihren leugnenden Standpunkt günstigere Prämissen abzuleiten, ohne jedoch einen formellen Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) hinwieder entbehrt insoweit einer den Prozeßgesetzen gemäßen Ausführung, als sie auf bereits in der Mängelrüge vorgebrachte Argumente zurückgreift und unter dem Vorwand von Feststellungsmängeln zur subjektiven Tatseite erneut die - wie oben dargelegt - vom Erstgericht ohnehin auf der Basis der gesamten Verfahrensergebnisse aktengetreu festgestellten sowie denkrichtig und zureichend begründeten Tatbestandsmerkmale der Wissentlichkeit des Befugnismißbrauchs der Beschwerdeführer und ihres (erweiterten) Vorsatzes auf Schädigung konkreter staatlicher Rechte in Abrede stellt.

Die vermißten Feststellungen zum Schädigungsvorsatz finden sich indes nicht nur im Urteilsspruch (US 3), sondern ausdrücklich auch in den Urteilsgründen (US 7 unten bis 8 oben und 9 oben). Die Tatrichter brachten (arg.: "wollte" und "um") unmißverständlich zum Ausdruck, daß sie nicht nur vom bedingten Vorsatz (dolus eventualis) der beiden Angeklagten ausgingen, sondern vielmehr von deren direktem Vorsatz auf Schädigung der konkreten öffentlichen Rechte des Staates auf Einleitung und Durchführung strafrechtlicher und disziplinärer Verfahren sowie auf Schädigung des konkreten Vermögensrechtes des Staates, an der Beschädigung von Heeresfahrzeugen schuldtragende Soldaten nach den Bestimmungen des Organhaftpflichtgesetzes zum Schadenersatz heranzuziehen (vgl V.B. des zitierten Richtlinienersatzes S 97).

Warum die Tatrichter bei beiden Angeklagten trotz Erstattung der (entgegen dem Beschwerdevorbringen keineswegs "alle relevanten Informationen" enthaltenden) "Besonderen Vorfallsmeldung" durch den Angeklagten U***** (zutreffend) die für die Verwirklichung des Verbrechens des Amtsmißbrauchs nach § 302 Abs. 1 StGB geforderten (differenzierten) Vorsatzformen als gegeben erachteten und aus welchen Gründen die vorgesetzten Dienstbehörden im konkreten Fall zunächst keine Veranlassung hatten, von sich aus in der Sache tätig zu werden oder in den Lauf der Dinge korrigierend einzugreifen, - sich demnach die Angeklagten nicht auf eine "ordnungsgemäße Bearbeitung seitens der übergeordneten Dienststellen und Kommanden verlassen konnten" -, wurde bereits bei Erledigung der Mängelrüge ausführlich dargelegt, sodaß - um Wiederholungen zu vermeiden - der Hinweis auf diesen Teil der Rechtsmittelentscheidung genügt.

Der in diesem Zusammenhang des weiteren (zu Unrecht) erhobene Beschwerdevorwurf, das Erstgericht irre, wenn es vermeine, die Schädigung eines "allgemeinen staatlichen Aufsichtsrechtes" erfülle den Tatbestand des § 302 Abs. 1 StGB, ist in dieser Form nicht aktengetreu und übergeht überdies die im Urteilsspruch (US 3) enthaltenen und auch in den Gründen mehrfach festgestellten (US 7, 9 und 12) "konkreten" Rechte des Staates (Bundes), auf die sich der Schädigungsvorsatz der Angeklagten gerichtet hat. Daher wird auch damit der materielle Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, die ein Festhalten am gesamten wesentlichen Urteilssachverhalt und dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz verlangt.

Nicht zielführend ist die Rechtsrüge, wenn sie unter Berufung auf die Verantwortung der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung einen weiteren Feststellungsmangel dahin releviert, daß am Tag des Unfalls die Verlegung der Truppe zu einer Übung erfolgt sei, ferner daß die Verlegung militärischer Einheiten bekanntermaßen mit besonderer Belastung und (besonderem) Arbeitsaufwand verbunden und der Angeklagte L***** überhaupt schon im Übungsgebiet anwesend gewesen sei, woraus mit Bezugnahme auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (EvBl 1976/262) für den hier zu beurteilenden aktuellen Fall gefolgert wird, daß Verhaltensweisen, die sich schon aus den äußeren (unzulänglichen) Bedingungen des Amtsbetriebes wie etwa Arbeitsplatzbelassung (ersichtlich gemeint: Arbeitsbelastung) und dergleichen ergeben, nicht als Mißbrauch im Sinn des § 302 StGB beurteilt werden könnten.

Mit dieser Argumentation weichen die Beschwerdeführer indes erneut in unzulässiger Weise von den tatsächlichen Urteilsannahmen ab. Die Feststellung der Tatrichter, wonach die Angeklagten die unfallbeteiligten Soldaten vor den "Vollzugsansprüchen der Republik Österreich" schützen wollten, steht nämlich der von den Angeklagten vermißten (fallbezogen gar keinen entscheidenden Umstand berührenden) Konstatierung einer "Arbeitsüberlastung" als Grund für die objektive Pflichtverletzung schon deshalb entgegen, weil die Truppenverlegung zwar am 31.Juli 1989 erfolgte, aber die Angeklagten ihre pflichtwidrigen Unterlassungen nach den Urteilsfeststellungen nicht nur an diesem Tag, sondern auch "in der Zeit danach" (US 3) gesetzt haben.

Dem Einwand der Beschwerdeführer, eine Verletzung der im Punkt I. B Z 1 und 4 des zitierten Richtlinienerlasses könne ihnen gar nicht angelastet werden, weil sie nach den ausdrücklichen Urteilskonstatierungen (nur) Bataillons- bzw Kompaniekommandant, somit weder Kraftfahroffiziere noch Kraftfahrunteroffiziere gewesen seien, ist folgendes zu erwidern:

Abgesehen davon, daß der Angeklagte U***** (nach den seinen eigenen Angaben - S 278 unten und 412 oben - widerstreitenden, allerdings ungerügt gebliebenen Urteilsfeststellungen - US 5 unten) zur Tatzeit auch Kraftfahroffizier war, ist nach den zitierten Bestimmungen eine (heeresinterne) Unfallaufnahme durch den Kraftfahroffizier oder Kraftfahrunteroffizier nur dann durchzuführen, wenn (wie hier) eine behördliche Tatbestandsaufnahme nicht erfolgen konnte. Die Meldung, der der "Unfallbericht" des Kraftfahroffiziers oder Kraftfahrunteroffziers beizulegen ist, hat - entgegen der Beschwerdeansicht - laut Punkt IV. A. in Verbindung mit B. 1. und C .1. des zitierten Richtlinienerlasses grundsätzlich durch den Einheitskommandanten (U*****), dem auch die Prüfung der vorgelegten Unfallsmeldung hinsichtlich Durchführung der vorgeschriebenen Maßnahmen obliegt (D. 1. a des Richtlinienerlasses), auf dem Dienstweg zu erfolgen.

Dem (über das tatsächliche Unfallgeschehen informierten) Kommandanten des Heereskörpers (L*****) kam seinerseits die Prüfung der Unfallsmeldung auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu. Infolge unzureichender Durchführung aller angeordneten Maßnahmen hätte er im Rahmen der Dienstaufsicht einschreiten müssen (II. D 2. a).

Darüberhinaus schreiben die für alle Soldaten gültigen "Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer" (ADV) dem militärischen Vorgesetzten unter anderem vor, seine Untergebenen durch ständige Überwachung des Dienstbetriebes zur sachgerechten Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten und sie vor vermeidbarem Schaden zu bewahren (§ 4 Abs. 3 ADV). Stellt er Mängel oder Übelstände fest, so hat er unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung des vorschriftsmäßigen Zustandes zu treffen (§ 4 Abs. 6 ADV). Nach der besonderen Vorschrift des § 10 Abs. 5 ADV traf im vorliegenden Fall (zunächst) den Angeklagten U***** die Verpflichtung, den von ihm wahrgenommenen Sachverhalt zu erheben und wegen des Verdachtes eines Fremdverschuldens dem zuständigen Organ der Sicherheitsbehörde Anzeige zu erstatten.

Aber auch der Angeklagte L***** war als Vorgesetzter des pflicht- und vorschriftswidrig handelnden Einheitskommandanten U***** von sich aus im Sinne des § 4 Abs. 6 ADV zur Meldung des Verkehrsunfalles an die Sicherheitsbehörde, erforderlichenfalls auch zur Anordnung einer heeresinternen Unfallaufnahme durch den Kraftfahroffizier oder Kraftfahrunteroffizier und sodann zur Übermittlung des Erhebungsergebnisses an das Bundesministerium für Landesverteidigung verpflichtet.

Unabhängig davon hätte der Angeklagte L***** gemäß § 4 Abs. 1 und 3 HDG schon auf Grund seiner Funktion als Disziplinarvorgesetzter (vgl Schwabl/Chilf Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten MGA2 Anm 1 zu § 15 HDG) die Pflicht gehabt, bei gegebenem (ihm durch den Angeklagten U***** zur Kenntnis gelangten) Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft zu erstatten, welche Pflicht er aber nach Übereinkunft mit U***** bewußt mißachtete (vgl Anzeige S 11 ff).

Demnach nicht im Recht sind beide Angeklagte schließlich auch noch mit ihrer unter Hinweis auf Punkt II B 5 des obzitierten Richtlinienerlasses vertretenen Rechtsmeinung, daß Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft lediglich im Fall eines unbefugten Gebrauches von Heereskraftfahrzeugen zu erstatten wäre. Diese (nach ihrem Wortlaut offenbar der beschleunigten Durchführung von Disziplinarmaßnahmen dienende) Bestimmung verpflichtet lediglich den Einheitskommandanten zusätzlich (neben dem gemäß § 4 Abs. 1 und 3 HDG ohnehin zur Anzeige verpflichteten Bataillonskommandanten) zur Anzeige dieses gerichtlich strafbaren Verhaltens an die Staatsanwaltschaft. Keineswegs wird durch diese Bestimmung die den Bataillonskommandanten oder Einheitskommandanten sonst treffende Anzeige- oder Meldepflicht aufgehoben oder eingeschränkt.

Aus den dargelegten Gründen waren sohin die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über die Angeklagten nach §§ 302 Abs. 1, 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von jeweils 360 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von je 180 Tagen; gemäß § 43 a Abs. 1 (und rechtsirrig auch Abs. 2) StGB sah es bei beiden Angeklagten einen Teil der Geldstrafe von jeweils 240 Tagessätzen unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nach; die Höhe des einzelnen Tagessatzes setzte es beim Angeklagten L***** mit 500 S, beim Angeklagten U***** hingegen mit 200 S fest.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht keinen Umstand als erschwerend; als mildernd fielen demgegenüber der ordentliche Lebenswandel der Angeklagten, deren Tatsachengeständnis und der Umstand, daß sie die Taten aus bloß falsch verstandenem Kameradschaftssinn und nicht zur Lukrierung eines persönlichen Vorteils verübten, ins Gewicht.

Den gegen diesen Strafausspruch ergriffenen Berufungen, mit denen beide Angeklagte einerseits die schuldangemessene Herabsetzung der Geldstrafen anstreben und sich andererseits gegen die verweigerte gänzliche bedingte Strafnachsicht wenden, kommt (im Ergebnis) keine Berechtigung zu.

Die von den Berufungswerbern zu ihren Gunsten ins Treffen geführten weiteren Umstände, sie hätten sich "in einer äußerst kritischen Phase, nämlich der Verlegung von Einheiten in einem(n) Übungsraum befunden, somit sei eine besondere Belastung ihrerseits vorgelegen", ferner es seien "Maßnahmen zur Einleitung der Bearbeitung (Besondere Vorfallsmeldung) getroffen worden" und "von den vorgesetzten Behörden bzw Kommanden sei keinerlei Reaktion erfolgt", vermögen nach den getroffenen Urteilsfeststellungen in Verbindung mit den Ausführungen in der Rechtsmittelentscheidung weder im einzelnen noch in ihrer Gesamtheit einen zusätzlichen Milderungsgrund abzugeben. Angesichts der vollständig herangezogenen tatrichterlichen Strafzumessungsgründe und der aktuellen Strafdrohung des § 302 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung gemäß § 32 StGB ist die ohnehin gemäß § 37 Abs. 1 StGB an Stelle der angedrohten Freiheitsstrafe verhängte Geldstrafe von 360 Tagessätzen nicht überhöht.

Die Höhe der einzelnen Tagessätze blieb unbekämpft; sie wurde im übrigen nach den hiefür maßgeblichen Kriterien auch nicht zum Nachteil der Berufungswerber bemessen.

Als verfehlt rügen die Berufungen zwar zu Recht die Begründung des Erstgerichtes für die Verweigerung der gänzlichen bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB, im Ergebnis ist aber auch diese Entscheidung sachgerecht. Denn dem zur Gänze in Schwebe bleibenden Vollzug der Geldstrafen fehlt im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller die Person der Angeklagten betreffenden Umstände und des nicht unbedeutenden Grades ihrer Schuld sowohl die vom Gesetz geforderte Effektivität als auch die notwendige spezial- und generalpräventive Wirkung.

Daher konnte auch den Berufungen der Angeklagten kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte