OGH 14Os12/95(14Os14/95)

OGH14Os12/95(14Os14/95)7.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Feber 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. E. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Erdei als Schriftführer, in der Strafsache gegen Robert H***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 15. November 1994, GZ 26 Vr 1.066/94-14, ferner über die Beschwerde (§ 494 Abs 4 StPO) des Angeklagten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Robert H***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht wurde abgesehen, die Probezeit jedoch auf fünf Jahre verlängert (§ 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO).

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat der Angeklagte am 23. Mai 1994 in Linz die Melanie H***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt, indem er sie an den Händen festhielt, sich auf sie legte und mit ihr einen Geschlechtsverkehr vollzog.

Dazu traf das Schöffengericht folgende Feststellungen:

Die am 21. August 1979 geborene, somit zur Tatzeit 14 Jahre alte Melanie H***** ist eine Cousine der Lebensgefährtin des Angeklagten und hatte es übernommen, am Abend des 22. Mai 1994 auf die Kinder des Paares aufzupassen, weil dieses ausgehen und erst spät heimkehren wollte. Deshalb blieb Melanie H***** auch über Nacht in der Wohnung und schlief im Kinderzimmer in einem der Kinderbetten, während die beiden Kinder zusammen im anderen Bett nächtigten. In den Morgenstunden kehrten die Lebensgefährten nach Hause zurück und gingen im Wohn-Schlafzimmer gemeinsam zu Bett. In der Folge - von seiner Lebensgefährtin unbemerkt - begab sich jedoch der Angeklagte, der zu dieser Zeit erheblich alkoholisiert, aber nicht volltrunken war, in das Kinderzimmer und legte sich neben die noch schlafende Melanie H*****. Diese erwachte erst, als sie spürte, wie der Angeklagte bei ihr im Bett lag und seinen Penis an ihrem Gesäß rieb. Das Mädchen war mit einem Pyjama-Overall und einer Unterhose bekleidet, der Angeklagte trug nur eine Unterhose bzw eine Short. Melanie H***** bat ihn leise aufzuhören, er antwortete jedoch nicht. Sie versuchte dann weiter in Seitenlage mit dem Gesicht zur Wand liegen zu bleiben, der Angeklagte drehte sie aber gewaltsam auf den Rücken. Sie konnte sich nicht wehren, weil der Angeklagte viel stärker war. Sie hatte auch Angst, daß er sie schlagen würde, wenn sie zu schreien versuchte. In weiterer Folge öffnete der Angeklagte den Reißverschluß des Pyjamas, was ihm aber erst nach ungefähr zehn Versuchen gelang, wobei Melanie H*****permanent bestrebt war, den Reißverschluß wieder zu schließen. Daraufhin berührte und küßte er die Brust des Mädchens und wollte auch die Scheide betasten. Melanie H***** drängte seine Hand weg, er probierte es aber immer wieder. Sie versuchte die ganze Zeit über sich zu wehren, wagte aber nicht zu schreien. Der Angeklagte war einfach so stark, daß sie keine Chance hatte. Er hielt ihre Hände auf verschiedene Weise fest, manchmal konnte sie sich auch kurz losreißen, er hielt sie aber sofort wieder fest. Der Angeklagte legte sich dann mit dem Oberkörper auf Melanie H*****, wobei sie vergeblich versuchte, ihn mit den Händen wegzudrücken. Infolge dieser Vorgänge zerriß die Naht des Pyjamas unterhalb des Reißverschlusses und auch der Reißverschluß wurde im unteren Abschnitt eingerissen. Der Angeklagte schob dann den Zwickel der Unterhose des Mädchens zur Seite und führte einen Geschlechtsverkehr durch, wobei er mit seiner linken Hand die Arme des Mädchens oberhalb dessen Kopfes festhielt (US 5/6).

Diese Feststellungen gründete das Schöffengericht in erster Linie auf die Aussage der Melanie H***** als Zeugin, der es uneingeschränkt Glauben schenkte. Die Verantwortung des Angeklagten, in jener Nacht volltrunken gewesen zu sein und sich an nichts mehr erinnern zu können, lehnte das Erstgericht als Ausflucht ab, wobei es sich insoweit auf das Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. H***** stützte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a (der Sache nach auch Z 10) des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde hält einer Überprüfung nicht stand.

Die vom Angeklagten im Laufe der fraglichen Nacht konsumierten Alkoholmengen konnten nicht exakt festgestellt werden, weshalb das Erstgericht - basierend auf dem Gutachten des Sachverständigen - aus dem zielgerichteten Verhalten des Angeklagten auf dessen Zurechnungsfähigkeit geschlossen hat (US 13). Mit der dagegen vorgebrachten Argumentation appelliert der Beschwerdeführer an den Zweifelsgrundsatz, bringt aber damit keinen formellen Begründungsmangel (Z 5) zur Darstellung. Erst recht verfehlt ist es, diese Schlußfolgerung der Tatrichter im Rahmen einer Rechtsrüge (Z 9 lit a bzw 10) zu kritisieren, denn diese kann immer nur unter strikter Bindung an den im Urteil festgestellten Sachverhalt prozeßordnungsgemäß ausgeführt werden, weshalb für Überlegungen in Richtung des § 287 StGB hier kein Raum ist.

Die bisher ungetrübte familiäre Beziehung der 14-jährigen Zeugin zum Beschwerdeführer und ihre Unkenntnis seiner einschlägigen Vorstrafen spricht keineswegs dagegen, daß sie infolge des überraschenden Sexualangriffes befürchtete, von dem alkoholisierten Angeklagten allenfalls auch noch geschlagen zu werden. Unter Bedachtnahme auf das Alter des Mädchens und das persönliche Naheverhältnis ist es ferner keineswegs ungewöhnlich, daß es sich den Annäherungsversuchen des Angeklagten nicht sofort durch Verlassen des Bettes entzog oder zu schreien begann und auch nicht sogleich am Morgen ihrer Cousine von dem Vorfall Mitteilung machte. Mit diesen Umständen mußte sich das Erstgericht daher nicht eigens auseinandersetzen, sodaß von einer Unvollständigkeit der Urteilsgründe (Z 5) keine Rede sein kann.

Es besteht auch kein Widerspruch zwischen der Annahme von Abwehrhandlungen und der Feststellung, daß sich Melanie H***** "nicht wehren konnte" (US 5). Aus dem Kontext ergibt sich eindeutig, daß das Erstgericht damit die Unfähigkeit des Mädchens zur erfolgreichen Abwehr zum Ausdruck bringen wollte. Ebensowenig können aus der "Situationsbeschreibung" der Zeugin formelle Begründungsmängel (Z 5) abgeleitet werden. Insoweit gleitet die Beschwerde in eine im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile von Kollegialgerichten unzulässige Schuldberufung ab.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich ist auch in ihrem weiteren, die tatbestandsmäßige Gewaltanwendung betreffenden Anfechtungspunkt verfehlt. In Wahrheit wiederholt nämlich der Beschwerdeführer hier gleichfalls nur seine schon im Rahmen der Mängelrüge vorgebrachten (und bei deren Erledigung als nicht stichhältig erkannten) Argumente, indem er die Befürchtung des Mädchens, von ihm geschlagen zu werden, als unbegründet bezeichnet und auf die Möglichkeiten hinweist, Annäherungsversuche durch "lautstärkeres Verhalten" oder durch "bloßes Aufstehen" zu verhindern. Die Zusammenfassung seines Vorbringens, daß gegen eine gewaltsame Willensbeugung "doch Bedenken bestehen" (S 140), läßt das dem Beschwerdeführer unterlaufene Mißverständnis der unter dem Aspekt eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes gegebenen Anfechtungsmöglichkeiten auch verbal deutlich erkennen.

Dem sei noch hinzugefügt, daß der Oberste Gerichtshof die geltend gemachten Bedenken keineswegs teilt, zumal überhaupt nur solche erheblicher Natur Nichtigkeit begründen könnten (§ 281 Abs 1 Z 5 a StPO).

Die zum Teil offenbar unbegründete, im übrigen aber nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten sowie über die nicht ausgeführte, aber beachtliche (§ 294 Abs 2 StPO) Berufung der Staatsanwaltschaft folgt (§§ 285 i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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