Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Edeltraud R***** und Wilhelm K***** der Finanzvergehen nach § 33 Abs 2 lit a und lit b FinStrG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von je 1,5 Mio S verurteilt.
Darnach haben sie in Wien als Geschäftsführer der S***** GmbH, Edeltraud R***** bis 17.Juni 1990 als deren leitende Angestellte, in Wahrnehmung der steuerlichen Agenden dieses Unternehmens als Mittäter (§ 11 erster Fall FinStrG)
I. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen, nämlich unter Abgabe unrichtiger Voranmeldungen, eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Abgabe der Vorauszahlung von Umsatzsteuer für die Monate Februar 1990 bis Juli 1991 um insgesamt 1,587.718 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, und zwar
1. in der Zeit vom 11.April 1990 bis 11.Februar 1991 um 1,101.025 S und
2. in der Zeit vom 11.März 1991 bis 11.September 1991 um 486.694 S;
II. vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1988 entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung der Lohnsteuer um 1,169.480 S und von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen um 210.506 S für die Monate Jänner 1990 bis Juli 1991 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten.
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die Edeltraud R***** (nominell) auf die Gründe der Z 5 und 8, Wilhelm K***** auf jene der Z 3, 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gründen. Den Strafausspruch fechten sie mit Berufung an.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten
Edeltraud R*****:
Die Urteilsannahme, daß die Angeklagte bis zu ihrer - durch die Generalversammlung bereits am 27.März 1990 beschlossenen, jedoch erst am 18.Juni 1990 im Handelsregister eingetragenen (S 87 f/I des in der Hauptverhandlung verlesenen Vorstrafaktes AZ 12 b E Vr 5324/92, Hv 2843/93 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) - Geschäftsführerstellung leitende Angestellte der Firma S***** GesmbH war (US 6), beruht auf einer logischen Schlußfolgerung aus ihrer eigenen Verantwortung. Darin hat die Beschwerdeführerin weder bestritten, bereits Monate vor dem 18.Juni 1990 zur Geschäftsführerin bestellt worden zu sein (S 26 iVm S 122 f, 191), noch sich auf eine Erweiterung ihrer Kompetenzen für die Zeit ab der bücherlichen Eintragung berufen. Auch sonst stand dieser Verantwortung kein Beweisergebnis entgegen (s ua S 57). Damit erübrigten sich - der Mängelrüge (Z 5) zuwider - im gegebenen Zusammenhang aber auch nähere Ausführungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).
Bei Feststellung der subjektiven Tatbestandskomponenten (zu II) stützte sich das Schöffengericht - logisch und empirisch einwandfrei - auf die in mehrfacher Hinsicht (US 9) auffallende äußere Form der "Rechnungen der K***** GmbH" (s Beilage II zu ON 50), welche in Verbindung mit der Art der von den Angeklagten behaupteten Geschäftskontakte für die Tatrichter ausschlaggebend dafür war, nach freier, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung (§ 258 Abs 2 StPO), die Verantwortung beider Angeklagten, von der Beschäftigung von "Schwarzarbeitern" nichts gewußt zu haben, als unglaubwürdig abzulehnen (US 9 f). Daß die S***** GmbH durch einen Steuerberater vertreten war und sich (teilweise) einer dritten Person zur Aufbuchung der Belege bediente (S 196 f), steht der gerügten Konstatierung nicht entgegen, weil diese Arbeiten unbestrittenermaßen nur auf der Basis der von den Angeklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen durchführbar waren. Der insoweit behauptete Begründungsmangel liegt daher gleichfalls nicht vor.
Die Behauptung, zum Urteilsfaktum II liege keine Anklage vor (Z 8), ist unzutreffend (s die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 21.Juli 1994, ON 15 im einbezogenen Akt ON 41).
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich (im Rahmen der Berufung) einwendet, das Erstgericht habe zu Unrecht auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2.Juni 1993, GZ 12 b E Vr 5324/92-34, mit welchem die Angeklagten wegen § 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB, § 114 ASVG zu je zwei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, nicht Bedacht genommen (der Sache nach Z 11), übersieht sie, daß der beim Zusammentreffen von Finanzvergehen mit gerichtlich strafbaren Handlungen anderer Art geltende Kumulierungsgrundsatz (§ 22 Abs 1 FinStrG) eine Bedachtnahme auf frühere Abstrafungen nur dann gestattet, wenn die frühere Strafe wegen eines Finanzvergehens verhängt worden ist (Dorazil-Harbich E 4 zu § 21 FinStrG; 14 Os 108, 109/95).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten
Wilhelm K*****:
Die fehlerhafte Bezeichnung der dem Angeklagten angelasteten strafbaren Handlungen in der schriftlichen Urteilsausfertigung (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 18.August 1995 (ON 62) der Urteilsverkündung (ON 52) angeglichen, womit der behaupteten Urteilsnichtigkeit (Z 3) die Grundlage entzogen ist. Ein in diesem Zusammenhang überdies behaupteter Begründungsmangel (Z 5) wird mit dem Einwand, der Urteilsspruch sei undeutlich und unvollständig, nicht dargetan.
Durch die Abweisung der von der Verteidigerin des Beschwerdeführers beantragten Einvernahme des Steuerberaters Franz St***** zum Beweis dafür, daß der Angeklagte "nicht vergessen hat, Steuer geltend zu machen oder Steuer zu zahlen" (S 229), wurden Verteidigungsrechte (Z 4) nicht verletzt.
Der Antrag versagt nämlich schon aus formellen Gründen, läßt er doch die nach Lage des Falles zur Überprüfung seiner Berechtigung gebotene Aufklärung darüber vermissen, inwieweit die von Franz St***** auf Grund einer ihm am 31.Mai 1991 erteilten Vollmacht für die (vom Schuldspruch nicht mehr erfaßten) Kalendermonate ab August 1991 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen (s den Körperschaftssteuerakt St.-Nr.: 081/8642) Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite, welche im übrigen nicht in einem (straflosen - Dorazil-Harbich § 34 Anm 1) "Vergessen" besteht, zuließen.
Auch die Mängelrüge (Z 5) geht fehl:
Die festgestellte Kompetenzaufteilung zwischen den beiden mit der Geschäftsführung betrauten Angeklagten (US 6) steht der Beschwerdeauffassung zuwider durchaus im Einklang mit den Aussagen der Zeugen Gustav S***** (vgl insbes S 57 f iVm S 201 f) und Margit G***** (S 197) sowie den Angaben der Mitangeklagten Edeltraud R***** (S 122 f, 191 f). Daß sie der auch insoweit leugnenden, jedoch mit mängelfreier Begründung vom Schöffengericht pauschal als unglaubwürdig abgelehnten Verantwortung des Beschwerdeführers widerspricht, kann die behauptete "Aktenwidrigkeit" (d.i. die unrichtige Zitierung eines Beweismittels) nicht begründen.
Gleiches gilt für die Konstatierung, daß dem Angeklagten die Steuerpflichten in bezug auf die S***** GmbH bekannt waren (US 7). Das Erstgericht stützte sich dabei - mängelfrei - auf das im Widerspruch zu seiner Verantwortung stehende Ausbildungsniveau des Beschwerdeführers. Die Depositionen des Zeugen S*****, er habe die Eingangsrechnungen gebracht (S 203), steht damit nicht im Widerspruch.
Daß der Beschwerdeführer den Verkürzungserfolg wissentlich herbeiführte (US 7), entspricht einer logischen und auch der Lebenserfahrung nicht widersprechenden Schlußfolgerung aus der ihm - wie bereits dargelegt mit mängelfreier Begründung - angelasteten Kenntnis davon, daß sich die S***** GmbH zur Durchführung von Bauarbeiten durchwegs illegal beschäftigter Personen bediente und der behauptete Subunternehmer K***** GmbH zur Verschleierung dieser Tatsache von den Geschäftsführern lediglich vorgetäuscht wurde. Von einer offenbar unzureichenden Begründung kann daher keine Rede sein.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entbehrt einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie unter dem Prätext von Feststellungsmängel mit Argumenten gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung die festgestellte subjektive Tatseite bestreitet und damit nicht vom - im gegebenen Rahmen bindenden - Urteilssachverhalt ausgeht.
Der Vorwurf, das Erstgericht habe auf die rechtskräftigen Bescheide der Finanzbehörden verwiesen, ohne eine eigene Prüfung vorzunehmen (der Sache nach Z 5), ist ebenfalls nicht berechtigt.
Gegen die Höhe der hinterzogenen Abgaben (zu I und II) haben die Angeklagten während des gesamten Verfahrens keinen Einwand erhoben. Indem das Schöffengericht die beiden mit dem Abgabeverfahren befaßten Beamten Andreas W***** (S 140 f) und Ernesto S***** (S 226 f) zu ihren Wahrnehmungen im Zusammenhang mit der Steuerprüfung bei der Firma S***** GmbH als Zeugen befragte, wurde es seiner Verpflichtung zur eigenständigen Nachprüfung der bereits durch die Finanzbehörden vorgenommenen qualifizierten Vorprüfung der Verdachtslage in Ansehung der objektiven Tatseite (14 Os 127/90) nach Lage des Falles durchaus gerecht.
Die Urteilsannahme, daß die Angeklagten zum Zwecke der Verringerung der Umsatzsteuervorauszahlungen, zur Erlangung von Vorsteuerguthaben und zur Verschleierung der Tatsache, daß Schwarzarbeiter beschäftigt wurden, Scheinrechnungen der tatsächlich nicht existierenden K***** GmbH zu Hilfe nahmen (US 7), schließt mit ein, daß der Beschwerdeführer "schuldhaft imstande war, Belege als Rechnungen zu erkennen bzw zu verwerfen". Zur insoweit vermißten Klarstellung bestand demnach kein Grund.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten waren daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über ihre Berufungen folgt (§ 285 i StPO).
Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390 a StPO.
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