Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard B***** des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall (A), zweier Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (B) und des Vergehens des Landfriedensbruchs nach § 274 Abs 1 StGB (C) schuldig erkannt.
Danach hat er am 30. Juni in Kapfenberg
A. Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich „der Beendigung eines Tumults nach dem Fußballspiel zwischen SK-R***** und D*****", zu hindern versucht, indem er Steine gegen Insp. Elisabeth S***** und Pflastersteine gegen Rev. Insp. Anita S***** warf;
B. durch diese Tathandlungen Beamte während der Vollziehung ihrer Aufgaben vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
1. Insp. Elisabeth S*****, die multiple Hämatome im Bereich des rechten und linken Oberschenkels, am linken Oberarm und am Schlüsselbein linksseitig und
2. Rev. Insp. Anita S*****, die ein Hämatom und eine Prellung der linken Hüfte davontrug;
C. wissentlich an einer Zusammenrottung einer Menschenmenge teilgenommen, die darauf abzielte, dass unter ihrem Einfluss Körperverletzungen (§§ 83 f StGB) begangen werden, wobei es zu solchen Gewalttaten gekommen ist, indem er Pflastersteine gegen Polizeibeamte warf.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 4, 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf „neuerliche zeugenschaftliche Einvernahme der Zeugin S***** unter Vorhalt der Angaben des Zeugen S***** zum Beweis dafür, dass nicht der Angeklagte die Steine geworfen hat, sondern der Zeuge S*****, wie aus dessen Aussage nunmehr hervorgekommen ist, insbesondere, da diese Zeugin in ihrer Polizeiaussage am 1. Juli 2007 ausdrücklich den Steinewerfer als einen solchen mit nacktem Oberkörper bezeichnet hat" (S 515/III), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (S 517/III). Der Zeuge Helmut S***** hatte in der Hauptverhandlung vom 27. Mai 2008 unter Wiederholung seiner geständigen Einlassung als Angeklagter (die zu seiner Verurteilung wegen § 274 Abs 1 und Abs 2 StGB und §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB geführt hatte [S 606 ff/III]) angegeben, seines Wissens nur Rev. Insp. Oliver P***** durch Steinwürfe verletzt zu haben, jedoch die Möglichkeit, „weitere Beamte" mit Steinen getroffen zu haben, eingeräumt, ferner angegeben, „mit und ohne Leibchen Steine geworfen" zu haben und seiner subjektiven Einschätzung Ausdruck verliehen, mit dem Angeklagten verwechselt worden zu sein (S 497 ff/III). Demzufolge erweist sich schon die Antragsprämisse, aus dieser Aussage ginge hervor, dass dieser Zeuge und nicht der Angeklagte „die Steine geworfen hat", als nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon ließ der Beweisantrag aber nicht erkennen, aus welchem Grund die beantragte Zeugin, die den Beschwerdeführer nicht nur anlässlich seiner Festnahme unmittelbar nach dem Vorfall als ihren Angreifer erkannt hatte (S 105 f/II), sondern ihn auch bei der Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung vom 17. September 2007 (vor allem aufgrund seiner auffälligen Tätowierungen an den Unterarmen) „100 %ig" identifizieren konnte und über Vorhalt dessen Verantwortung, während des Tumults stets ein Leibchen getragen zu haben, bei ihrer Aussage blieb (S 306 ff/III), von ihren - gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO einverständlich verlesenen (S 497/III) - Angaben (S 240 bis 252/III) abweichen sollte. Er zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab.
Gleiches gilt für das auf zeugenschaftliche Vernehmung von neun namentlich genannten Personen gerichtete Begehren zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt am 30. Juni 2007 Steine geworfen hat, sowie die Beischaffung der Akten 11 Hv 18/08p zur Ersichtlichmachung der ladungsfähigen Anschriften der Zeugen" (S 519/III). Selbst unter der Prämisse, dass diese Personen - neben hunderten anderen (US 6) - während des Vorfalls am Tatort anwesend waren (wovon ersichtlich auch das Erstgericht ausging, S 519/III), ist dem Antrag nämlich nicht zu entnehmen, aufgrund welcher konkreten Wahrnehmungslage die gewünschte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f). Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.
Der Einwand der Mängelrüge (Z 5), die angefochtene Entscheidung sei hinsichtlich der die Menschenmenge bildenden Personenanzahl undeutlich (Z 5 erster Fall) trifft nicht zu. Das Erstgericht stellte nämlich insoweit ausdrücklich fest, dass an den „direkten Angriffen" zwischen 100 und 150 Personen teilnahmen (US 8). Im Hinblick darauf, dass nach insoweit einhelliger Lehre und Judikatur 100 Personen jedenfalls eine Menschenmenge iS des § 274 Abs 1 StGB darstellen (RIS-Justiz RS0123818; Oshidari/Althuber, SbgK § 274 Rz 8), sind die angeführten Konstatierungen bezüglich des angesprochenen Tatbestandsmerkmals somit hinreichend deutlich.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht mit ihrer Behauptung, das Urteil enthalte keine Feststellungen darüber, „ob die konkret ob es sich bei der Ansammlung der Personen, bei welcher sich der Angeklagte befand, tatsächlich um eine Menschenmenge iS des § 274 Abs 1 StGB gehandelt hat", just jene in der Mängelrüge zu Unrecht als undeutlich kritisierten Konstatierungen und verfehlt damit den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt. Soweit sie in diesem Zusammenhang unter Zitierung einer Kommentarstelle (Plöchl in WK² § 274 Rz 3) der Sache nach Feststellungen dazu vermisst, von welchen Erwägungen das Gericht bei Lösung der diesbezüglichen Rechtsfrage ausging, macht sie einen der in § 281 Abs 1 StPO taxativ aufgezählten Nichtigkeitsgründe gar nicht geltend (RIS-Justiz RS0098676). Im Übrigen ist sie auf die ohnedies vorhandenen entsprechenden Urteilsausführungen (US 16) zu verweisen.
Mit der Kritik an den Feststellungen zur inneren Tatseite in Betreff des Schuldspruchs C (Z 9 lit a) übersieht der Beschwerdeführer, dass die als unzureichend gerügte Verwendung der verba legalia nur im Fall eines - hier nicht gegebenen (vgl US 6-8) - Fehlens des Sachverhaltsbezugs einen Rechtsfehler mangels Feststellungen begründet (RIS-Justiz RS0119090; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8). Welche über die getroffenen (US 8) hinausgehenden Konstatierungen im konkreten Fall geboten gewesen wären, lässt die Beschwerde zudem nicht erkennen.
Auch die - unter isolierter Berufung auf § 3 TilgG argumentierende - Sanktionsrüge, mit der die Tilgung der letzten Verurteilung des Beschwerdeführers vom 5. März 2001 durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer bedingt (und mittlerweile endgültig) nachgesehenen dreimonatigen Freiheitsstrafe und damit die Unrichtigkeit der Annahme des Erschwerungsgrundes sieben einschlägiger Vorverurteilungen reklamiert wird (Z 11 zweiter Fall), versagt. Der Beschwerdeführer übergeht, dass er nach seiner ersten Abstrafung im Jahr 1986 weitere fünf Male rechtskräftig zu jeweils einen Monat übersteigenden Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt wurde, bevor die jeweils davor erfolgten Verurteilungen getilgt waren (US 5, ON 167). Damit aber wäre die gesetzliche Tilgung erst nach der (nach § 4 Abs 2 TilgG jedenfalls um fünf Jahre) verlängerten Tilgungsfrist, frühestens daher mit 5. März 2011, möglich. Entgegen der Beschwerdeauffassung ist dem Erstgericht daher bei Annahme des in Rede stehenden Erschwerungsgrundes kein Fehler bei der Beurteilung für die Strafbemessung maßgebender entscheidender Tatsachen unterlaufen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe und auf Erteilung einer Weisung (§§ 50, 51 StGB), die zwar gesetzwidrig, aber sanktionslos in die Urteilsausfertigung aufgenommen wurden (vgl hiezu Schroll in WK² § 50 Rz 16; RIS-Justiz RS0101841), kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter SatzStPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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