OGH 14Os144/08w

OGH14Os144/08w16.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Trebuch als Schriftführer in der Strafsache gegen Markus P***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft sowie des Angeklagten Markus P***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. März 2008, GZ 071 Hv 198/07t-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Markus P***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch des Angeklagten Paul H***** enthaltenden Urteil wurde Markus P***** des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Demnach hat er zwischen 4. Dezember und Mitte Dezember 2005 mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verena B***** durch die Behauptung, er benötige für die Ermittlung ihrer anwaltlichen Vertretung und die Einleitung der für ihre Verteidigung nötigen Schritte Geld, zur Herausgabe von 3.200 EUR verleitet, wodurch sie in einem 3.000 EUR übersteigenden Betrag geschädigt wurde.

Hingegen wurde der Angeklagte Markus P***** vom Vorwurf, in Wien von 1. Dezember 2005 bis 11. Dezember 2005 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Paul H***** als Mittäter mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verena B***** durch die Behauptung, sie hätten es aufgrund ihrer guten Beziehungen zu den Spitzen der Justiz, der Politik und der Polizei in der Hand, eine Involvierung ihrer Person in den „A*****-Skandal" und ihre anstehende Verhaftung durch die Polizei zu verhindern, sowie, dass lediglich eine weitere Vertretung durch sie beide ihren Ehegatten, Mag. Dietmar B*****, vor weiterem Schaden bewahren würde, zur Übergabe von Bargeld in Höhe von zumindest 300.000 EUR zu verleiten versucht und sie um diesen Betrag zu schädigen beabsichtigt zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die aus den Gründen der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus P*****. Den Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Beiden Rechtsmitteln kommt Berechtigung nicht zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus P*****:

Seine Verfahrensrüge (Z 4) gründet der Angeklagte auf die Abweisung seines Antrags auf Einvernahme der Zeugen Manfred, Marianne und Harald P***** zum Beweis dafür, dass er am 11. Dezember 2005 zwischen 13:00 und 15:00 Uhr nicht in Gießhübl, sondern zum Zweck einer Wohnungsrenovierung in *****, aufhältig war (S 469, 489 f). Entgegen dem Beschwerdestandpunkt konnten diese Beweisaufnahmen jedoch ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterbleiben, weil die (Belastungs-)Zeugin Verena B***** den Tattag nicht exakt anzugeben vermochte, sodass dieses Beweisthema zur Alibibeweisführung von vornherein ungeeignet war.

Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat hinwieder aufgrund des im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Der Mängelrüge zuwider handelt es sich bei der tatrichterlichen Begründung, die subjektive Tatseite lasse sich aus dem äußeren Tatgeschehen ableiten (US 24), keineswegs um eine Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall); vielmehr ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zu Grunde liegendes Wollen und Wissen rechtsstaatlich durchaus vertretbar, ja bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ist dann gegeben, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche zwischen den Aussagen vernommener Personen nicht würdigt, seinen Feststellungen widerstreitende Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus welchen es die Beweise nicht für stichhaltig erachtet. Mit spekulativen Geschehensabläufen, die jeder Beweisgrundlage entbehren, haben sich die Tatrichter jedoch nicht auseinander zu setzen.

Da der Angeklagte in Abrede stellte, von Verena B***** den Betrag von

3.200 EUR überhaupt erhalten zu haben, konnte - der Beschwerdeintention zuwider - die Erörterung der Frage, ob er diesen Betrag als ihm zustehendes Entgelt für vorgeblich erbrachte Dienstleistungen angesehen habe, sanktionslos unterbleiben. Gleichfalls ins Leere geht die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die bezüglich des behaupteten Anspruchs des Angeklagten auf Entgelt für erbrachte Leistungen einen Feststellungsmangel moniert.

Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines Feststellungsmangels erfordert nämlich die auf Basis des Urteilssachverhalts vorzunehmende Argumentation, dass sich aus einem nicht durch Feststellungen geklärten, aber durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweise indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz ergebe, weil das Gericht ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600).

Diesen Anforderungen wird die Rüge aber nicht gerecht, beschränkt sie sich doch - im Übrigen neuerlich nicht auf Basis von relevanten Beweisergebnissen, sondern nur mit rein spekulativen Erwägungen - darauf, anstelle tatsächlich getroffener Feststellungen zur subjektiven Tatseite andere, für den Angeklagten günstigere Konstatierungen einzufordern.

Schließlich scheitert die Beschwerde auch daran, dass sie nicht darzulegen vermag, weshalb die Feststellung, der Angeklagte habe einen Vermögensschaden der Zeugin Verena B***** „billigend in Kauf" genommen, dem Tatbestandserfordernis des Schädigungsvorsatzes nicht genügen sollte (vgl US 10, demgemäß der Beschwerdeführer nie vorhatte, das Geld für die zugesagten Leistungen zu verwenden; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Das Erstgericht vermochte Feststellungen zu einem Handeln mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz hinsichtlich der versuchten Herauslockung von 300.000 EUR nicht zu treffen (US 9). Im Rahmen der Beweiswürdigung attestierten die Tatrichter dem rechtskräftig freigesprochenen Angeklagten H***** mangelndes finanzielles Interesse; sie gingen zudem - ersichtlich in Bezug auf Mag. Markus B***** - davon aus, dass die Einschätzung eines Verteidigungskostenaufwands von zumindest 300.000 EUR in einem Großverfahren durchaus realistisch erfolgte und brachten in Anschlag, dass nach den Angaben der Zeugin Verena B***** zwar keine Aussagen zur Höhe und zur Art der Zahlung („Anzahlung/Provisionszahlung; an wen") getroffen worden seien, aber - jedwede - Zahlung erst nach Vermittlung eines Rechtsanwalts hätte erfolgen sollen. Insofern kamen sie zu dem Schluss, dass die von Markus P***** mitgetragenen Äußerungen des Angeklagten Paul H***** - unbeschadet des Umstands, dass Ersterer hoffte, Verena B***** werde das Angebot des Paul H***** annehmen und Geld aus den „A*****-Millionen" zur Verfügung stellen, sodass er einen Teil hievon ohne Gegenleistung für sich behalten könne - im Zusammenhalt mit den getroffenen Absprachen „keine Täuschungshandlungen" darstellten, weshalb auch dem Angeklagten Markus P***** kein strafbares Verhalten anzulasten sei (US 20, 21). Die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) behauptet einen Widerspruch zu den mit dem Schuldspruch des Markus P***** im Zusammenhang stehenden Urteilsausführungen, wonach dieser Angeklagte, nachdem er erkannt habe, dass die Vermittlung einer anwaltlichen Vertretung für ihren Gatten mangels Finanzierbarkeit kein Thema mehr war, Verena B***** einen Verteidiger für ihre Person einzureden versucht habe, weil er davon ausgegangen sei, dass sie zumindest einen Teilbetrag der geschätzten Kosten von 20.000 EUR aufbringen werde können (US 21). Sie schlägt jedoch fehl, weil es ihr durch die Betonung der vom Erstgericht konstatierten schlechten finanziellen Situation des Angeklagten Markus P***** nicht gelingt darzulegen, inwiefern die Verneinung von Täuschungs- und Schädigungsvorsatz in Ansehung des auf den Betrag von zumindest 300.000 EUR für die Verteidigung des Mag. Dietmar B***** bezogenen Anklagevorwurfs neben der festgestellten Schuld des Angeklagten Markus P***** betreffend den vorgeblich auf die Kosten der Verteidigung von Verena B***** bezogenen Betrags nach den Gesetzen folgerichtigen Denkens nicht bestehen könne, zumal der Angeklagte P***** wahrheitswidrig behauptet hatte, eine Anklageerhebung gegen Verena B***** stehe unmittelbar bevor, wogegen Mag. Dietmar B***** tatsächlich bereits strafgerichtlich gesucht wurde.

Soweit sich das Beschwerdevorbringen auf einen - nach Ansicht der Anklagebehörde vom Angeklagten Markus P***** angestrebten, über den letztlich lukrierten Betrag von 3.200 EUR hinausgehenden - Schadensbetrag von 20.000 EUR für die tatsächlich nicht beabsichtigte Organisation der Verteidigung von Verena B***** bezieht, spricht es keine entscheidende, nämlich für die Subsumtion unter ein Strafgesetz oder den anzuwendenden Strafsatz bedeutsame Tatsache an, weil es die Wertgrenze des § 147 Abs 2 StGB nicht berührt.

Die Rüge bleibt aber auch insoweit erfolglos, als sie die erstrichterliche Begründung für die bereits zitierte Negativfeststellung zum „Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz" betreffend einen Betrag von 300.000 EUR (nämlich für potentielle Verteidigungskosten des Mag. Dietmar B*****) als Scheinbegründung bezeichnet. Mit der substratlosen Kritik an der tatrichterlichen Schlussfolgerung, wonach diesbezüglich mangels entsprechender „Täuschungshandlungen" des - im Gespräch mit Verena B***** federführenden - Angeklagten Paul H***** auch eine Strafbarkeit des Angeklagten Markus P***** ausscheide, lässt sie nämlich die Gesamtheit der zu dieser Konsequenz führenden, eingangs hier bereits wiedergegebenen Erwägungen der Tatrichter außer Acht und beschränkt sich solcherart auf eine im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung. Indem die Beschwerdeführerin in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) darauf abzielt, die von den Tatrichtern getroffene Negativfeststellung zum Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz in Ansehung eines Betrages von 300.000 EUR durch eine diese Tatbestandselemente bejahende Konstatierung zu ersetzen, verabsäumt sie die gebotene Orientierung am Urteilssachverhalt. Ein Feststellungsmangel (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 611) wird durch dieses Beschwerdevorbringen nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung gebracht. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob es sich - wie von der Staatsanwaltschaft eingewendet - bei den vom Schuld- und Freispruch erfassten Sachverhalten um ein einheitliches Tatgeschehen gehandelt hat, was den förmlichen Freispruch entbehrlich gemacht hätte, oder ob das in Ansehung des Betrags von 3.200 EUR schließlich erfolgreiche betrügerische Vorgehen des Angeklagten Markus P***** zwar in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zu den primär von Paul H***** mit Verena B***** geführten Gesprächen stand, jedoch auf einem gesonderten Tatentschluss beruhte.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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