Spruch:
Massimiliano F***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit - auch einen Teilfreispruch enthaltendem (S 357/VI) - Urteil vom 19. Dezember 2000 erkannte das Schwurgericht Bologna Massimiliano F***** schuldig, er habe (hier zusammengefasst wiedergegeben) im Zusammenwirken mit Michele D***** und Andrea S***** am 9. Mai 1998 in Wien Siegfried G***** durch einen Schuss auf den Nacken getötet (A.), ferner versucht, sich mittels gegen den Genannten, gegen je zwei Angestellte und gegen Kunden des Juweliergeschäfts H***** gerichteter Drohungen fremde Schmuckstücke und andere Wertsachen zuzueignen (B.), sowie eine Pistole Magnum Kaliber 357 an einem öffentlichen Ort getragen (C.). Es verhängte über ihn hiefür eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren (S 355-359/VI).
Den dagegen erhobenen Berufungen der Angeklagten gab die zweite Kammer des Berufungsgerichts Bologna mit Entscheidung von 22. März 2002 (ON 123) Folge und sprach (auch) Massimiliano F***** von den wider ihn erhobenen Vorwürfen frei.
Mit Beschluss vom 23. Jänner 2003 (ON 139) verhängte die Untersuchungsrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien über Massimiliano F***** nach Einleitung der Voruntersuchung wegen der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB und des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 StGB (S 485/VI) die Untersuchungshaft aus dem Grund des § 180 Abs 7 (Abs 2 Z 1, 2, 3 lit b) StPO. Dem Verfahren liegt der dringende Verdacht zu Grunde, Massimiliano F***** habe am 9. Mai 1998 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken mit Michele D***** und Andrea S***** Siegfried G***** durch einen Schuss in den Hinterkopf vorsätzlich getötet und versucht, Verfügungsberechtigten des Juweliergeschäfts H***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (zu ergänzen:) unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich Schmuckstücke und Wertsachen, mit dem Vorsatz abzunötigen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Mit Beschlüssen vom 4. Februar 2003 (ON 145), 4. März 2003 (ON 152), 5. Mai 2003 (ON 163) und 5. Juni 2003 (ON 178) wurde die Untersuchungshaft aus dem von Anfang an angenommenen Haftgrund (zuletzt nur mehr iVm § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b StPO) fortgesetzt. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. Juli 2003 (ON 184) gab das Oberlandesgericht Wien der gegen die zuletzt genannte Entscheidung erhobenen Beschwerde des Beschuldigten (ON 180) nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus dem Grunde des § 180 Abs 7 (Abs 2 Z 1 und 3 lit a) StPO bis längstens (§ 181 Abs 2 Z 3 StPO) 2. September 2003 fort.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige (S 3j5/I iVm S 359/VII) Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten mit der Behauptung, der Gerichtshof zweiter Instanz habe das Vorliegen der Haftvoraussetzungen unrichtig beurteilt, indem er einerseits den österreichischen Vorbehalt des Art 54 SDÜ unrichtig angewendet, andererseits den dringenden Tatverdacht mangelhaft begründet habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist nicht im Recht.
Wie das Oberlandesgericht zutreffend - und auch von der Beschwerde nicht bestritten - ausführt, hat die Republik Österreich gemäß Art 55 Abs 1 lit a SDÜ die Erklärung abgegeben, (ua) dann nicht durch das in Art 54 SDÜ normierte "Verbot der Doppelbestrafung" gebunden zu sein, wenn eine Tat, die bereits einem ausländischen (freisprechenden oder schuldigsprechenden) Urteil zu Grunde lag, ganz in ihrem Hoheitsgebiet begangen worden ist. Soweit die Beschwerde mit Blick auf diesen Vorbehalt teilweise Tatbegehung in Italien behauptet, weil das Führen der Tatwaffe (auch) auf italienischem Staatsgebiet Gegenstand der Verfahren vor dem Schwurgericht und dem Berufungsgericht Bologna gewesen sei, weicht sie in zwei einscheidenden Punkten von der Aktenlage ab: Zum einen hatten beide Urteile der Gerichte in Bologna ausschließlich in Wien gesetzte Tathandlungen zum Gegenstand (s S 355, 359, 379/VI), zum anderen ist das (unbefugte) Führen der Tatwaffe nicht Gegenstand der (in Österreich geführten) Voruntersuchung gegen Massimiliano F***** (s S 483/VI).
Auch das (weitere) Vorbringen, die Tat sei in Italien verabredet worden, findet im Akteninhalt keine Deckung. Insbesondere geht aus der von der Beschwerde isoliert zitierten Passage des Urteils des Berufungsgerichts Bologna (richtig: S 415 zweiter Absatz/VI), wonach der Zeuge Andrea V***** und Michele D***** sich einig gewesen seien, dass dieser und Massimiliano F***** nach Österreich gehen würden, um Raubüberfälle zu begehen, eine gemeinsame Planung der hier verfahrensgegenständlichen Tat durch Michele D*****, Andrea S***** und Massimiliano F***** nicht hervor.
Der Versuch der Beschwerde, solcherart aus dieser allgemein gehaltenen Äußerung einen Tatkonnex zu Italien abzuleiten, geht im Übrigen (auch) rechtlich fehl. Denn ein allfälliges gemeinsames Vorhaben, in einem bestimmten Staat ganz allgemein Raubüberfälle zu verüben, ist als noch strafloser Willensinhalt kein Tatelement zum Verbrechen des Raubes. Entsprechendes gilt für die Beschwerdeausführungen zum (ihrer Ansicht nach in Italien gesetzten) Tatbestand des verbrecherischen Komplotts (§ 277 Abs 1 StGB), weil dieser die - nach der Aktenlage nicht gegebene - Konkretisierung der wesentlichen Momente der geplanten Tat erfordert und überdies - wie auch die Beschwerde zugesteht - im Falle der Vollendung der verabredeten Straftat als dieser gegenüber subsidiär zurücktritt (Steininger in WK2 § 277 Rz 8, 14). Das unreflektierte wiedergegebene Zitat aus den Vorbemerkungen des Wiener Kommentars2 ("Das Komplott tritt gegenüber den verabredeten Delikt zurück, nicht aber die Bandenbildung") versagt, weil Bandenbildung die Verabredung von mindestens drei Personen voraussetzt. Die inländische Strafverfolgung des Beschuldigten F***** bezieht sich auf kein selbständig vertyptes Vorbereitungs- oder Versuchsdelikt.
Entgegen den (der Sache nach auf § 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten) weiteren Einwänden gegen die Annahme des dringenden Tatverdachts gründete das Oberlandesgericht das Vorliegen einer höhergradigen Wahrscheinlichkeit für die Tatbeteiligung des Beschuldigten logisch und empirisch einwandfrei primär auf die Aussagen des Zeugen V***** vom 8. September 1998 (S 297 ff/III), er sei, vom Tatgeschehen über den Raubüberfall in Wien von D***** nachträglich unterrichtet worden. Dabei erachtete es - ebenfalls formal einwandfrei - die Darstellung V*****s durch die Umstände bestätigt, dass der PKW Alfa Romeo des Mag. L***** (ON 43) entsprechend der Darstellung V***** in Venedig sichergestellt werden konnte und zweitens im Eingangsbereich des Tatortes ein Lederhandschuh mit einer Mischspur aufgefunden wurde, welche die vollständigen DNA-Merkmale D***** aufwies.
Mit dem Vorwurf hinwieder, der Gerichtshof zweiter Instanz habe sich mit dem Widerspruch nicht auseinandergesetzt, dass einerseits V***** in seiner Aussage vom 8. September 1998 zum Erscheinungsbild F*****s angegeben habe, dieser sei ca. 120 Kilo schwer, andererseits "Augenzeugen" aussagen würden, dass alle drei Täter ungefähr die gleiche körperliche Statur hatten, führt der Beschwerdeführer den (vermeintlichen) Begründungsfehler einer Unvollständigkeit schon mangels Hinweises auf ein konkretes Erhebungsergebnis zur letzteren Behauptung nicht deutlich aus. Ein erörterungsbedürftiger Widerspruch der Beweisergebnisse wird damit jedenfalls nicht dargetan. Im Übrigen ist dem Obersten Gerichtshof die Würdigung der gegebenen Beweise - wie sie der Beschwerde vorzuschweben scheint - verwehrt. Der eventualiter angeregten Unterbrechung des Verfahrens und Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH über die Frage der "teilweisen Tatbegehung in Italien" tritt der Oberste Gerichtshof nicht bei, weil das bezügliche Vorbringen - wie dargelegt - nicht nur von aktenwidrigen Prämissen ausgeht, sondern sich auch nicht am Gesetz orientiert.
Da sohin der Beschuldigte im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war seine Beschwerde - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators, jedoch entgegen einer dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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