OGH 14Os104/93

OGH14Os104/9313.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Juli 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred Roman W***** wegen des Verbrechens der teils versuchten Vergewaltigung während einer Lebensgemeinschaft nach §§ 201 Abs. 2, 203 Abs. 1 und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 27.April 1993, GZ 9 Vr 520/93-11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch wegen Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB unberührt bleibt, wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO im übrigen aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred Roman W***** - neben dem Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs.1 StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) - des Verbrechens der teils versuchten Vergewaltigung während einer Lebensgemeinschaft nach den §§ 201 Abs. 2, 203 Abs. 1 und 15 StGB schuldig erkannt, weil er

1. am 9.Jänner 1993 in Bergla, Bezirk Deutschlandsberg, seine Lebensgefährtin Elisabeth K***** mit Gewalt zur Vornahme von dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen, und zwar

a) eines Oralverkehrs nötigte, indem er ihren Kopf zu seinem erigierten Glied drückte,

b) eines Analverkehrs zu nötigen versuchte, indem er mit den Fäusten auf sie einschlug.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur den letztgenannten Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die Anlaß zu folgenden Erwägungen gibt:

Der bekämpfte Schuldspruch wegen der Verbrechensfakten (Punkte 1 a und b) ist mit materiellrechtlicher Nichtigkeit behaftet, die in dieser Richtung nicht ausdrücklich geltend gemacht wurde, jedoch zugunsten des Angeklagten gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war.

Die (minderschwere) Vergewaltigung (§ 201 Abs. 2 StGB) besteht im Nötigen zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung.

Nötigungsmittel sind Gewalt, Entziehung der persönlichen Freiheit oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben.

Im vorliegenden Fall stimmen Urteilssatz und Urteilsgründe hinsichtlich einzelner Tatbestandsmerkmale nicht überein (vgl. ua JBl. 1950, 39; SSt. 15/56) bzw. fehlen Feststellungen des wesentlichen Sachverhaltes in den Entscheidungsgründen (vgl. ua Mayerhofer/Rieder II/23, § 281 Z 9 a, EGr 8 u. 9).

Im Urteilsspruch zum Faktum 1 a ist - der Anklage folgend - vom Nötigungsmittel der Gewalt die Rede, in den Gründen gehen die Tatrichter hingegen davon aus, daß Elisabeth K***** den Oralverkehr auf Grund von - nicht angeklagten - Drohungen durchgeführt habe. Ob - nach der angenommenen Willensbeugung - in dem - an sich im Intimbereich nicht außergewöhnlichen - Umstand, daß W***** dann "während" (!) des Oralverkehrs, "den Kopf seiner Lebensgefährtin festgehalten (?) und gegen seinen Penis gedrückt (?)" hat, der (zusätzliche) Einsatz einer nicht ganz unerheblichen physischen Kraft, somit von "Gewalt", zur Überwindung des wirklichen oder vermuteten weiteren Widerstandes seiner Lebensgefährtin erblickt wurde, ist den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen.

Auch im Faktum 1 b vermögen die Urteilsgründe den Schuldspruch, wonach W***** die Elisabeth K***** durch Faustschläge zu einem Analverkehr zu nötigen versuchte, nicht zu tragen; sind die diesbezüglichen Ausführungen doch nur dahin zu verstehen (Urteil S 6), daß die - nicht näher beschriebenen - "Schläge" nach der Verweigerung des Analverkehrs lediglich die Reaktion des Angeklagten auf die Ablehnung dieser Sexualpraktik und die Verwendung des Schimpfwortes "Schwein" darstellten.

Da den in den entscheidungsrelevanten Passagen kursorischen Urteilsgründen somit nicht zweifelsfrei entnommen werden kann, von welchen Feststellungen das Erstgericht im Zusammenhang mit dem Anklagevorwurf der Vergewaltigung nach §§ 201 Abs. 2, 203 Abs. 1 StGB ausgegangen ist, liegt Nichtigkeit iS der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO vor, die, ohne daß es noch des Eingehens auf die geltend gemachten Gründe der Nichtigkeitsbeschwerde bedürfte, die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung erforderlich macht.

Gemäß dem § 285 e StPO war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung mit der Aufhebung des angefochtenen Teils der Entscheidung vorzugehen.

Der Angeklagte war mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

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