OGH 14Os143/94

OGH14Os143/9411.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Oktober 1994 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf P***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems/D als Schöffengericht vom 9.Juni 1994, GZ 13 Vr 694/92-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt I/13 und 23 des Urteilssatzes und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf P***** (I) des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und (II) des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt und zu achtzehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Darnach hat er

I. in Wien, St.Pölten, Krems/D und anderen Orten in der Zeit vom 30. Oktober 1984 bis 27.Juli 1992 mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung gewerbsmäßig in insgesamt 29 Fällen die im Urteilsspruch näher bezeichneten Geschädigten durch Täuschung über Tatsachen, indem er unter Verschweigung seines hohen Schuldenstandes fälschlich seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit als Kunde bzw Kreditnehmer behauptete, zu Handlungen verleitet, die diese am Vermögen um insgesamt rund 1,6 Mio S schädigten;

II. in der Zeit von Anfang 1981 bis Anfang 1985 in Herzogenburg in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung seiner Gläubiger vereitelt, indem er neue Schulden, unter anderem bei der Bank A***** und der R*****bank A***** einging und alte Schulden zahlte.

Nur den Schuldspruch zu I bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO, den Strafausspruch fechten er und die Staatsanwaltschaft mit Berufung an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht begründet.

Durch die Abweisung seines Antrages auf Vernehmung des Mag.S***** als Zeugen zum Beweis dafür, "daß größtenteils Zahlungen geleistet wurden und der Angeklagte durch fehlerhafte Ratschläge seines Steuerberaters Hannes L***** sehr hohe Verluste erlitten hat" (S 310/II), wurden Verteidigungsrechte (Z 4) des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt.

Die von einzelnen Geschädigten bekanntgegebenen Teilzahlungen (ON 5/I), die vom Angeklagten der Höhe nach nicht bestritten wurden, sind im Urteil ohnehin berücksichtigt (US 15 f). Selbst bei Richtigkeit seiner Verantwortung (S 297 f/II), mittlerweile in Einzelfällen weitere (Teil-)Zahlungen geleistet zu haben, wäre dies für die Lösung der Schuldfrage ohne Relevanz, da diese lange nach Eingehen der Verpflichtungen und Einleitung exekutiver Maßnahmen erbrachten Leistungen lediglich als strafmildernde teilweise Schadensgutmachung zu beurteilen wären.

Darüber hinaus fehlt dem Beweisantrag die zur Überprüfung seiner Berechtigung nach Lage des Falles erforderliche Konkretisierung, weil er nicht erkennen läßt, inwieweit die angeblich auf wirtschaftliche Fehlberatung seines (für ihn seit Mitte 1990 tätigen - ON 33/II) Steuerberaters Hannes L***** zurückzuführenden Verluste geeignet sein sollten, den ihm durchgehend ab Oktober 1984 angelasteten Betrugsvorsatz in Frage zu stellen und aus welchen Gründen der beantragte (den Angeklagten erst seit April 1993 als Steuerberater vertretende) Zeuge zu dieser Frage überhaupt Wahrnehmungen machen konnte.

Auch die Mängelrüge (Z 5) versagt.

Die Verantwortung des Angeklagten, mit dem von ihm betriebenen Unternehmen im Jahr 1992 einen Gewinn erzielt zu haben, aus dem er die vom Schuldspruch zu I erfaßten Verbindlichkeiten abzudecken beabsichtigte (S 305/II), konnte allein deshalb unerörtert bleiben, weil sie der Annahme seines Betrugsvorsatzes im - allein maßgeblichen - Zeitpunkt der Schuldeneingehung nicht entgegensteht, zumal das Zahlungsvorhaben nicht realisiert wurde.

Daß der Beschwerdeführer trotz eines durchschnittlichen Einkommens von 15.000 S monatlich seit dem Jahr 1980 nicht einmal mehr versucht hat, seine Zahlungsunfähigkeit zu beheben (US 7), stellt keinen inneren Widerspruch dar, hat doch das Schöffengericht ausdrücklich auch seine Bereitschaft zur Schuldentilgung aus diesem Einkommen verneint (US 11 und 12).

Schließlich geht auch der Einwand mangelhafter Begründung der subjektiven Tatseite fehl.

Das Erstgericht stützt sich dabei im wesentlichen auf die - vom Beschwerdeführer gar nicht bestrittene - kontinuierliche Ausweitung seiner Überschuldung (von 2 Mio S im Jahr 1987 auf 8 Mio S im Jahr 1994), die zahlreichen, während des gesamten Tatzeitraumes gegen ihn geführten Exekutionsverfahren, die Diskrepanz zwischen seinem Einkommen und der Höhe der eingegangenen Verbindlichkeiten, das nahezu gänzliche Ausbleiben von Rückzahlungen trotz Klage und Exekution in Verbindung mit dem häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes jeweils nach Einsetzen von Lohnpfändungen und auf die deshalb vom Angeklagten bereits im Jahr 1985 veranlaßte Einverleibung eines wechselseitigen Veräußerungs- und Belastungsverbotes betreffend eine im ehelichen Miteigentum stehende Liegenschaft (US 8, 11, 14 und 22 f). Darauf konnte es zu Recht die Annahme des alle Tatbestandsmerkmale des Betruges, somit auch die Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit umfassenden, auf die Herbeiführung eines 500.000 S übersteigenden Schadens gerichteten Vorsatzes gründen, ohne diese einzelnen Vorsatzkomponenten im Sinne des Gebotes gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) noch zusätzlich erörtern zu müssen.

Im Gegensatz zum weiteren Beschwerdevorbringen ist auch die Annahme gewerbsmäßiger Begehung nicht unbegründet geblieben, hat sich der Schöffensenat in diesem Zusammenhang doch ausdrücklich auf die der Deckung seines Lebensbedarfes dienende systematische Schädigung seiner Gläubiger durch kontinuierliches Eingehen neuer Verbindlichkeiten bei fehlender Bereitschaft, auch nur Einkommensteile zur Schuldenstilgung zu verwenden, berufen (US 12, 23, 24).

Daß die Geschäftspartner des Angeklagten bei Offenlegung seiner finanziellen Situation keine Leistungen erbracht hätten (US 24), ist evident, weshalb der Einwand, das Erstgericht wäre zur näheren Darlegung des Kausalzusammenhanges zwischen Täuschung und schädigender Vermögensverfügung verpflichtet gewesen, ins Leere geht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO).

Anzumerken ist noch, daß bei Berechnung des strafrechtlich relevanten Vermögensschadens in den Urteilsfakten I/6, 28 und 29 der Verkehrswert der jeweils im Vorbehaltseigentum der Geschädigten stehenden Fahrzeuge ebenso wie Zinsen und Kosten in Abzug zu bringen gewesen wären (Leukauf-Steininger Komm3 § 147 RN 33 und 43; SSt 50/37; JBl 1976, 601). Da im konkreten Fall jedoch die Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB davon nicht betroffen ist, kann dieser Bewertungsfehler auf sich beruhen.

Darüberhinaus ist aber dem Erstgericht zum Nachteil des Angeklagten insoweit ein Subsumtionsfehler (Z 10) unterlaufen, als es auch den Sachverhalt in den Urteilsfakten I/13 und 23 als Betrug qualifizierte. In diesen Fällen liegt dem Beschwerdeführer zur Last, am 6.August 1991 sowie am 10.März, 12.Juni und 27.Juli 1992 Organe der E***** Versicherungsgesellschaft durch die im Urteilsspruch näher beschriebenen Täuschungshandlungen zur Übernahme von Kfz-Versicherungen verleitet und infolge Nichtzahlung der Prämien um 17.524 S (Faktum 13) bzw 31.030 S (Faktum 23) geschädigt zu haben (US 3, 4, 17 und 19). Anhaltspunkte dafür, daß aus diesen Versicherungsverträgen eine Versicherungsleistung erbracht wurde oder auf Grund eines Schadensereignisses konkret erbracht werden sollte, finden sich jedoch weder im Urteil noch im Akt (S 411 f, 481 f/I).

Erst dann könnte aber von einem strafrechtlich relevanten Vermögensschaden der Versicherung im Sinne eines effektiven Verlustes an Vermögenssubstanz gesprochen werden, während die bloße Übernahme des Versicherungsrisikos - mag sie auch durch Täuschung über Tatsachen veranlaßt worden sein - noch zu keiner das Vermögen der Versicherung unmittelbar verringernden Verfügung durch deren Organe führen kann (11 Os 70/87; vgl auch Kienapfel BT II3 § 146 RN 153, 154; Liebscher in WK § 146 Rz 21). In bezug auf einen Versicherungsbetrug läge insoweit nur eine straflose Vorbereitungshandlung vor.

Diesen Subsumtionsfehler hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht, weshalb er von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 StPO).

Nach der Aktenlage könnte die vom Angeklagten durch Abschluß des Versicherungsvertrages eingegangene zivilrechtliche Verbindlichkeit, die er mangels Prämienzahlung nicht eingehalten hat, allerdings als Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB strafbar sein. Entsprechende Urteilsfeststellungen, die angesichts des bereits mit Anfang 1985 endenden Deliktszeitraumes im Schuldspruch laut Punkt II des Urteilssatzes unerläßlich sind, fehlen jedoch, weshalb sich insoweit eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz als unumgänglich erweist (§ 285 e StPO).

Mit der auch den Strafausspruch umfassenden teilweisen Urteilsaufhebung sind die beiderseitigen Berufungen gegenstandslos.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

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