Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Punkt B.I.c. des Freispruchs des Angeklagten Nihat G***** sowie in der Nichtannahme der Qualifikation des § 28 Abs 3 erster Fall SMG bezüglich der den Angeklagten Engin Y***** und Onur E***** unter Punkt C.1., 2. und 4. angelasteten strafbaren Handlungen sowie demzufolge die die Angeklagten Nihat G*****, Engin Y***** und Onur E***** betreffenden Strafaussprüche aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Die Angeklagten Nihat G*****, Engin Y***** und Onur E***** werden mit ihren Berufungen ebenso auf diese Entscheidung verwiesen wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer diese Angeklagten treffenden Berufung. Vorerst werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Jasmin H***** sowie die diesen Angeklagten betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft zugeleitet. Den Angeklagten Nihat G*****, Engin Y***** und Onur E***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch Teilfreisprüche enthaltenden Urteil - wurden Jasmin H***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG (A.1.) sowie des Vergehens nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG als Beteiligter gemäß § 12 dritter Fall StGB (A.2.), Nihat G***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B.) sowie Engin Y***** und Onur E***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (C.1.) und nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (C.2. und 4.) sowie des Vergehens nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (C.3.) schuldig erkannt.
Nach dem anfechtungsrelevanten Teil des Schuldspruchs (C.) haben Engin Y***** und Onur E***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmachte, nämlich
1. am 10. Jänner 2007 gemeinsam mit Nihat G***** 1.100 Gramm Heroin (zumindest 529,1 Gramm Reinsubstanz) aus der Türkei aus- und via Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich eingeführt;
2. am 28. Jänner 2007 durch Verkauf von 1,102,6 Gramm Heroin (zumindest 161 Gramm Reinsubstanz) an einen verdeckten Ermittler des BKA zum Gesamtpreis von 35.000 Euro in Verkehr gesetzt;
- 3. ....
- 4. Engin Y***** allein zwischen 10. Jänner und 27. Jänner 2007 durch Übergabe von etwa 400 Gramm Heroin (zumindest 192,4 Gramm Reinsubstanz) zum Aufstrecken und 3 Gramm Heroin (zumindest 1,44 Gramm Reinsubstanz) an Jasmin H***** und von etwa 10 Gramm Heroin (zumindest 4,81 Gramm Reinsubstanz) an den abgesondert verfolgten Safet S***** zum Weiterverkauf in Verkehr gesetzt.
Hingegen wurde - soweit für die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - Nihat G***** von Punkt A.2.c. der wider ihn erhobenen Anklage (ON 54), er habe im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Engin Y***** und Onur E***** Suchtgift, dessen Menge zumindest 25-fache der Grenzmenge ausmachte, am 28. Jänner 2007 durch Verkauf von 1.102 Gramm brutto Heroin (220 +/- 59 Gramm netto Reinsubstanz) an einen verdeckten Ermittler des BKA zum Gesamtpreis von 35.000 Euro in Verkehr gesetzt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (B.I.c.). Gegen die Nichtannahme der Gewerbsmäßigkeit (§ 28 Abs 3 erster Fall SMG) zu den Punkten C.1., 2. und 4. des Schuldspruches sowie gegen den unter Punkt B.I.c. des Urteilsspruchs erfolgten Freispruch des Angeklagten Nihat G***** richtet sich die auf die Gründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend macht die Mängelrüge (Z 5) geltend, das Erstgericht hätte die Angeklagten belastende Verfahrensresultate mit einer nicht den Gesetzen des folgerichtigen Denkens entsprechenden Begründung abgetan.
Wenngleich das Gericht nach § 258 Abs 2 StPO in der Beweiswürdigung vollkommen freie Hand hat und nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO nur verpflichtet ist, die entscheidenden Umstände in gedrängter Darstellung abzufassen, ohne sämtliche Verfahrensergebnisse detailliert zu erörtern, muss es in jedem Fall das für oder gegen die Annahme schuldrelevanten Tatsachen oder die Überzeugungshaft einzelner Beweise Aufschluss gebende Beweismaterial verwerten und - falls sich der Schöffensenat für die Glaubwürdigkeit der leugnenden Verantwortung der betroffenen Angeklagten (hier zur Frage der Gewerbsmäßigkeit) entscheidet - formell einwandfrei dartun, aus welchen Gründen es die in entgegengesetzte Richtung weisenden Beweisergebnisse für belanglos oder nicht hinreichend überzeugend hält. Wegen offenbar unzureichender Begründung ist demzufolge ein Urteil dann nichtig, wenn das Gericht für eine solche Feststellung entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe (Scheingründe) angegeben hat, aus denen sich nach Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444 ff).
Vorliegend hat das Erstgericht die für eine gewerbsmäßige Vorgangsweise sprechende Aussage des Angeklagten Engin Y*****, wonach Onur E***** und Nihat G***** nach dem erfolgreichen Verkauf des Heroins weitere und immer größere Mengen Heroin („das nächste Mal 5 kg"; S 139/I) nach Salzburg bringen und verkaufen wollten, mit der Begründung als belanglos abgetan, die diesbezüglichen Erklärungen E***** und G***** seien unüberlegt und nur der Euphorie des bis dahin geglückten Heroindeals zuzuschreiben gewesen, würden aber nicht auf eine konkrete Absicht erneuter Tatbegehung hinweisen, zumal sie ausdrücklich unter der Bedingung der erfolgreichen Abwicklung des Verkaufes getroffen wurden (US 28 f).
Der Umstand, dass die Fortsetzung der Tathandlungen vom erfolgreichen Verkauf des verfahrensgegenständlichen Heroins abhängig gemacht wurde, stellt jedoch für sich allein keine den logischen Denkgesetzen entsprechende Grundlage für die Annahme dar, die Ankündigung, weitere und größere Mengen Heroin einzuführen und in Verkehr zu setzen zu wollen, sei nicht ernst gemeint gewesen. Es liegt daher insoweit eine bloße Scheinbegründung vor, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Tatrichter bei logisch und empirisch einwandfreier Würdigung dieses Beweisergebnisses zu einer anderen Beurteilung der leugnenden Verantwortungen der Angeklagten und zu einer anderen (gegenteiligen) Feststellung gelangt wären.
Dazu kommt - worauf die Beschwerde gleichfalls zutreffend hinweist -, dass die Urteilsannahme, die Angeklagten E***** und Y***** hätten im Dezember 2006 beschlossen, in den Suchtgifthandel einzusteigen, um dadurch ihre finanzielle Lage aufzubessern (US 10), im Widerspruch zur Nichtannahme der Qualifikation des § 28 Abs 3 erster Fall SMG steht. Denn durch die Verwendung des Begriffes „Handel" wird unmissverständlich auf ein (beabsichtigtes) gewerbsmäßiges Inverkehrbringen - hier von Suchtmitteln - abgestellt (vgl etwa die Definition des Handels in § 5 Abs 4 TabMG).
Aber auch bezüglich des Freispruchs des Angeklagten Nihat G***** zu Punkt B.I.c. des Urteilsspruches zeigt die Anklagebehörde zu Recht Begründungsfehler (Z 5 vierter Fall) auf.
Denn die Urteilsannahme, es gebe keine Anhaltspunkte für eine (kausale) Beteiligung des Angeklagten G***** an den Suchtgiftgeschäften, seine Teilnahme an der Besprechung vom 27. Jänner 2007 im Lokal „Popeye" habe keinen Einfluss auf den von Y***** und E***** geplanten (und am folgenden Tag durchgeführten) Verkauf gehabt, blieb unbegründet. Das angefochtene Urteil legt in keiner Weise dar, weshalb die Beteiligung des Angeklagten G***** an dem oben zitierten Gespräch vom 27. Jänner 2007, bei dem Verhandlungstaktik und Verkaufspreis gemeinsam festgelegt wurden, wobei sich G***** ausdrücklich gegen einen Verkauf um 31.000 Euro aussprach und 35.000 Euro wollte (US 16), keinen Einfluss auf die Verwirklichung des Tatbestands in seiner konkreten Ausformung gehabt hätte und daher kein für den Tatablauf mit kausaler Tatbeitrag gewesen sein sollte (Fabrizy in WK2 § 12 Rz 81 ff).
Wegen der zutreffend aufgezeigten Begründungsmängel erweist sich die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung im Umfang der Aufhebung als unvermeidlich.
Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Rechtsrüge. Mit ihren Berufungen waren die von der Urteilsaufhebung betroffenen Angeklagten sowie die Staatsanwaltschaft, insoweit sie sich gegen deren Sanktionierung wendet, auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Vorerst waren die Akten dem Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung über die den Angeklagten Jasmin H***** treffenden Berufungen zuzuleiten (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)