OGH 14Os12/17x

OGH14Os12/17x4.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Frat H***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Jugendschöffengericht vom 4. November 2016, GZ 41 Hv 97/16w‑19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00012.17X.0404.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Frat H***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 8. August 2016 in S***** versucht, Sayad N***** durch Versetzen eines Messerstichs in die linke Nierengegend absichtlich eine schwere Verletzung zuzufügen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 10a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Die Verfahrensrüge (Z 3) moniert das Fehlen der Angabe des genauen Tatzeitpunkts im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), ohne darzulegen, weshalb dies (gerade hier) neben Datum und Ort zur Individualisierung der Tat erforderlich gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0117498).

Die Mängelrüge verfehlt mit dem Einwand undeutlicher und offenbar unzureichender Begründung (Z 5 erster und vierter Fall) die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit der Erwägungen des Erstgerichts (RIS‑Justiz RS0119370). Dieses stützte die kritisierten Feststellungen zum Fehlen einer (putativen) Notwehrsituation (US 2) nicht bloß auf die Verantwortung des Beschwerdeführers, sondern (von diesem übergangen) unter anderem auch auf die Art der Verletzung und die Aussage des Zeugen Neyamatullah A*****, das Opfer habe sich im Tatzeitpunkt in einer Fluchtbewegung befunden und dem Beschwerdeführer den Rücken zugekehrt (US 3). Der Beschwerdeansicht zuwider ist aus Sicht des Obersten Gerichtshofs für alle relevanten Urteilsadressaten unzweifelhaft erkennbar, dass die bekämpften Konstatierungen auf diesen – im Einklang mit Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungswerten stehenden – Erwägungen beruhen (RIS‑Justiz RS0117995, RS0118317).

Soweit in diesem Zusammenhang das Unterbleiben weiterer Beweisaufnahme „hinsichtlich des Vorliegens einer allfälligen Angriffssituation“ beklagt wird (der Sache nach Z 5a), unterlässt der Beschwerdeführer die erforderliche Darlegung, wodurch er an entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (RIS‑Justiz RS0115823).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus vom Erstgericht ohnehin erörterten Prämissen (den Aussagen des Opfers sowie der Zeugen Neyamatullah A***** und Mustafa O*****) für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen zieht, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0099674), sondern bekämpft (wie teils auch die Mängelrüge) mit der Behauptung, der Angeklagte habe sich „offensichtlich bedroht gefühlt“, bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert die methodengerechte Darlegung rechtsfehlerhafter Beurteilung der Diversionsvoraussetzungen unter strikter Beachtung der hiefür wesentlichen Tatsachenfeststellungen (RIS‑Justiz RS0116823). Diese Vorgaben missachtet der Beschwerdeführer, indem er das Vorliegen der Voraussetzung nicht schwerer Schuld (§ 7 Abs 2 Z 1 iVm § 19 Abs 2 JGG) auf Basis der Annahme einer – nicht konstatierten – (von ihm zumindest empfundenen) Bedrohung durch das Opfer und einer „jedenfalls einer Notstandssituation gleichkommenden persönlichen Ausgangslage“ behauptet. Die Forderung nach in diesem Sinn zu treffenden Feststellungen ignoriert den zum Teil gegenteiligen Urteilssachverhalt und unterlässt (im darüber hinausgehenden Umfang) den gebotenen Hinweis auf einen solchen Sachverhalt indizierende Verfahrensergebnisse (RIS‑Justiz RS0118580). Im Übrigen vernachlässigt die Rüge, dass angesichts der hier maßgeblichen Strafdrohung von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe nur – in den Entscheidungsgründen nicht zum Ausdruck gebrachte – besonders mildernde Umstände die Annahme nicht schwerer Schuld rechtfertigen könnten (vgl RIS‑Justiz RS0116021 T17).

Der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) zuwider verweist § 19 Abs 1 JGG lediglich hinsichtlich des Mindestmaßes, nicht jedoch des Höchstmaßes von angedrohten Freiheitsstrafen auf die Anordnung des § 5 (hier) Z 4 JGG. Das Erstgericht ging daher zutreffend von einem anzuwendenden Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe aus (US 3).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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