OGH 14Os107/90

OGH14Os107/906.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Roland P*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach §§ 142 Abs 1, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 24. August 1990, GZ 33 Vr 646/90-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 28-jährige Roland P*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach §§ 142 Abs 1, 15 StGB und des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2, 15 StGB sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Das Verbrechen des Raubes liegt ihm zur Last, weil er in der Zeit von Dezember 1979 (gemeint: 1989) bis Februar 1990 in Linz teils im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten - mittlerweile rechtskräftig abgeurteilten - Eva Maria G*** mit Gewalt gegen andere Personen, indem er im Lokal "M***-W***" den jeweiligen Opfern "Rohypnol"-Tabletten in das Getränk mischte, wodurch diese Personen benommen wurden oder einschliefen, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz, und zwar in zwei Fällen (insgesamt etwa 2.500 S) bislang unbekannten Personen weggenommen und in einem weiteren Fall dem Albert G*** wegzunehmen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Nur den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubes bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Den Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung (am 20. August 1990) gestellten Antrages auf Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Arzneimittelwesen (S 243). Das Schöffengericht wies den Beweisantrag (in dieser Hauptverhandlung) mit der Begründung ab (S 256), daß zum einen nicht sicher sei, welches Medikament (als Tatbegehungsmittel) zur Anwendung gelangte, andererseits aber der Eintritt einer betäubenden Wirkung bei der gleichzeitigen Einnahme gewisser Medikamente wie "Rohypnol" oder "Valium" in Verbindung mit Alkohol ohnehin bekannt sei. Nachdem der Verteidiger diesen Beweisantrag in der am 24.August 1990 fortgesetzten Hauptverhandlung wiederholt hatte (S 265), brachte das Schöffengericht in den Urteilsgründen hiezu noch zum Ausdruck (S 281), daß dem Beweisantrag insoweit Rechnung getragen worden sei, als das im Verfahren (gegen Josef W***) zum AZ 21 Ur 89/90 (= 21 Vr 856/90) des Landesgerichtes Linz eingeholte Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. J***, das in der Hauptverhandlung verlesen worden sei (vgl S 259), über die Wirkung von "Rohypnol" in Verbindung mit Alkohol ebenso zweifelsfrei Aufschluß gebe wie das im Beiakt (Vorstrafakt betreffend den Beschwerdenführer) AZ 33 Hv 2/89 (= 33 Vr 2059/88 des Landesgerichtes Linz) erliegende Gutachten.

Der Argumentation des Schöffengerichtes ist im Ergebnis zuzustimmen. Daß es sich bei dem Medikament "Rohypnol" um ein Schlafmittel handelt, wodurch ein Schlafbedürfnis herbeigeführt und eine Schlafwirkung erzielt werden soll, ist ebenso gerichtsnotorisch wie die Tatsache, daß der gleichzeitige Genuß derartiger (Schlaf-)Mittel mit Alkohol aus medizinischer Sicht unterbleiben soll. Dazu kommt, daß gerade diese Frage, nämlich die Wirkung von "Rohypnol" insbesondere auch im Zusammenhang mit dem gleichzeitigen - medizinisch kontraindizierten - Genuß von Alkohol (Bier) in dem in der Hauptverhandlung (ersichtlich mit Zustimmung des Angeklagten) verlesenen und vom Schöffensenat für unbedenklich erachteten Gutachten des Sachverständigen eingehend erörtert wurde. Wenn aber die Beschwerde unter Bezugnahme auf die Eintragung im "Austria Codex", wonach bei gleichzeitiger Einnahme von "Rohypnol" und Alkohol allenfalls bloß eine Beeinflussung des Reaktionsvermögens (beispielsweise der Fahrtüchtigkeit im Straßenverkehr) zu gewärtigen sei, den Nachweis zu erbringen sucht, daß der Angeklagte die ihm zur Last liegenden Raubtaten "schon allein auf Grund der (ersichtlich gemeint geringen) Wirkung von Rohypnol (im Zusammenhang mit Alkohol) nicht begangen" haben könne, so übersieht sie, daß Wirkungsbeginn, Wirkungsintensität und Wirkungsdauer von der Dosis des jeweils eingenommenen Medikaments, in Verbindung mit Alkohol auch noch von dessen konsumierter Menge abhängig sind. Die Beschwerdebehauptung hinwieder, das Gutachten "aus dem Akt 33 Hv 2/90" sei in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden, ist aktenwidrig. Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll (vgl S 246) und den Urteilsgründen (S 281) ergibt sich nämlich, daß der Akt 33 Hv 2/89 des Landesgerichtes Linz zur Verlesung gelangte, in welchem Verfahren der Angeklagte mit Urteil vom 13.Februar 1989 wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 22 Abs 1 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet worden ist (S 13, 53, 246, 270, 276, 280). Soweit schließlich die Verfahrensrüge nunmehr die Frage der - im übrigen vom Sachverständigen Dr. J*** in dem eingangs zitierten Gutachten ohnedies erörterten - Löslichkeit des Medikaments "Rohypnol" in Bier, aber auch eines damit allenfalls verbundenen Aufschäumens oder der Bildung von "Flankerln" releviert, genügt der Hinweis, daß ein in diese Richtung zielender Beweisantrag nach dem Gesagten vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gar nicht gestellt worden ist (SSt 41/71 ua).

Durch die Abweisung des in Rede stehenden Antrages wurde der Beschwerdeführer somit in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt.

Aber auch die Mängelrüge ist nicht zielführend. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang eine Aktenwidrigkeit daraus abzuleiten sucht, daß in der Hauptverhandlung "in erster Linie von Tabletten" die Rede gewesen sei, während das Ersturteil ausschließlich von "Rohypnol" als Begehungsmittel ausgehe, so übersieht sie, daß diese Konstatierung in der Aussage der Zeugin Eva Maria G***, die zur Tatzeit zum Angeklagten in einem besonderen Naheverhältnis stand, eine ausreichende Stütze findet, wonach sie von P***, der im Umgang mit diesem Schlafmittel zugegebenermaßen Erfahrung hatte (S 67 verso, 248 iVm 276, 280), auf die Wirkung von "Rohypnol" im Zusammenhang mit Alkohol aufmerksam gemacht und in der Handhabung dieses Medikaments unterwiesen worden sei (S 78, 261 f). Wenn aber der Beschwerdeführer - übrigens im Gegensatz zu der zuvor behaupteten Aktenwidrigkeit - das Urteil als widersprüchlich rügt, weil es einmal von "irgendwelchen Medikamenten" ausgehe, "die eine Betäubung herbeiführen" könnten, an anderer Stelle jedoch die Verabreichung von "Rohypnol" unterstelle, läßt er unberücksichtigt, daß die bezügliche Formulierung die Wiedergabe von Verfahrensergebnissen betrifft, wonach "im Gasthaus bekannt war, daß der Angeklagte mit Tabletten arbeite, dh Gäste durch Eingabe von Rohypnol oder anderen Betäubungsmitteln widerstandsunfähig mache und sie dann bestehle" (S 273).

Aber auch mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag der Beschwerdeführer in Ansehung jener Raubtaten, bei denen die Tatopfer bislang unbekannt geblieben sind, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der bezüglichen Feststellungen nicht aufzuzeigen. Weder der von der Beschwerde ins Treffen geführte Umstand, die Erhebungen der Polizei hätten keinen untermauerten Hinweis auf eine Betäubung mit einem bestimmten Medikament erbracht noch der Einwand, die in der "M***- W***" tätigen Kellnerinnen hätten die Stammgäste offensichlich schonen wollen, sind - berücksichtigt man die aktenkundigen Verfahrensergebnisse in ihrer Gesamtheit - geeignet, jene schwerwiegenden Bedenken gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung aufkommen zu lassen, auf welche der relevierte Nichtigkeitsgrund (Z 5 a) abstellt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gemäß § 285 i StPO der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist.

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