Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die "Berufung wegen Schuld" werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenen) Urteil wurde der 65-jährige Pensionist Georg A***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1, erster Deliktsfall, StGB und (des damit idealkonkurrierenden) Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber nachstehend angeführten, seiner Aufsicht unterstehenden unmündigen (daher auch minderjährigen) Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, und zwar
1. im Herbst 1990 in Loibichl die am 27.Oktober 1986 geborene Stiefenkelin Gislinde A***** wiederholt dadurch, daß er ihr zwischen die Beine auf ihren Geschlechtsteil griff und sich von ihr sein Glied streicheln ließ,
2. in der Zeit von April bis 20.August 1991 in Loibichl und in Mondsee die am 9.September 1982 geborene Enkelin Claudia A***** wiederholt dadurch, daß er sein Glied von ihr betasten und drücken ließ.
Nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung erbat sich der Angeklagte zunächst Bedenkzeit (S 105), meldete dann aber (rechtzeitig) durch seinen gemäß § 41 Abs. 2 StPO bestellten Verfahrenshelfer eine Nichtigkeitsbeschwerde und eine Berufung wegen Schuld und Strafe an (S 125). Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung führte der Verteidiger eine Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wegen Strafe aus (S 127 ff).
Rechtliche Beurteilung
Die (angemeldete, in der Folge zwar nicht mehr ausgeführte, aber auch nicht ausdrücklich zurückgezogene) "Berufung wegen Schuld" war zurückzuweisen, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen schöffengerichtliche Urteile in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehen ist.
Der auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Der Mängelrüge (Z 5) ist vorweg generell zu erwidern, daß das Gericht das Urteil nur in gedrängter Darstellung zu begründen hat (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO); es ist weder verpflichtet, jeden einzelnen vom Angeklagten oder Zeugen vorgebrachten Satz einer besonderen Erörterung zu unterziehen, noch ist es verhalten, sich mit jedem gegen seine Begründung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im voraus auseinanderzusetzen (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 7 und 8 zu § 281 Z 5).
Unter diesem Blickwinkel ist die als aktenwidrig gerügte (auf die Aussage des Zeugen Dr.Gerhard F***** gestützte) Urteilsfeststellung (US 5, letzter Absatz iVm 11, zweiter Absatz) zu sehen: "Bevor es zu den nunmehr festgestellten Unzuchtshandlungen mit Claudia und Gislinde A***** kam, trank der Angeklagte eine nicht mehr feststellbare Menge an alkoholischen Getränken und war zum Teil bei diesen Vorfällen betrunken". Dabei habe das Erstgericht aber - wie der Beschwerdeführer vermeint - wesentliche Teile der Aussage völlig außer acht gelassen, ohne sich damit auseinanderzusetzen, warum es wesentliche Aussagepunkte des Zeugen übergehe.
Mit diesem Vorbringen wird indes kein formeller Begründungsmangel aufgezeigt.
Denn abgesehen davon, daß die bezeichnete Urteilspassage keine wesentliche (weder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes relevante) Tatsache berührt, weil damit ersichtlich nur die durch übermäßigen Alkoholgenuß bewirkte Enthemmung des Angeklagten an nicht mehr exakt feststellbaren Vorfallstagen illustriert wird (vgl. hiezu Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 2 zu § 281 Z 5), findet diese Konstatierung nicht nur in der Aussage des genannten Zeugen (S 84, zweiter Absatz), sondern auch im schriftlichen Befund des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.A***** (ON 3; vgl. auch US 9, zweiter Absatz) sowie im Eingeständnis des Angeklagten in der Hauptverhandlung selbst (S 85 oben) eine aktenmäßige und zureichende Deckung.
Dies gilt auch für den weiteren Beschwerdeeinwand, "aus der gesamten Aussage des Zeugen Dr.F***** sei nicht zu entnehmen, der Angeklagte habe die ihm zur Last gelegten Vorwürfe eingestanden". Der Nichtigkeitswerber mißdeutet in diesem Zusammenhang offensichtlich die unmißverständliche, allein aus seiner Verantwortung (S 21-22 und 81) abgeleitete, jedoch nicht auf der Zeugenaussage Dris.F***** basierende Urteilsannahme (US 6 unten iVm 7, zweiter Absatz), der Angeklagte habe selbst sowohl bei Dr.F***** ... als auch bei
Dr.A***** ... die unsittlichen Kontakte zugestanden. Von einer Aktenwidrigkeit oder "einer nicht nachvollziehbaren und gänzlich unbegründet gebliebenen Mutmaßung des Gerichtes" kann daher keine Rede sein.
Inwiefern allerdings ein "doch erheblicher Widerspruch" zwischen der Urteilsbegründung bezüglich des Tatzeitraumes in Ansehung der unmündigen Claudia A***** (von April bis 20.August 1991) zu den Aussagen der Zeugen Carmen A***** (Mutter der Gislinde A*****), sie habe im Jänner 1991 von Roswitha A***** (Mutter der Claudia A*****) von den Unzuchtshandlungen gegenüber Gislinde A***** erfahren und Roswitha A***** laufend gefragt, ob jetzt was gewesen sei, worauf diese mit nein geantwortet habe, sowie des Gerhard A***** (Vater der Claudia A*****), er habe im August 1991 gesagt: "Das ist jetzt auch vorgekommen, sie hat dasselbe erzählt", vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun.
Bei der gegebenen Fallgestaltung ist die exakte Angabe der Zeitpunkte
der unzüchtigen Angriffe bzw. die weitergehende Eingrenzung des
Tatzeitraumes ohnehin nicht entscheidend (vgl. Mayerhofer-Rieder
StPO3 ENr. 7 zu § 260 und ENr. 31 zu § 262). Genug daran, daß die
unmündige Claudia A***** bei ihrer Befragung am 27.August 1991 vor
den Kriminalbeamtinnen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland
Oberösterreich deponierte (S 35): "In diesem Jahr (1991) ist es schon
ein paarmal vorgekommen, daß mein Opa von mir verlangt hat, daß ich
sein Pipi angreife. Dies war entweder im Wohnraum, im Keller meines
Opas, bei uns zu Hause in der Küche und im Keller ... weil ich nicht
wollte, nahm er meine Hand und tat sie dort hin ... Jedesmal sagte er
zu mir ...".
Wird aber - so wie vorliegend - behaupet, daß zwischen den vom Gericht vorgenommenen Tatsachenfeststellungen und dem diesen Feststellungen zugrunde gelegten Beweismaterial ein Widerspruch bestehe, so erweist sich dieses Vorbringen lediglich als Anfechtung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung, der nur eine formale Vergleichung gestattende Nichtigkeitsgrund der Aktenwidrigkeit wird damit aber nicht zur Darstellung gebracht (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 191 zu § 281 Z 5).
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat das Schöffengericht weder die Aussage des Zeugen Harald A***** noch jene der Monika W***** im Urteil übergangen, sondern vielmehr im ersten Fall dessen mangelnde Beweiskraft hervorgehoben (US 10 unten bis 11 oben), die Aussage der Zeugin W***** hingegen - soweit überhaupt erforderlich - mitberücksichtigt und in seine Erwägungen miteinbezogen (US 8 Mitte).
Nach Inhalt und Zielrichtung der Mängelrüge unternimmt sie in Wahrheit bloß den im Nichtigkeitsverfahren nach wie vor gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Versuch, die in einer Gesamtschau der Beweismittel in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) gewonnene und mit den Denkgesetzen im Einklang stehend begründete Überzeugung der Tatrichter von der Beweiskraft der herangezogenen Beweismittel zu bekämpfen und der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen.
Nichts anderes gilt für das Vorbringen in der Rechtsrüge (Z 9 lit. a), mit dem ausdrücklich die vom Schöffengericht denklogisch richtig gezogenen Schlußfolgerungen zur subjektiven Tatseite mit Bezug auf die Urteilsannahme, der Angeklagte sei bei diesen Vorfällen teilweise betrunken gewesen, bekämpft werden. Wie bereits zur Mängelrüge hervorgehoben wurde, wird durch diese (bloß illustrative) Konstatierung weder die Diskretions- noch die Dispositionsfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeiten berührt oder gar in Frage gestellt. Insoweit hält die Rüge daher nicht - wie dies erforderlich wäre - am entscheidungswesentlichen Urteilssachverhalt fest.
Der relevierte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund wird insbesondere auch nicht mit dem weiteren im Rahmen der Rechtsrüge erhobenen Einwand des Angeklagten, das Erstgericht käme lediglich auf Grund von Indizien zum Ergebnis seiner Täterschaft, gesetzmäßig dargestellt. Denn der Beschwerdeführer übergeht dabei, daß die Erkenntnisrichter seine Täterschaft ausdrücklich (US 9, letzter Absatz) auch "insbesonders auf Grund der Angaben der Kinder Gislinde A***** (S 29) und Claudia A***** (S 35)" als erwiesen angenommen haben. Die Beschwerde wendet sich insoweit gleichwie mit dem Hinweis, daß seit dem Bekanntwerden des angeblichen Vorfalls im Jänner 1991 von keinem Familienmitglied etwas gegen ihn (den Angeklagten) unternommen worden sei, erneut ausschließlich gegen die zu seinem Nachteil ausgefallene Beweiswürdigung der Tatrichter mit dem Ziel, seine Verantwortung als glaubwürdig darzustellen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt nach § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Gemäß § 285 i StPO ist das Oberlandesgericht Linz zur Erledigung der Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) zuständig.
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