OGH 14Os129/23m

OGH14Os129/23m9.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Jänner 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Sekljic in der Strafsache gegen * N* wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 18. August 2023, GZ 79 Hv 48/23z‑41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00129.23M.0109.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * N* mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB ([teils verfehlt iVm § 15 StGB] I/A und I/B) und nach § 205 Abs 2 StGB (I/C) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

I/ S* T*, die wegen einer geistigen Behinderung unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er

A/ „versuchte, mit ihr den Beischlaf vorzunehmen“, indem er

1/ im Juli 2021 in K* sich mit ihr unbekleidet in ein Bett legte, ihre nackte Brust streichelte, intensiv ihren Schambereich berührte und sodann versuchte, durch mehrmaliges Andrücken seines Penis in ihre Vagina einzudringen;

2/ im Herbst 2021 in H* sie aufforderte, sich auszuziehen, sich mit ihr nackt in ein Bett legte, sie aufforderte, seinen Penis in die Hand zu nehmen, versuchte, sie zum Oralverkehr an ihm zu bewegen, und sodann versuchte, durch Andrücken seines Penis in ihre Vagina einzudringen;

B/ von Februar 2021 bis Mai 2022 in H* und K* etwa zehn Mal dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen an ihr vornahm, indem er sie unter der Bekleidung intensiv an der Brust und im Schambereich berührte und mit zumindest einem Finger in ihre Vagina eindrang;

C/ zwischen Februar 2021 und Mai 2022 in H* eine geschlechtliche Handlung an ihr vornahm, indem er

1/ ihren bekleideten Schambereich intensiv berührte;

2/ seine beiden Hände einige Sekunden lang auf ihre bekleidete Brust drückte;

II/ mit der 2007 geborenen, somit minderjährigen, S* T*, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber durch die zu I/ genannten Taten geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung folgender Beweisanträge Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt:

[5] Der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung von * E* zum Beweis dafür, dass S* T* von ihrem Vater „aufgeklärt bzw. mit sexuellen Themen konfrontiert wurde“, wodurch diese von ihrem Vater „mit Begriffen konfrontiert war, die sie nunmehr faktisch wortgleich dem Angeklagten anlastet“ (ON 40, 23), diente ersichtlich der Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers, ohne jedoch konkrete Anhaltspunkte dafür zu geben, dass dieses in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt hätte. Dies wäre jedoch Voraussetzung für die Erheblichkeit des Beweisthemas und einen Erfolg der darauf aufbauenden Rüge (RIS‑Justiz RS0120109 [T3]).

[6] Der Antrag auf „Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der pädiatrischen Neurologie und Psychiatrie“, weil „nicht auszuschließen“ sei, dass S* T* zufolge Einnahme eines bestimmten Medikaments „in ihrer Wahrnehmung beeinträchtigt war bzw. weiter beeinträchtigt ist“ (ON 40, 23 f), scheiterte schon an fehlender Darlegung, dass die Zeugin und ihr gesetzlicher Vertreter einer medizinischen Untersuchung zugestimmt hätten oder zustimmen würden (RIS‑Justiz RS0108614 [T3]). Im Übrigen ließ der schon dem Wortlaut nach auf (im Hauptverfahren unzulässige) Erkundungsbeweisführung gerichtete Antrag nicht erkennen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das (allenfalls gemeinte) Ergebnis hätte erwarten lassen, was gerade hier insbesondere mit Blick auf die im Antragszeitpunkt vorliegende Aussage der Sachverständigen Dr. * H*, sie habe keine Hinweise, dass das Tatopfer „fantasiert hätte“, sie könne bei diesem „wahnhafte Störungen“ ausschließen (ON 40, 19), erforderlich gewesen wäre (RIS-Justiz RS0099453 [T1, T17 und T20]).

[7] Feststellungen sind nur insoweit mit Mängel- oder Tatsachenrüge anfechtbar, als sie für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidend sind (RIS‑Justiz RS0117499). Dies trifft auf den – entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) ohnehin berücksichtigten (US 8) – Umstand, dass beim Beschwerdeführer „eine schwere erektile Dysfunktion“ bestehe, nicht zu. Nach den Feststellungen zu I/A/1/ und 2/ habe sich dieser unbekleidet zur (ebenfalls nackten) S* T* gelegt und habe versucht, „seinen Penis durch mehrmaliges Andrücken in ihre Vagina einzuführen“ (US 4 f). Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung ist schon bei der (hier hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten) Berührung der (unbekleideten) Geschlechtsteile von Tatvollendung auszugehen; die (Möglichkeit einer) Erektion des Gliedes beim Täter ist somit nicht entscheidend (vgl [zu § 201 StGB] RIS‑Justiz RS0090720 [insbesondere T3 und T4]; Philipp in WK2 StGB § 205 Rz 23 iVm § 201 Rz 43; ähnlich Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 201 Rz 8; vgl hingegen Hinterhofer, SbgK § 205 Rz 53 iVm § 201 Rz 51 f).

[8] Der Vorwurf, das Erstgericht habe die Aussage der Zeugin R* T* „nicht ansatzweise“ gewürdigt (vgl aber US 9 f), nimmt prozessordnungswidrig nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370).

[9] Im Übrigen erschöpft sich das Vorbringen der Mängelrüge darin, die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung zu bekämpfen.

[10] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) auf die Ausführungen der Mängelrüge verweist, vernachlässigt sie – abgesehen davon, dass auch sie bloß die oben genannte, nicht entscheidende Tatsache thematisiert – den wesensmäßigen Unterschied der daher gesondert auszuführenden Nichtigkeitsgründe (RIS‑Justiz RS0115902).

[11] Gleiches trifft auf die Subsumtionsrüge (Z 10) zu, die zudem – ebenso wie die Rechtsrüge (Z 9 lit a) – nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ableitet (vgl aber RIS‑Justiz RS0116569), weshalb der „schweren erektilen Dysfunktion“ entscheidende Bedeutung für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage zukomme.

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[13] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[14] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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