Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten und die Berufung des Angeklagten Hasan T***** werden zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Rafet A***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet. Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch des Hasan T***** enthält, wurden Rafet A***** des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (I/1) sowie der Vergehen des versuchten schweren Betrugs nach § 15, 146, 147 Abs 2 StGB (I/2) und des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB (I/3), Hasan T***** des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.
Danach haben in Salzburg
I. Rafet A*****
1. zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 13. Juli 2005 Hasan T***** durch die Aufforderung in seinem Lebensmittelgeschäft einen Brand zu legen, zu der unter II. beschriebenen Tat bestimmt, wobei es hinsichtlich der Tatausführung beim Versuch geblieben ist;
2. am 13. Juli 2005 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Angestellte der W***** AG durch Erstattung einer schriftlichen Schadensanzeige im Zusammenhang mit der unter II. beschriebenen versuchten Brandstiftung unter Verschweigung des Umstandes, dass er selbst Auftraggeber der Brandlegung war (US 7), mithin durch Täuschung über Tatsachen, zur Auszahlung eines Versicherungsbetrags in unbekannter, jedenfalls aber 3.000 Euro übersteigender Höhe, sohin zu einer Handlung zu verleiten versucht, welche das Unternehmen in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigen sollte;
3. in der Zeit von Dezember 2004 bis Jänner 2006 als Dienstgeber Beiträge eines oder mehrerer Dienstnehmer zur Sozialversicherung von insgesamt 5.568,89 Euro der Salzburger Gebietskrankenkasse als berechtigtem Versicherungsträger vorenthalten;
II. Hasan T***** am 13. Juli 2005 in dem von Rafet A***** gepachteten Lebensmittelgeschäft in der E*****straße ***** ohne Einwilligung der Liegenschaftseigentümerin D***** GmbH durch Ausschütten und Entzünden von Benzin eine Feuersbrunst zu verursachen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Aus dem ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll ergibt sich, dass der Angeklagte Hasan T***** nach Verkündung des Urteils und Rechtsmittelbelehrung durch den Vorsitzenden sowie nach Besprechung mit seinem Verteidiger zunächst auf Rechtsmittel verzichtete, unmittelbar darauf aber - nach neuerlicher Rücksprache mit dem Verteidiger - erklärte, „sich drei Tage Bedenkzeit zu nehmen" (S 512).
Innerhalb der in §§ 284 Abs 1, 294 Abs 1 StPO vorgesehenen (dreitägigen) Frist meldete Hasan T***** durch seinen ausgewiesenen Verteidiger gegen das Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 69).
Ein nach Urteilsverkündung in Anwesenheit des Verteidigers von einem prozessfähigen (zum Begriff: 14 Os 17/03 = SSt 2003/10 = EvBl 2003/126) Angeklagten erklärter Rechtsmittelverzicht ist indes unwiderruflich, dessen Motiv ohne Bedeutung.
Steht der Rechtsmittelverzicht im Gegensatz zu der im unmittelbaren Anschluss daran vom Angeklagten oder - mit seiner Zustimmung - durch den Verteidiger abgegebenen Erklärung oder der Anmeldung eines Rechtsmittels, ist er nur dann unbeachtlich, wenn dem Angeklagten eine Rechtsmittelerklärung abgefordert wurde, bevor er sich mit seinem Verteidiger beraten konnte oder der Verzicht infolge verfehlter Rechtsmittelbelehrung oder vor dieser spontan erfolgte. Ansonsten aber kann trotz notwendiger Verteidigung eine gegenteilige Mitteilung des Angeklagten oder des Verteidigers an der Wirksamkeit der vom Angeklagten abgegebenen Erklärung über Verzicht oder Zurückziehung eines angemeldeten Rechtsmittels nichts ändern (vgl zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 284 Rz 8 f).
Die vom Verteidiger namens des Angeklagten angemeldeten - mangels Urteilszustellung nicht ausgeführten - Rechtsmittel waren daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 Z 1, 285a Z 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO, Ratz, WK-StPO § 280 Rz 3). Damit richtet sich gegen das Urteil allein die aus dem Grunde der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Rafet A*****, die sich inhaltlich gegen die Schuldsprüche I.1. und 2. wendet. Sie verfehlt ihr Ziel.
Die Verfahrensrüge (Z 4), mit welcher die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 7. Mai 2007 (ON 59) gestellten Antrags auf Einvernahme des Yilderim A***** (Vater des Angeklagten) „zur Frage der Anmeldung, und zwar ob eine Anmeldung und mit welchen Daten für den Herrn T***** bei der Gebietskrankenkasse vorgenommen wurde" (S 475), thematisiert wird, scheitert schon am Erfordernis der Antragstellung in der - wenn auch nicht ausdrücklich (S 491 ff; vgl dazu Danek, WK-StPO § 276a Rz 3) - nach § 276a StPO am 10. Juli 2007 (ON 64) wiederholten und am 21. August 2007 fortgesetzten Hauptverhandlung (ON 66). Als Hauptverhandlung gilt nämlich nur diejenige, die der Urteilsfällung unmittelbar vorangeht, mag auch an verschiedenen Tagen verhandelt worden sein (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310; Danek, WK-StPO § 276a Rz 10).
Dass das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 7. Mai 2007 in jener vom 21. August 2007 verlesen wurde, ändert übrigens nichts an der fehlenden Berechtigung zur Erhebung der Verfahrensrüge (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 313; 14 Os 67/05t).
Davon abgesehen zielte der Antrag schon nach dem Antragsvorbringen - im Stadium der Hauptverhandlung unzulässig - auf bloße Erkundungsbeweisführung ab und betraf (für die Schuldsprüche I./1 und 2.) keine erhebliche Tatsache.
Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen aber hat aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren geltenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Rafet A***** (§ 285i).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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