OGH 14Os130/06h

OGH14Os130/06h30.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Jänner 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kikinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Thomas P***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Thomas P***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 23. März 2006, GZ 31 Hv 246/05t-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen Punkt 1 und 2, ferner im Strafausspruch sowie im Zuspruch an die Privatbeteiligte Marina T***** aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auch einen Freispruch eines anderen Angeklagten enthaltenden angefochtenen Urteil wurde Thomas P***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (1) sowie der Vergehen der versuchten Veruntreuung nach §§ 15, 133 Abs 1 StGB (2) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt.

Danach hat er „in Saalbach

1. als Beamter der Polizeiinspektion Saalbach (vormals Gendarmeriepostenkommando Saalbach) als vorgesetzter Postenkommandant am 27. Juni 2004 mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Einhaltung eines vorgeschriebenen Verfahrens sowie Marina T***** in ihrem konkreten Recht auf vorbeugenden Schutz vor einem gefährlichen Angriff nach Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes (§ 38a) sowie der StPO zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtgeschäfte vorzunehmen, dadurch, dass er gegen Boro T***** wegen einer versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung (Würgen) zum Nachteil der Marina T***** nach gewaltsamem Eindringen in deren Wohnung trotz wiederholter einschlägiger Vorfälle und Bedrohungsdelikte ab 2003 weder ein Betretungsverbot aussprach noch bei den zuständigen Behörden einen Antrag auf Festnahme wegen Tatbegehungs- und Ausführungsgefahr erwirkte, wissentlich missbraucht,

2. am 10. Dezember 2004 als Postenkommandant des Gendarmeripostenkommandos Saalbach ein ihm anvertrautes Gut Dritten mit dem Vorsatz zuzueignen versucht, diese dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er beim Landesgendarmerikommando für Salzburg mittels eines von Gabriele E***** blanko unterschriebenen Formulars die Kosten für die Reinigung von Unterkunftswäsche (Stores und Seitenteile) in Höhe von 275,43 Euro anforderte und dabei vor hatte, von diesem Betrag nur 170 Euro an Gabriele E***** auszufolgen und den Differenzbetrag der Gemeinschaftskasse des Gendarmeriekommendos Saalbach abzuführen, sowie

3. im Dezember 2003 den Abteilungsinspektor des GP Saalbach (nunmehr Polizeiinspektion) Richard H***** durch die wörtliche Äußerung, ‚Wenn du nicht freiwillig in Pension gehst, werde ich im Ministerium deine Zwangspensionierung veranlassen!', gefährlich zumindest mit einer Verletzung an der Ehre und am Vermögen bedroht, um diesen in Furcht und Unruhe zu versetzen."

Die dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) reklamiert zunächst, dass zum Schuldspruch wegen Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) keine Feststellungen zu einem Schädigungsvorsatz des Angeklagten vorliegen. Dies trifft zu:

Missbrauch der Amtsgewalt setzt auf der inneren Tatseite neben dem - ungerügt gleichfalls nicht konstatierten - Wissen vom Befugnismissbrauch den zumindest bedingten Vorsatz des Täters voraus, durch den Befugnismissbrauch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen (Leukauf/Steininger, Komm³ § 302 Rz 34).

Eine solche Willensausrichtung des Angeklagten wird jedoch in den Entscheidungsgründen, die sich mit dem äußeren Geschehen eingehend befassen (US 6 bis 13, 20 f), die subjektiven Tatkomponenten allerdings kaum beleuchten, nicht festgestellt; deren Anführung im Tenor ändert übrigens nichts am aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen: Die Erwähnung im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag die Feststellung entscheidender Tatsachen nur zu verdeutlichen, aber nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0114639; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 15).

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen führt zur Aufhebung des Urteils im Schuldspruch wegen Missbrauchs der Amtsgewalt sowie im Strafausspruch und im Privatbeteiligtenzuspruch und insoweit zur Anordnung der Verfahrenserneuerung.

Demnach bedarf die Mängelrüge (Z 5), die sich ausschließlich gegen den Schuldspruch wegen Missbrauchs der Amtsgewalt wendet, keiner Erörterung.

Die Rechtsrüge beanstandet weiters zutreffend, dass zum Schuldspruch des Angeklagten wegen versuchter Veruntreuung (Punkt 2 des Urteilssatzes) kein mit Blick auf diese strafbare Handlung als auch nur ausführungsnah zu beurteilendes Verhalten konstatiert wurde:

Die Tatrichter stellten fest, dass der Angeklagte als Kommandant des Gendarmeriepostens Saalbach am 10. Dezember 2004 beim Landesgendarmeriekommando (kurz LGK) für Salzburg die Kosten für die von Gabriele E***** vorgenommene Reinigung von Vorhängen in der Höhe von 275,43 Euro anforderte, dabei aber vorhatte, von diesem Betrag nur 170 Euro an die Genannte auszufolgen und den Differenzbetrag an die Gemeinschaftskasse des Postens abzuführen. Infolge einer Änderung der Zahlungsmodalitäten des LGK kam es nicht zur Anweisung des Geldes an den Angeklagten, sondern - im Ausmaß von 275,43 Euro - direkt an Gabriele E***** (US 14).

Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB begeht, wer ein Gut, das ihm anvertraut worden ist, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zueignet, sich oder den Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Von einem Anvertrauen kann im gegebenen Fall keine Rede sein, weil das Geld nicht dem Angeklagten, sondern direkt der Reinigungskraft angewiesen wurde (vgl Bertel in WK2 § 133 Rz 20 ff; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 133 Rz 25, 41, 47; Fuchs/Reindl, BT 123 f).

Der Täter führt die Veruntreuung aus, indem er das anvertraute Gut sich oder Dritten zueignet. Ein dieser Ausführungshandlung nach § 133 Abs 1 StGB unmittelbar vorangehendes, gemäß § 15 Abs 2 StGB Versuchsstrafbarkeit begründendes Verhalten des Angeklagten kann aber in der (bloß) konstatierten Anforderung von Geld beim LGK nicht erblickt werden; es mangelt an zeitlicher und aktionsmäßiger Nähe zum tatplangemäßen Zueignungsverhalten in Form der Geldübertragung an die Gemeinschaftskasse des Postens (vgl Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 30, deliktsspezifisch Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 133 Rz 112).

Während somit beim festgestellten Sachverhalt keine Strafbarkeit wegen versuchter Veruntreuung vorliegt, kann - entgegen der Beschwerdeauffassung - derzeit mangels konstatierter Tatsachen nicht abschließend beurteilt werden, ob allenfalls versuchter Betrug gegeben ist. Auch wenn, was die Beschwerde insoweit zutreffend hervorhebt, ersichtlich nicht über die Höhe des für die konkreten Reinigungsarbeiten zustehenden Betrages getäuscht wurde (US 14), scheidet Betrugsstrafbarkeit nicht schon deshalb aus, kann doch auch über sogenannte innere Tatsachen wie etwa die Absicht, Geld an bestimmte Personen weiterzuleiten, betrugsrelevant getäuscht werden (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 Rz 36), und zwar auch konkludent (aaO Rz 20). Ob dies der Fall war, kommt in Hinsicht auf die subjektiven Merkmale eines Betruges (aaO Rz 114 ff) in den Entscheidungsgründen nicht klar zum Ausdruck (US 14). Daher erweist sich auch zu Schuldspruch Punkt 2 die Urteilsaufhebung in Verbindung mit der Anordnung neuer Verhandlung und Entscheidung als unumgänglich.

Mit den übrigen, den Schuldspruch laut Punkt 3 betreffenden Einwänden verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel:

Die Tatrichter gründeten ihre Überzeugung von der Äußerung des Angeklagten zu Richard H*****, dem interimistisch mit der Leitung betraut gewesenen stellvertretenden Postenkommandanten, auf dessen als glaubwürdig erachtete Aussagen und jene des ebenso als unbedenklich angesehenen Zeugen Reinhard W***** in der Hauptverhandlung (S 69 ff/II).

Das Beschwerdevorbringen zum Inhalt der vom Schöffengericht gewürdigten Angaben beider Zeugen weckt keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofes gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen (Z 5a). Die Rechtsrüge bestreitet die Besorgniseignung der vom Angeklagten geäußerten Drohung, geht aber mit der Betrachtung rechtlicher Möglichkeiten einer Pensionierung aus gesundheitlichen Gründen nicht von den Feststellungen aus, denen zufolge die Worte im Zusammenhang mit dem Vorwurf dienstlichen Versagens und vor dem Hintergrund dem Bedrohten bekannter „bester Kontakte" des Angeklagten „zum Ministerium" geäußert wurden (US 15 f).

Bei der Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes (wie Z 9 lit a) ist aber die Gesamtheit der Urteilskonstatierungen mit dem angewendeten Gesetz zu vergleichen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher insoweit bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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