European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E33601
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Monate herabgesetzt.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Dr. Anton S* des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Laut Urteilsspruch hat er in Wien „als Leiter der Gruppe II C ‑ Staatspolizeilicher Dienst ‑ im Bundesministerium für Inneres“, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, den Nationalrat der Republik Österreich in seinem konkreten Recht auf richtige und vollständige Information sowie Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit gesetzter Behördenakte zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er im September 1987 einen teilweise inhaltlich unrichtigen und bewußt unrichtig mit 13. September 1985 rückdatierten Aktenvermerk des Inhaltes:
„Gruppe C
Aktenvermerk
Die Auswertung dieses Tonbandes ergab keine neuen Hinweise auf Waffenlieferungen der Firma N**** an den Iran.
Ich sehe daher keine Notwendigkeit, das Tonband der Staatsanwaltschaft zu übermitteln.
13. September 1985
Min. Rat Dr. S*
erstellte, wobei anläßlich der Erklärung des damaligen Bundesministers für Inneres Karl B* bei der Sitzung im Nationalrat am 1. Oktober 1987 vom Inhalt dieses Aktenvermerkes auch Gebrauch gemacht wurde.“
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit. a und b sowie 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen verfaßte der Beschwerdeführer in der eingangs bezeichneten Funktion im September 1987 auf Ersuchen des damaligen Bundesministers für Inneres Karl B* einen mit 13. September 1985 datierten Aktenvermerk, der den (inzwischen nicht mehr auffindbaren) Aktenvermerk Dris. B* (des Leiters der Abteilung II/7) vom 11. September 1985 ersetzen sollte (US 47) und der – als seinerzeitige Information für den genannten Bundesminister – in den Kernaussagen, nämlich
1. die Auswertung eines Tonbandes am 13.September 1985 sei durch Beamte der Gruppe C erfolgt und habe keine neuen Hinweise auf Waffenlieferungen der Firma N* an den Iran ergeben und
2. er (Dr. S*) sehe daher keine Notwendigkeit, das Tonband der Staatsanwaltschaft zu übermitteln,
nicht der Wahrheit entsprach. Denn die „Gruppe C“ hatte am 13. September 1985 keine wertende und vergleichende Prüfung des Inhalts des Tonbandes vorgenommen; dieses „um den 10. September 1985“ (US 31) im Bundesministerium für Inneres eingelangte Tonband (welches der am 12. Juli 1985 in Athen verstorbene österreichische Botschafter in Griechenland Dr. A* bei einem Gespräch mit Dipl.‑Ing. L* ohne dessen Wissen aufgenommen hatte) wurde vielmehr im Auftrag des Bundesministers B* am 11. September 1985 – infolge der urlaubsbedingten Abwesenheit des Angeklagten vom 10. bis 12. September 1985 – von Dr. B* abgehört, der (erst am 1. Juli 1985 mit der Leitung der Abteilung II/7 betraut worden war, in der Folge einen mehrwöchigen Urlaub konsumiert hatte und) ohne jegliche Vorkenntnisse über Verdachtsmomente betreffend den Tod Dris. A* und ein allenfalls damit im Zusammenhang stehendes Waffengeschäft der Firma N* an den Iran einen ca. eineinhalbseitigen Aktenvermerk verfaßte, in welchem er die Gesprächspartner und den Gegenstand des Gespräches festhielt, jedoch keine Wertung des Inhalts dahin vornahm, ob sich daraus „neue Hinweise“ auf Waffenlieferungen der Firma N* an den Iran ergaben (US 33, 34, 37; 61 ff). Vom Bundesminister für Inneres wurden nach Übernahme des Aktenvermerks (samt Tonband), der keine Aussage zur Frage der Notwendigkeit einer Übermittlung der Tonaufzeichnung an die Staatsanwaltschaft enthielt, wozu der Verfasser Dr. B* auch gar nicht in der Lage gewesen wäre, keine weiteren Aufträge erteilt. Der Angeklagte wurde von Dr. B* am 13. September 1985 darüber informiert, daß er (Dr. B*) das Tonband betreffend das Gespräch Dris. A* mit Dipl.‑Ing. L* in Athen im Auftrag des Bundesministers abgehört und über den Inhalt einen eineinhalbseitigen Aktenvermerk angefertigt habe (US 34, 38, 61). Das Tonband wurde in der Folge Anfang des Jahres 1986 zur Vorbereitung der Sitzung des Außenpolitischen Rates am 28. Februar 1986 von Mag. B* neuerlich abgehört und über den Inhalt ein (23‑seitiges) wörtliches Protokoll abgefaßt, das mit 11. September 1985 datiert und von Mag. B* und Dr. B* unterschrieben wurde (US 37).
Nach den Urteilsannahmen ging es dem Angeklagten, der spätestens im Jänner 1986 das Bestreben des Bundesministers, wahre Vorgänge zu verschleiern und Fehlinformationen zu verbreiten, erkannt hatte (US 41) – wobei ihm als Teilnehmer an der Sitzung des Außenpolitischen Rates vom 28. Februar 1986 klargeworden war, daß der Innenminister die Abgeordneten teils lückenhaft, teils falsch informiert hatte (US 41, 42, 68 iVm S 124, 125/IV), im September 1987 darum, durch die Abfassung des – vom Bundesminister für Inneres zur Vorbereitung seiner Rede vom 1. Oktober 1987 vor dem Nationalrat angeforderten – Aktenvermerkes die geplante (US 51 ff) wahrheitswidrige Behauptung vor den Abgeordneten, es sei von ihm nach Einlangen des Tonbandes „alles Notwendige veranlaßt worden“, insbesondere sei es auf Grund der Information der Gruppe C nicht notwendig gewesen, das Tonband der Staatsanwaltschaft zu übermitteln (US 51 ff), aktenmäßig abzudecken (US 52, 66 f, 71), um einen „Wirbel bei der Opposition“ zu vermeiden (US 71, 72). Der Angeklagte, der erkannt hatte, wie wichtig es angesichts der im September 1987 bereits heftigen Angriffe der Medien und von Abgeordneten der Opposition – wodurch das Thema „N*“ innenpolitische Brisanz auch in Richtung der „Ministerverantwortlichkeit“ des genannten Bundesministers erlangt hatte (US 45, 73, 74) – für den Innenminister war, sich vor dem Nationalrat zu rechtfertigen, wozu dieser den in Rede stehenden Aktenvermerk dringend benötigte (S 54), handelte dabei (auch) mit dem Vorsatz, daß dieser Aktenvermerk „zur Dokumentation der Vorgänge“ Eingang in die sogenannte Chronologie finde, die ihrerseits Grundlage für die „Erklärung des Innenministers in der Sitzung des Nationalrates vom 1. Oktober 1987“ bilden sollte, wodurch der Nationalrat über die tatsächlichen Vorgänge, insbesondere über das Verhalten des Bundesministers B* in Ansehung der ihm obliegenden Verdachtsmomente in Richtung Waffenlieferungen der Firma N* in den Iran, getäuscht werden sollte und auch tatsächlich getäuscht worden ist (US 51‑53).
Die Mängelrüge (Z 5) richtet sich unter Behauptung einer unvollständigen, undeutlichen, offenbar unzureichenden, aktenwidrigen und widersprüchlichen Urteilsbegründung gegen einzelne zum Teil gar nicht den Kernbereich betreffende (weitwendige) Urteilsfeststellungen; formale Begründungsmängel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO werden damit nicht dargetan. Zum einen wendet sich der Beschwerdeführer – soweit er die Verfahrensergebnisse überhaupt aktengetreu wiedergibt – gegen nicht entscheidungswesentliche Urteilskonstatierungen, die weder für die Schuldfrage noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Bedeutung sind; zum anderen übersieht er, daß nach dem Gesetz (§ 258 Abs. 2 StPO) die Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft nicht nur einzeln, sondern auch in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen sind und daß über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, das Gericht letztlich nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden hat, wobei es auf Grund denkrichtiger Schlußfolgerungen aus erwiesenen Tatsachen auch zur Überzeugung von der Richtigkeit weiterer Tatsachen kommen und diese somit gleichfalls als erwiesen ansehen kann (EvBl. 1972/17 ua).
Der hier aktuelle Schuldvorwurf besteht darin, daß der Angeklagte im September 1987 wider besseres Wissen in einem Aktenvermerk eine Ministerinformation beurkundete, wonach Beamte der Gruppe C am 13. September 1985 auf Grund einer „Auswertung“ des von Dr. H* übermittelten Tonbandes die Feststellung getroffen hätten, daß das Tonband keine neuen Hinweise auf Waffenlieferungen der Firma N* an den Iran ergeben (US 46, 47, 66, 67) und er (als Leiter der Gruppe C – US 5) daher, nämlich auf Grund dieser Auswertung, keine Notwendigkeit gesehen habe, das Tonband der Staatsanwaltschaft zu übermitteln, während in Wahrheit das Tonband weisungsgemäß mit einer lediglich bruchstückhaften Wiedergabe dessen Inhalts in einem Aktenvermerk vom 11. September 1985 unverzüglich dem Bundesminister für Inneres (ohne jeden wertenden Kommentar – US 33) zur weiteren Entscheidung und Veranlassung vorgelegt worden war, wonach dieser keine „Aufträge“ erteilte.
Diese Feststellungen finden aber zur Gänze in der eigenen Verantwortung des Angeklagten Deckung. Der Beschwerdeführer hat nämlich niemals behauptet, Dr. B* hätte ihn am 13. September 1985 (auch) dahin informiert, daß er dem von ihm im Auftrag des Bundesministers für Inneres verfaßten Aktenvermerk über den Inhalt des Tonbandes („soweit er ihn verstehen konnte“ – vgl. S 120/IV) auch eine wertende und vergleichende Einschätzung dieses Inhalts beigefügt und dem Bundesminister übergeben habe (S 120 ff/IV). Der Beschwerdeführer stellt auch nicht in Abrede, mit der Abhörung und Auswertung des Tonbandes (infolge seiner urlaubsbedingten Abwesenheit) überhaupt nicht befaßt gewesen zu sein, sodaß seine bloß auf der Mitteilung Dris. B* beruhende (persönliche) Einschätzung des Inhalts des Tonbandes im Vergleich zu seinem damaligen Wissensstand (US 22, 24, 25, 29 ff, 60) mit der Schlußfolgerung, daß die „Auswertung“ des Tonbandes „keine neuen Hinweise auf Waffenlieferungen an die Firma N* an den Iran“ ergeben habe – wovon im übrigen auch der Schöffensenat ausgeht (US 53, 71) – dem Bundesminister für Inneres ebensowenig zur Kenntnis gelangt war, wie seine (am 13. September 1985 in Wahrheit gar nicht angestellte) Erwägung, daß er „daher“ keine Notwendigkeit sehe, das Tonband der Staatsanwaltschaft zu übermitteln.
Die Urteilsannahme, wonach der Beschwerdeführer demnach wußte, daß die Auswertung (im Sinn einer wertenden Beurteilung) des Inhalts des Tonbandes und die Entscheidung über allenfalls erforderliche weitere Veranlassungen ausschließlich beim Bundesminister für Inneres gelegen war, findet in seiner Verantwortung und der Aussage des Zeugen Dr. B* eine ausreichende Stütze.
Demzufolge ist es ohne Belang, ob der Angeklagte, worauf die Beschwerde vor allem abstellt, nach der Information über den Inhalt des Tonbandes durch Dr. B* der Meinung war, daß die Tonaufnahme – unter Berücksichtigung seines relativ hohen Wissensstandes über Verdachtsmomente – „nichts Neues gebracht“ hat oder ob er diese Einschätzung – was der Schöffensenat allerdings (gemäß § 258 Abs. 2 StPO) verneinte – unkritisch von Dr. B*, dessen Wissensstand über Verdachtsmomente in Richtung Waffenlieferungen an den Iran er gar nicht kannte (S 121/IV), übernommen hat, bzw. ob diese Feststellung im Aktenvermerk aus der Sicht des Beschwerdeführers im Ergebnis richtig oder unrichtig war. Denn Gegenstand des Schuldspruchs ist – entgegen dem Beschwerdevorbringen – weder der Inhalt des Tonbandes noch die am Wissensstand des Beschwerdeführers orientierte (eigene) Bewertung des Inhalts, daß sich aus dem Tonband keine neuen Hinweise auf Waffenlieferungen an den Iran ergeben, sondern allein seine Beurkundung, daß Beamte der Gruppe C eine derartige (vom Bundesminister für Inneres schließlich bloß übernommene – vgl. die Rede in der Sitzung des Nationalrates vom 1.Oktober 1987: „Die Auswertung des erwähnten Tonbandes durch den Staatspolizeilichen Dienst ergab keine Hinweise auf Waffenlieferungen der V*‑Tochter N* an den Iran“ – S 189/I) Feststellung getroffen hätten.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider kommt aber auch dem Umstand keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, von wem und in welcher Form das Ersuchen (= Weisung) des Bundesministers für Inneres, „einen Aktenvermerk zu errichten“, an den Angeklagten herangetragen worden ist. Wurde der Angeklagte nämlich, wie die Tatrichter denkfolgerichtig aus den Verfahrensergebnissen ableiteten, von Bundesminister B* ersucht, zur Vorbereitung seiner Rede vom 1. Oktober 1987 vor dem Nationalrat einen „teilweise inhaltlich unrichtigen Aktenvermerk“ zu errichten und diesen „bewußt falsch zu datieren“ (US 47 iVm S 123/IV), war er verpflichtet, eine derartige gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßende Weisung gemäß § 44 Abs. 2 BDG abzulehnen. Sollte der Beschwerdeführer aber entgegen seiner bisherigen Verantwortung (vgl. abermals S 123/IV) vom Innenminister nur ersucht worden sein, „einen Aktenvermerk zu errichten“, würde sich an seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die bewußte Herstellung eines inhaltlich unrichtigen und rückdatierten Aktenvermerkes nichts ändern, weil er diesfalls die in Rede stehende Falschbeurkundung (nach Art eines vorauseilenden Gehorsams) aus eigenem Antrieb vorgenommen hätte.
Entgegen dem Vorbringen in der Mängelrüge findet aber auch die Urteilsannahme, „daß der Aktenvermerk die aktenmäßige Grundlage für die beabsichtigte Rede des Bundesministers am 1. Oktober 1987 im Parlament sein sollte“, sohin „dessen Inhalt“ in diesem Sinn „Verwendung finden würde“ (US 51), ferner, „daß der Aktenvermerk zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Vorgangsweise des Innenministers, nämlich unter anderem der Nichtweiterleitung der Kassette (Tonaufzeichung) an die Staatsanwaltschaft oder das Landesgericht Linz dienen sollte“ (US 51, 69) und das Wissen des Angeklagten um die Wertlosigkeit eines die Einzelheiten der Entstehung darlegendes Vermerkes (US 69, 70) gleichfalls in der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers (vgl. insbesondere S 136/IV) eine ausreichende Stütze, wonach ein „richtiger“ Aktenvermerk „einen Wirbel bei der Opposition“ ausgelöst hätte.
Davon aber, daß der Innenminister in seiner Rede vor dem Nationalrat am 1. Oktober 1987 den vom Angeklagten errichteten Aktenvermerk nur mit dem Satz „die Auswertung des erwähnten Tonbandes durch den Staatspolizeilichen Dienst ergab keine neuen Hinweise auf Waffenlieferungen der V*‑Tochter N* in den Iran“ erwähnte (US 53), ist das Schöffengericht ohnedies ausgegangen. Es war den Tatrichtern jedoch unter Würdigung der übrigen Verfahrensergebnisse, nicht zuletzt des sich auch aus dem Bericht des Bundesministers B* an die Oberstaatsanwaltschaft Linz (S 175, 179, 197/I) ergebenden medialen Druckes, unter dem der Minister damals stand, nicht verwehrt, den Schluß ziehen, daß gerade darin die Täuschung des Nationalrates gelegen war; gab doch der Bundesminister solcherart vor, nicht er habe das Tonband ausgewertet und dessen Inhalt beurteilt, sondern Beamte des Staatspolizeilichen Dienstes, wodurch er der Notwendigkeit enthoben war, den Inhalt der Tonaufzeichnung sowie die von ihm angestellten Überlegungen darzulegen und sein Untätigbleiben als Bundesminister für Inneres zu erklären. Dem Umstand hinwieder, daß der in Rede stehende Aktenvermerk in der bezüglichen Nationalratssitzung nicht vorgelegt wurde – was der Schöffensenat übrigens gar nicht angenommen hat – kommt, worauf bei Erörterung der Rechtsrüge noch eingegangen werden wird, keine Relevanz zu. Die behaupteten Begründungsmängel liegen demnach in Wahrheit nicht vor.
Die Ausführungen in der Tatsachenrüge, die in der Behauptung gipfeln, die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite würden sich „ohne jeden beweismäßigen Anhaltspunkt“ auf bloße Mutmaßungen stützen, sind – berücksichtigt man die aktenkundigen Verfahrensergebnisse in ihrer Gesamtheit – nicht geeignet, jene schwerwiegenden Bedenken gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung aufkommen zu lassen, auf welche der angezogene Nichtigkeitsgrund (Z 5 a) abstellt.
In der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) wendet der Beschwerdeführer im wesentlichen ein, die für die Verwirklichung des Tatbestandes des Verbrechens nach § 302 Abs. 1 StGB erforderlichen Merkmale fänden in den Urteilsfeststellungen keine Deckung, weil der Innenminister am 1. Oktober 1987 die Rede aus eigenem Antrieb und nicht in Erfüllung von Rechten des Nationalrates, wie etwa im Rahmen einer „Fragebeantwortung“ gehalten habe. Im übrigen sei lediglich ein „eingeschränkter Teil“ mit insoweit richtigem Inhalt des zudem bloß für den „inneren Dienst“ errichteten Aktenvermerks verlesen worden; sein Verhalten stelle daher weder einen wissentlichen Befugnismißbrauch dar, noch sei zu erkennen, in welchem konkretem Recht er den Nationalrat oder dessen Mitglieder überhaupt geschädigt haben soll. Auch diese Einwände sind nicht berechtigt.
Das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB begeht ein Beamter, der mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen (ua) des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht.
Daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt als Leiter der Abteilung II C – Staatspolizeilicher Dienst – im Bundesministerium für Inneres Beamter im Sinn der Legaldefinition des § 74 Z 4 erster Fall StGB war und in dieser Funktion die Befugnis hatte, namens des Rechtsträgers als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, ist unbestritten. Ein Aktenvermerk (§ 16 Abs. 1 letzter Fall AVG) über Umstände, die (vorerst) nur für den inneren Dienst der Behörde in Betracht kommen, nämlich fallbezogen über die Tätigkeit der Beamten in Ansehung eines beim Bundesministerium für Inneres eingelangten Beweismittels betreffend Waffenlieferungen der Firma N* an den Iran, stellt ein derartiges Amtsgeschäft dar, weil dies zur unmittelbaren Erfüllung der in den Bereich der Hoheitsverwaltung fallenden Vollzugsaufgaben des Staatspolizeilichen Dienstes als Sicherheitsbehörde und damit zum eigentlichen Gegenstand des Amtsbetriebes gehört und für die Erreichung der amtsspezifischen Vollzugsziele – hier das Bewilligungsverfahren – sachbezogen relevant ist. Nach § 16 Abs. 2 AVG ist der Inhalt eines Amtsvermerks vom Amtsorgan durch Beisetzung von Datum und Unterschrift zu bestätigen. Daraus ergibt sich – dem Beschwerdevorbringen zuwider – mit Eindeutigkeit, daß der Bestätigungsvermerk das Datum der Errichtung der Urkunde zu tragen hat, weil ein schriftliches Festhalten von Umständen erst durch Erfüllung dieser Formalvoraussetzungen zum beweiskräftigen Aktenvermerk wird, sein Inhalt sohin vor seiner Herstellung gar nicht bestätigt werden kann. Demzufolge liegt aber – wie das Erstgericht zutreffend erkannte (US 73) – auch in der „bewußt falschen“ Datierung des Aktenvermerks (US 69) ein Teil des wissentlichen Befugnismißbrauchs des Beschwerdeführers, sollte doch dadurch in einer vollen Beweis machenden Weise und mit der personalen Garantie des Angeklagten als Organwalter die nach Lage des Falles rechtsbedeutsame Tatsache vorgetäuscht werden, daß die Urkunde bereits am 13. September 1985 und nicht erst im September 1987 errichtet wurde (US 69, 73). Darüber hinaus besteht der wissentliche Befugnismißbrauch des Angeklagten in der wahrheitswidrigen Bekundung, daß die Auswertung der beim Bundesministerium für Inneres eingelangten Tonbandaufzeichnung durch Beamte der Gruppe C (am 13. September 1985) „keine neuen Hinweise auf Waffenlieferungen der Firma N* an den Iran ergab“ und „er (Dr. S*) daher keine Notwendigkeit sehe, das Tonband der Staatsanwaltschaft zu übermitteln“.
Soweit der Beschwerdeführer aber vermeint, ein derartiger Befugnismißbrauch habe keine Schädigung des Nationalrates der Republik Österreich an dessen Rechten zur Folge gehabt, so übersieht er zunächst, daß ein tatsächlicher Schadenseintritt zur Deliktsvollendung nicht erforderlich ist; es genügt (bei an sich möglicher Schädigung) der darauf gerichtete Tätervorsatz (Leukauf‑Steininger Komm3 § 302 RN 42). Zu den im § 302 Abs. 1 StGB geschützten Rechten zählen indes vor allem konkrete öffentliche Rechte. An einem solchen schädigt, wer eine konkrete (staatliche) Maßnahme vereitelt, wodurch die Erfüllung des bestimmten Zweckes hintangehalten werden soll, den der Staat (eine Gebietskörperschaft) mit der entsprechenden Vorschrift erreichen will, wobei es gleichgültig ist, ob diese Vorschrift einen Parteienanspruch oder eine sonstige in der Rechtsordnung festgelegte staatliche Maßnahme betrifft (Leukauf‑Steininger aaO RN 37). Hierher gehört jedenfalls auch das gesamte, dem Nationalrat zur rechtlichen Kontrolle der Vollziehung verfassungsgesetzlich garantierte Maßnahmenspektrum nach Art. 74, 76, 142, 143 B‑VG. Diese Kompetenz des Nationalrates zur rechtlichen Kontrolle der Vollziehung manifestiert sich zum einen im Recht (der Mehrheit) des Nationalrates, der Bundesregierung oder einzelnen ihrer Mitglieder das Mißtrauen auszusprechen, was die Amtsenthebung durch den Bundespräsidenten nach sich zieht (Art. 74 Abs. 1 B‑VG), und zum andern im Recht, die Anklage (ua) gegen Mitglieder der Bundesregierung wegen durch ihre Amtstätigkeit erfolgte Rechtsverletzungen (Art. 142 Abs. 1 B‑VG) bzw. wegen strafgerichtlich zu verfolgender Handlungen zu erheben, die mit der Amtstätigkeit des Anzuklagenden in Verbindung stehen (Art. 143 B‑VG).
Nun ist der Beschwerde zwar einzuräumen, daß – wozu eine isolierte Betrachtung des Urteilsspruchs Anlaß geben könnte – ein Anspruch des Nationalrates der Republik Österreich auf inhaltliche Richtigkeit, Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit von Behördenakten schlechthin diesem Schadensbegriff nicht entspricht, zumal es sich dabei bloß um allgemeine staatliche Aufsichtsrechte handelt. Vorliegend läßt jedoch der Urteilsinhalt, liest man Urteilsspruch und Entscheidungsgründe zusammen (vgl. insbesondere US 52, 54, 55, 70, 71, 74), keinen Zweifel daran, daß das Schöffengericht bei seinen Feststellungen hinsichtlich des zu schädigenden Rechtes des Nationalrates von einer Einheit sämtlicher dem Nationalrat zur Ausübung der rechtlichen Kontrolle verfassungsgesetzlich eingeräumten Maßnahmen einschließlich des sich als bloße Vorstufe für die Erhebung einer „Ministeranklage“ zu wertenden Instrumentariums ausgegangen ist. In diesem Zusammenhang brachte der Schöffensenat mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß es dem Angeklagten bei dem durch Herstellung des in Rede stehenden Aktenvermerks (wissentlich) begangenen Befugnismißbrauch darum ging, die vom Bundesminister für Inneres Karl B* für den 1. Oktober 1987 beabsichtigte (und im Ergebnis gelungene) Täuschung des Nationalrats über tatsächliche Vorgänge im Bundesministerium für Inneres, insbesondere über seine Untätigkeit in Ansehung ihm vorliegender Beweismittel betreffend Waffenlieferungen der Firma N* an den Iran, aktenmäßig abzudecken und solcherart den Nationalrat in seinem konkreten Recht auf Einleitung von Maßnahmen der rechtlichen Kontrolle der Vollziehung betreffend die bereits in öffentlicher Diskussion gestandene, vom Bundesministerium für Inneres am 7. März 1985 entsprechend dem Antrag der Firma N* bewilligte, sohin in die Verantwortlichkeit des genannten Ministers fallende (§§ 1 Abs. 1 bzw. 3 Abs. 3 KMG) Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Libyen (US 6, 7) zu beeinträchtigen. Dabei macht es keinen Unterschied, daß die sogenannte Chronologie zur Vorbereitung der vom Innenminister zufolge der „innenpolitischen Brisanz“ (US 45) für den 1. Oktober 1987 angekündigten Rede vor dem Nationalrat (vgl. Art. 75 B‑VG; § 19 NR‑GOG) diente und nicht etwa Grundlage für eine Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage (Art. 52 Abs. 1, Abs. 2 B‑VG) sein sollte.
Nach den Urteilsfeststellungen war der Vorsatz des (rechtskundigen in leitender Funktion des Bundesministeriums für Inneres tätigen) Angeklagten darauf gerichtet, den damaligen Innenminister durch Untermauerung dessen vor dem Nationalrat abgegebenen unwahren Erklärungen mittels des von ihm verfaßten unrichtigen Aktenvermerks zu unterstützen, wodurch die dem Bundesminister drohende Einleitung von Maßnahmen „bis hin zur Ministeranklage“ abgewendet werden sollte. Dadurch ist auch die subjektive Tatseite in Ansehung der von den Tatrichtern im Ergebnis angenommenen (Kontroll‑)Rechtsschädigung erfüllt. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß der damalige Bundesminister für Inneres Karl B* in dem gegen ihn beim Geschworenengericht des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zum AZ 20 q Vr 2623/92 (ua) wegen des Verbrechens nach § 302 Abs. 1 StGB anhängig gewesenen Strafverfahren mit dem – in Rechtskraft erwachsenen – Urteil vom 24. Juni 1993 insoweit (bloß) wegen des Vergehens der Bestimmung zur falschen Beurkundung im Amt nach §§ 12 zweiter Fall, 311 StGB verurteilt wurde.
Die auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO gestützte Rechtsrüge hinwieder stellt nicht auf den Urteilsinhalt ab. Denn mit der – zum Teil von der bisherigen Verantwortung abweichenden (vgl. S 123/IV) - Behauptung, er habe die Weisung des Bundesministers, einen Aktenvermerk herzustellen, nicht ablehnen können, und die Datierung dieses von ihm errichteten Aktenvermerks mit 13. September 1985 sei rechtsirrtümlich erfolgt, übergeht er die Urteilsfeststellungen, wonach er zur Vorbereitung der Erklärung des Innenministers in der Sitzung des Nationalrates vom 1. Oktober 1987 „um die Ausfertigung eines teilweise inhaltlich unrichtigen Aktenvermerkes“ ersucht worden war, den er „bewußt falsch“ datieren sollte (US 47). Demnach wäre er – vom Bundesminister für Inneres Karl B* zur Begehung eines Amtsmißbrauches bestimmt – gemäß § 44 Abs. 2 BDG nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen, diese Weisung seines Vorgesetzten abzulehnen. Indem der Beschwerdeführer insoweit nicht von dem tatsächlich als erwiesen angenommenen vollständigen Sachverhalt ausgeht, gelangt die Rüge nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Schließlich geht auch die Strafbemessungsrüge (Z 11) fehl, mit welcher der Beschwerdeführer einwendet, der Schöffensenat habe bei der Strafzumessung gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen. Er übersieht nämlich dabei, daß das Schöffengericht nicht die Beamteneigenschaft des Angeklagten als erschwerend wertete, sondern insofern bloß auf die Tatsache abstellte, daß der Angeklagte den Amtsmißbrauch als leitender Beamter des Staatspolizeilichen Dienstes setzte und damit dem Ansehen der Beamtenschaft insgesamt und der Staatspolizei im besonderen geschadet hat, zumal nach den bezüglichen Urteilsausführungen gerade von ranghohen Beamten, die („noch dazu“) im Schutz der Pragmatisierung stehen, in besonderem Maß zu fordern ist, daß sie sich gesetzwidrigen und erst recht strafgesetzwidrigen Weisungen, wie im Gesetz vorgesehen, widersetzen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 302 Abs. 1 StGB zu sieben Monaten Freiheitsstrafe, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.
Bei der Strafbemessung wertete es den Umstand, daß der Angeklagte die inkriminierte Tathandlung als leitender Beamter des Staatspolizeilichen Dienstes setzte und damit dem Ansehen der Beamtenschaft insgesamt und der Staatspolizei im besonderen wesentlich geschadet hat, als erschwerend, hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und die Tatbegehung unter der Einwirkung eines Dritten als mildernd.
Der Berufung des Angeklagten, mit welcher er die Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB anstrebt, kommt Berechtigung zu.
Die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe bedürfen nämlich insoweit einer Ergänzung, als dem Angeklagten der durch seine Aussage bewirkte wesentliche Beitrag zur Wahrheitsfindung und das Wohlverhalten seit der schon vor längerer Zeit begangenen Tat als weitere Milderungsgründe zugute kommen. Berücksichtigt man zudem die allgemeinen Verdienste des Angeklagten als leitender Beamter, ferner den Umstand, daß die Anstiftung zur Begehung des Amtsmißbrauches durch einen Vorgesetzten (Bundesminister) erfolgte, und stellt man bei Gewichtung des besonderen Milderungsgrundes des bisher ordentlichen Lebenswandels zudem noch das Alter des nunmehr 67‑jährigen Angeklagten in Rechnung, so rechtfertigt dies – unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung – die Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu erkennen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)