Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 2.719,20 (darin S 247,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte war beim Kläger vom 2. Jänner 1980 bis 26. November 1982 als Arbeiterin beschäftigt. Zufolge eines Irrtums des Klägers, der die Lohnverrechnung selbst vornahm, erhielt sie im Jahre 1981 für ihre vier ehelichen Kinder zusammen mit ihrem Lohn um S 12.400 zu viel an Familienbeihilfe ausbezahlt. Ab April 1982 führte das Steuerbüro H*** in Salzburg die Lohnverrechnung durch. Dennoch zahlte ihr der Kläger in der Zeit vom 1. Jänner bis 26. November 1982 wiederum irrtümlich mit dem Lohn um S 6.600 zu viel an Familienbeihilfe aus. Mit Bescheid vom 25. Oktober 1984 forderte das Finanzamt St. Johann im Pongau S 19.000 vom Kläger zurück, der den Betrag auch entrichtete.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Ersatz des rückerstatteten Betrages von der Beklagten.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Sie könne sich an die Höhe der bezogenen Familienbeihilfe nicht erinnern. Sie habe alle vom Kläger erhaltenen Familienbeihilfen in gutem Glauben empfangen und für die Kinder verbraucht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest:
Die Beklagte erhielt Mitte des Monats jeweils einen Lohnvorschuß und am Ende des Monats, vereinzelt auch am Beginn des nachfolgenden Monats, den restlichen Lohn samt Familienbeihilfe gegen Unterschrift ausgezahlt. Auf den Monatsabrechnungen war die Familienbeihilfe gesondert ausgewiesen. Die Beklagte kannte zwar die Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind und wußte auch etwas von einer Staffelung der Beträge, sie rechnete jedoch die ausgezahlten Löhne nie nach und es fiel ihr kein Irrtum auf. Warum es zu einer Überzahlung durch den Kläger kam, ist nicht geklärt. Die Beklagte verbrauchte die ihr zugekommene Familienbeihilfe für den Unterhalt der Kinder.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, daß die Beklagte eine einfache Frau sei, der man nicht vorwerfen könne, die Familienbeihilfen nicht nachgerechnet zu haben. Im Gegensatz zur verwaltungsrechtlichen Anordnung des § 26 Abs 1 FamLAG müsse beim zivilrechtlichen Erstattungsanspruch auf den guten Glauben beim Empfang der Überzahlungen und auf den Verbrauch der Familienbeihilfen zu Unterhaltszwecken Rücksicht genommen werden. Daher seien die Grundsätze des Judikates 33 (neu) zugunsten der Beklagten anzuwenden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger dem Ausgleichsfonds für die überzahlung an Familienbeihilfen hafte, da der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung verursacht worden sei. Gegen die Beklagte stehe ihm kein Rückforderungsanspruch gemäß § 1358 ABGB, sondern nur ein ausschließlich nach zivilrechtlichen Normen zu beurteilender Bereicherungsanspruch zu. Die Grundsätze des Judikates 33 (neu) müßten in allen jenen Fällen gelten, in denen die irrtümlich erbrachte Leistung die Funktion hatte, dem Lebensunterhalt des Empfängers zu dienen. Das sei auch bei irrtümlich zu viel ausgezahlter Familienbeihilfe der Fall. Der Kläger habe keinerlei Behauptungen über die Unredlichkeit der Beklagten aufgestellt. Es sei auszuschließen, daß sie vom Übergenuß gewußt habe. Da es generell Sache des Arbeitgebers sei, den Lohn einschließlich der Familienbeihilfe zu berechnen und auszuzahlen, habe sie sich darauf verlassen können, daß ihr alle von Seiten des Arbeitgebers zukommenden Leistungen auch wirklich zustehen. Die Überzahlung sei nicht auffallend hoch gewesen, da sie 1981 nur rund S 1.000 pro Monat und 1982 lediglich S 600 pro Monat betragen habe. Auch sei die Transparenz der Abrechnung dadurch getrübt worden, daß sie jeweils einen Vorschuß und darauf eine genau berechnete Restzahlung erhalten habe. Da es der Beklagten offensichtlich nicht auf Einzelpositionen, sondern im wesentlichen nur auf die Höhe des Auszahlungsbetrages angekommen sei, habe ihr die Überzahlung in der Teilposition Familienbeihilfe nicht auffallen müssen. Da schließlich die Mehrzahlungen zur Gänze zum Unterhalt der Kinder verbraucht worden seien, müsse sie diese Beträge nicht zurückerstatten. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist es für den Arbeitnehmer rechtlich nicht bedeutungslos, ob er zu wenig einbehaltene Lohnsteuer nachzuzahlen oder ob er zu viel ausgezahlte Familienbeihilfe rückzuerstatten hat. Nach § 82 Abs 1 EStG ist der Arbeitnehmer ungeachtet der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer Steuerpflichtiger, Steuerschuldner und Steuerträger (Schubert-Schuch-Pokorny-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2 921 f). Arbeitnehmer und Arbeitgeber haften für die Steuerverbindlichkeit des Arbeitnehmers gemeinsam als Gesamtschuldner im Sinne des § 891 ABGB (§§ 6 Abs 1, 7 Abs 1 BAO), so daß der Arbeitgeber mit der Abfuhr der vom Arbeitnehmer einbehaltenen Lohnsteuer eine fremde Schuld im Sinne des § 1358 ABGB zahlt, für die er persönlich haftet. Er tritt daher nach dieser Vorschrift in die Rechte des Gläubigers ein und ist befugt, vom Arbeitnehmer den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern (Arb. 9.884; DRdA 1985/2 ua).
Hingegen haftet der Arbeitgeber, der gemäß § 17 Abs 1 zweiter Satz FamLAG verpflichtet ist, die Familienbeihilfe gemeinsam mit den Bezügen auszuzahlen, dem Ausgleichsfonds gegenüber nach den §§ 22 Abs 3, 26 Abs 1 FamLAG für die Rückzahlung einer über das gebührende Ausmaß hinaus gezahlten Familienbeihilfe, soweit der unrechtmäßige Bezug - wie hier - ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch den Arbeitgeber verursacht worden ist. Damit ist klargestellt, daß der Empfänger der Familienbeihilfe abgabenrechtlich nicht in Anspruch genommen werden soll. Diese objektive Erstattungspflicht ist von subjektiven Momenten - wie Verschulden oder Gutgläubigkeit - unabhängig (Burkert-Hackl-Wohlmann-Reinold, Der Familienlastenausgleich § 26 S 1 f; VwGH Slg. NFF 1030, 2871, 3839; SrM VIII A 15; SSV 1977/169 ua).
Nach § 26 Abs 2 FamLAG wird durch diese Zuweisung der abgabenrechtlichen Haftung das Recht des Arbeitgebers auf Rückforderung der irrtümlich geleisteten Familienbeihilfe nicht ausgeschlossen. Dieser Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer ist aber im Gegensatz zum verwaltungsrechtlichen Ersatzanspruch ein auf die §§ 1431 ff ABGB gestützter privatrechtlicher Bereicherungsanspruch (Burkert-Hackl-Wohlmann-Reinold aaO; Urban, FamLAG § 26 Anm. 2). Nach der auf das Judikat 33 neu (Arb. 3.893) zurückgehenden Rechtsprechung können zu Unrecht ausgezahlte Dienstbezüge, sofern ihnen Unterhaltscharakter zukommt, dann nicht zurückgefordert werden, wenn sie der Arbeitnehmer in gutem Glauben empfangen und verbraucht hat (Arb. 5.715, 8.645, 8.804, 10.030, 10.476 mwH). Die neuere Rechtsprechung hat die Grundsätze des Judikates 33 (neu) nicht auf Unterhaltsleistungen im eigentlichen Sinn beschränkt, sondern diese Grundsätze auch dann gelten lassen, wenn die irrtümlich erbrachte Leistung, wirtschaftlich gesehen, ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Konstruktion die Funktion hatte, dem Lebensunterhalt des Empfängers zu dienen (DRdA 1979/11 mwH). Die Familienbeihilfe ist mit den Bezügen auszuzahlen und bildet einen Einkommensbestandteil des Anspruchsberechtigten (ZVR 1956/49, 1960/375; JBl 1982, 267 ua). Das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers ist bei einem allein durch den Arbeitgeber verursachten Übergenuß an Familienbeihilfe das gleiche wie bei einer irrtümlichen Überzahlung der Bezüge, weshalb sich die Beklagte auch in diesem Fall auf die für Kondiktionsansprüche allgemein geltende Bestimmung des § 1437 ABGB berufen kann, gilt (vgl. dazu Koziol-Welser7 I 379 f). Die dem Judikat 33 (neu) folgende Rechtsprechung wird nicht nur mit einem gewissen Schuldelement auf der Seite des Arbeitgebers begründet; ihr liegt vielmehr vornehmlich der Gedanke zugrunde, daß bei gutgläubigem Verbrauch des Mehrbezuges von einer echten Bereicherung des Arbeitnehmers nicht mehr gesprochen werden kann (ZAS 1987/1 mwH). Der Unterhaltscharakter der Familienbeihilfe, die zur Herbeiführung eines Lastenausgleichs im Interesse der Familie dient, ist nicht zu bezweifeln.
Da somit auf das Verhältnis der Streitteile die Bestimmung des § 1437 ABGB anzuwenden ist, ist dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten, daß es im Hinblick auf § 328 ABGB Sache des kondizierenden Klägers gewesen wäre, die Unredlichkeit der Beklagten zu behaupten und zu beweisen (Bydlinski in Klang2 IV/2 517; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser2 I 145; Wachter in FS Strasser 173 ff; ZAS 1980/2). Dazu stellte der Kläger aber keinerlei Behauptungen auf. Nach den im Rahmen des Klageanspruches getroffenen Feststellungen (JBl 1986, 121) kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte wußte oder nach den Umständen wissen mußte, daß ihr die vom Kläger ausgezahlten Familienbeihilfen nicht in dieser Höhe gebührten.
Es ist generell Sache des Arbeitgebers, den Lohn und nach Maßgabe der Eintragungen auf der Familienbeihilfenkarte auch die Familienbeihilfe zu berechnen und auszuzahlen. Der Arbeitnehmer darf daher grundsätzlich darauf vertrauen, daß der Arbeitgeber dieser Obliegenheit korrekt nachkommt und daß alle ihm von Seiten des Arbeitgebers zukommenden Leistungen ihm auch wirklich endgültig zustehen (Wachter aaO 175). Besondere Umstände, die dieses Vertrauen der Beklagten erschüttern konnten, liegen nicht vor. Der Kläger führte die Lohnverrechnung vorerst selbst durch und nahm letztlich dazu einen Steuerberater in Anspruch. Die Beklagte, die nur "etwas von einer Staffelung" der Familienbeihilfe wußte, konnte daher durchaus der Meinung sein, die ihr für die vier Kinder unterschiedlichen Alters zustehende Familienbeihilfe sei richtig ermittelt worden. Deshalb vermag auch der Einwand des Klägers, die Familienbeihilfe sei jeweils gesondert ausgewiesen worden, nicht zu überzeugen. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend aufzeigte, waren die Überzahlungen nicht auffallend hoch und die Transparenz der Höhe des Auszahlungsbetrages war durch die Aufteilung der Auszahlung in Vorschuß und Abrechnung gemindert. Da der Beklagten sohin beim Empfang und Verbrauch des rechtsgrundlosen Bezugs der Familienbeihilfenmehrbeträge keine Fahrlässigkeit zur Last fällt und der Übergenuß zur Gänze zu Zwecken des Lebensunterhalts verbraucht wurde, ist sie nicht zur Rückzahlung verpflichtet.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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