OGH 14ObA10/87

OGH14ObA10/877.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Otto Beer und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ursula S***, Arbeiterin, 4040 Linz, Pragerstraße 4, vertreten durch Dr. Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei L*** Gesellschaft für Verlagswerbung mbH, 2514 Traiskirchen, Wienerstraße 99, vertreten durch Dr. Peter Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 48.750,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 15.Oktober 1986, GZ 12 Cg 10/86-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 27.November 1985, GZ 3 Cr 114/85-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin schloß mit der Beklagten am 13.April 1984 eine als "Handelsvertretervertrag" bezeichnete schriftliche Vereinbarung, die unter anderem folgenden Wortlaut hat:

"§ 1

1. Der Vertreter übernimmt es, Kunden für die Firma zu werben und zwar als freier Handelsvertreter im Sinne des HGB...

§ 3

1. Der Vertreter erhält für seine Tätigkeit ausschließlich Provisionen.....

2. Von jeder Einzelprovision stellt der Vertreter einen Betrag von öS 30 % der Firma als Sprungreserve, bzw. als Kautionsguthaben zur Verfügung. Bei Ausscheiden des Vertreters bleibt die Kautionssumme noch 9 Monate bei der Firma stehen, um mit ihr eventuelle, danach noch entstehende Ansprüche der Firma zu verrechnen. Das geschieht in der Schlußabrechnung.

.........

§ 5

4. Kündigt der Vertreter den Vertrag ohne Vorliegen eines

wichtigen Grundes vorzeitig, oder stellt er seine Tätigkeit

vertragswidrig ein, so verfällt sein zu diesem Zeitpunkt bestehendes

Kautionsguthaben zu Gunsten der Firma. Die Stornohaftung bleibt

jedoch bis zur Schlußabrechnung bestehen. Die Firma behält sich

außerdem vor, eine Konventionalstrafe von öS 20.000,-- zu verlangen.

Die Geltendmachung eines weiteren Schadenersatzanspruches wird

dadurch nicht ausgeschlossen. Vorschüsse sind in der Stunde des

Ausscheidens zur Rückzahlung fällig.

......."

Die nunmehr beklagte Partei hatte bereits am 8.Mai 1985 zu 3 Cr 40/85 des Erstgerichts eine Klage gegen die nunmehrige Klägerin eingebracht, in der sie eine Provisionsüberzahlung von S 16.337,70 samt Zinsen zurückforderte. Sie hatte unter anderem vorgebracht, daß sich die Klägerin in einer arbeitnehmerähnlichen Stellung befunden habe, weil sie ausschließlich für die beklagte Partei tätig geworden sei und eine Verpflichtung zur Akquisitionstätigkeit bestanden habe. Dieses Verfahren endete am 23.Oktober 1985 mit einem Vergleich, mit welchem festgestellt wurde, daß das Kautionsguthaben der Klägerin nach § 3 des "Handelsvertretervertrages" S 48.750,-- beträgt. Mit der am 7.November 1985 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin von der beklagten Partei die Auszahlung dieses Kautionsguthabens. Sie brachte vor, daß sie als Angestellte der beklagten Partei jedenfalls aber in einer arbeitnehmerähnlichen Position Kunden für den Bücherbund, Buch- und Schallplattenhandelsverlag GmbH, akquiriert und von der beklagten Partei Provisionen bezogen habe. Die beklagte Partei weigere sich, das Kautionsguthaben auszuzahlen, da sie Schadenersatzforderungen aufrechnungsweise geltend machen wolle; eine solche Aufrechnung widerspreche aber den Bestimmungen des Kautionsschutzgesetzes. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete in der Tagsatzung vom 27.November 1985 eine Schadenersatzforderung von S 79.397,26 aufrechnungsweise bis zur Höhe des Klagebegehrens ein. Die Klägerin sei entgegen der schriftlichen Vereinbarung, wonach sie ihr Dienstverhältnis nur unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Monatsletzten hätte kündigen können, am 14.Jänner 1985 vom Vertrag zurückgetreten. Ein Angebot der beklagten Partei, den Austritt rückgängig zu machen, habe sie abgelehnt. Damit sei ihr Dienstverhältnis mit 14.Jänner 1985 als aufgelöst anzusehen; und sie habe der beklagten Partei den Verdienstausfall bis 28.Februar 1985 zu ersetzen. Das Kautionsschutzgesetz sei nicht anwendbar, da die Klägerin in keinem Dienstverhältnis zur beklagten Partei gestanden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens statt und traf folgende Feststellungen:

Die Klägerin, die in den Bundesländern Oberösterreich, Steiermark und Niederösterreich Kunden warb, erhielt ihre Provisionen in der Regel monatlich, zunächst mit Verrechnungsscheck und zuletzt bar durch Akontozahlungen. Entsprechend der schriftlichen Vereinbarung behielt die beklagte Partei jeweils einen Teil der Provision ein und schrieb diesen Betrag ohne jegliche Verfügungsmöglichkeit der Klägerin einem sogenannten Kautionskonto gut. Die Klägerin ging keinem anderen Erwerb nach und hatte neben den von der beklagten Partei geleisteten Provisionen kein weiteres Einkommen; sie war von der beklagten Partei wirtschaftlich abhängig. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß das Kautionsschutzgesetz nach seinem Schutzzweck nicht nur auf ordentliche Dienstverhältnisse, sondern auch auf arbeitnehmerähnliche Personen anzuwenden sei. Nach § 1 KautSchG dürfe eine Kaution nicht durch Einbehalten eines Teils der verdienten Provisionen ohne Verfügungsmöglichkeit des Kautionsbestellers geschaffen werden; eine gesetzwidrige Kaution könne nach § 4 1 c jederzeit zurückgefordert werden. Die von der beklagten Partei aufrechnungsweise eingewendeten Schadenersatzansprüche seien nach § 2 KautSchG verfristet, da die beklagte Partei durch die Verletzung des Kautionsschutzgesetzes nicht besser gestellt sein könne, als es bei der Bestellung einer gesetzlich zulässigen Kaution der Fall sei. Danach sei aber eine Aufrechnung nur innerhalb von vier Wochen nach Beendigung des Dienstverhältnisses zulässig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG von neuem und traf nach Velesung der vorgelegten Urkunden aus dem "Handelsvertretervertrag" die eingangs unter § 3 Z 2 und § 5 Z 4 wiedergegebenen Feststellungen. Es vertrat die Ansicht, daß es nicht streitentscheidend sei, ob die Klägerin von der beklagten Partei wirtschaftlich abhängig gewesen und zu ihr in einem Dienstverhältnis gestanden sei; auf die Anwendbarkeit des Kautionsschutzgesetzes komme es nicht an:

Nach § 3 Z 2 des "Handelsvertretervertrages" sei die beklagte Partei nämlich nur neun Monate lang berechtigt gewesen, die Kaution zur Verrechnung mit allfälligen, nach Vertragsende entstehenden Ansprüchen gegen die Klägerin zurückzubehalten. Diese Befristung sei als ein nach Ablauf von neun Monaten nach Vertragsauflösung wirksames Aufrechnungsverbot aufzufassen. Zum selben Ergebnis komme man, wenn man die infolge Fristablaufes vertragswidrige Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes durch die beklagte Partei als eigenmächtigen Entzug der Kaution im Sinne des § 1440 Satz 2 ABGB ansehe. Andere Einwände gegen den Anspruch der Klägerin, insbesondere den des Verfalls der Kaution gemäß § 5 Z 4 des "Handelsvertretervertrages", habe die beklagte Partei nicht erhoben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Der Revision kommt in ihrem Aufhebungsantrag Berechtigung zu. Nach § 101 Abs.2 ASGG sind für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln und die Gründe, die mit ihnen geltend gemacht werden können, die bis 31.Dezember 1986 hiefür geltenden Vorschriften maßgebend, wenn das Datum der Entscheidung des Berufungsgerichtes - so wie hier - vor dem 1.Jänner 1987 liegt. Es können daher im arbeitsgerichtlichen Revisionsverfahren nicht nur dem Berufungsgericht unterlaufene Mängel, sondern auch Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens berücksichtigt werden, da diese zugleich auch Mängel des Berufungsverfahrens sind (Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren, 143; Fasching, Lehr- und Handbuch Rz 1909; Arb.7982, 8126 u.a.).

Das Berufungsgericht hielt die zum Teil berechtigte Mängelrüge der beklagten Partei für unerheblich, weil es eine Aufrechnung gegen die Kaution schon aus der im "Handelsvertretervertrag" enthaltenen Beschränkung der Zurückbehaltungsfrist auf neun Monate ausschloß. Daß die beklagte Partei innerhalb dieser Frist aufgerechnet hätte, sei weder behauptet worden noch aus dem Vorprozeß 3 Cr 40/85 aktenkundig. Abgesehen davon, daß der Akt 3 Cr 40/85 des Erstgerichts nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens war - die Feststellung, daß der Akt verlesen worden sei, ist nach dem Inhalt des Protokolls über die mündliche Berufungsverhandlung vom 15.10.1986 aktenwidrig - , überraschte das Berufungsgericht damit beide Teile mit einer Rechtsauffassung, die sie nicht beachtet hatten und auf die sie bisher nicht aufmerksam gemacht worden waren. Die Klägerin hatte sich zur Abwehr einer Aufrechnung mit Schadenersatzforderungen der beklagten Partei ausdrücklich nur auf das Kautionsschutzgesetz berufen und auf die neunmonatige Frist des § 3 Z 2 des "Handelsvertretervertrags" keinen Bezug genommen. Damit entfiel aber auch für die beklagte Partei die Notwendigkeit, entsprechendes Vorbringen zu erstatten, zumal sich das vom Berufungsgericht angenommene Aufrechnungsverbot aus dem Wortlaut des Vertrages nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zwingend ergibt. Für die Ansicht des Berufungsgerichtes spricht allerdings, daß eine Barkaution dem Kautionsnehmer das Recht einräumt, künftige Ersatzansprüche gegen den Rückforderungsanspruch des Kautionsgebers aufzurechnen (RZ 1956, 93; MietSlg.22.118). Wurde dieses Recht ausdrücklich befristet, dann kann davon ausgegangen werden, daß die Vertragsteile eine spätere Kompensationsmöglichkeit ausschließen wollten. Im vorliegenden Fall läßt aber die Wendung "....bleibt die Kautionssumme noch neun Monate bei der Firma stehen, um mit ihr eventuelle, danach noch entstehende Ansprüche der Firma zu verrechnen....", auch die Deutung zu, daß vor neun Monaten ab Vertragsende, gleich einer Sperrfrist, überhaupt noch keine Rückzahlung der Kaution erfolgen sollte, gleichgültig, ob Gegenforderungen entstanden sind oder nicht. Gegen die vorbehaltslose Annahme, daß nach dieser Frist keine Aufrechnung mehr möglich wäre, spricht ferner das ebenfalls erwähnte Erfordernis einer - unbefristeten - Schlußrechnung. Es bleibt somit doch noch ein gewisser Auslegungsspielraum, der bisher in keiner Weise erörtert wurde. Ähnliches gilt für die Ausführungen des Berufungsgerichtes über den eigenmächtigen Entzug der Kaution, da auch diese Überlegungen auf den Ablauf der neunmonatigen Frist aufbauen. Selbst ein "objektiver" Vertragsinhalt, der aber von den Parteien übereinstimmend nicht gewollt ist, könnte nicht auf ihren Willen zurückgeführt werden (Rummel in Rummel ABGB, § 863 Rz 8). Das Berufungsgericht wird daher seine Rechtsansicht vorerst mit den Parteien zu erörtern und falls Beweise angeboten werden, diese aufzunehmen haben.

Rechtliche Beurteilung

Ist das vom Berufungsgericht unterstellte vertragliche

Aufrechnungsverbot aber noch nicht spruchreif, dann ist das

Verfahren erster und zweiter Instanz insofern noch mangelhaft

geblieben, als die Voraussetzungen der Anwendung des

Kautionsschutzgesetzes nicht weiter geprüft wurden. Durch den zu

3 Cr 40/85 des Erstgerichtes abgeschlossenen Vergleich wurde

zwischen den Streitteilen klargestellt, daß es sich bei dem von der

Klägerin geltend gemachten Anspruch um einen solchen auf Rückzahlung

eines Kautionsguthabens handelt. Ein Vertrag, mit dem entgegen § 1

Abs.1 lit.b KautSchG eine Kaution bestellt wird, ist aber nichtig,

das auf Grund des Vertrages Geleistete kann jederzeit

zurückgefordert werden. Einer sonst bei Kautionen nach ihrem Zweck

gegebenen Aufrechnungsmöglichkeit (GlU 2894; RZ 1956,93 =

EvBl 1956/151; SZ 7/239) steht entgegen, daß die Kaution zufolge der

Ex-tunc-Wirkung der Nichtigkeit (Krejci in Rummel ABGB, § 879

Rz 251) zu einer eigenmächtig entzogenen und in Verwahrung

genommenen Sache im Sinne des § 1440 ABGB wurde. Nach § 2 KautSchG,

BGBl. Nr.229/1937 i.d.F. BGBl.50/1948 ist der Kautionsberechtigte

überdies verpflichtet, die wirksam bestellte Kaution binnen vier

Wochen nach Auflösung des Dienstverhältnisses, wenn der Dienstnehmer

aber zur Rechnungslegung verpflichtet ist, binnen vier Wochen nach

gelegter Rechnung freizugeben, es sei denn der Dienstgeber macht

innerhalb dieser Frist Schadenersatzansprüche gerichtlich geltend.

Hier ist das der Befristung nachfolgende Aufrechnungsverbot bereits

aus dem Gesetz abzuleiten, wobei es nach dem Schutzzweck keine Rolle

spielen kann, ob die Kaution zulässiger- oder unzulässigerweise

bestellt wurde. Da nicht behauptet wurde, daß die Klägerin noch zur

Rechnungslegung verpflichtet sei, und die beklagte Partei ihre

Schadenersatzansprüche nicht binnen vier Wochen ab Vertragsauflösung

gerichtlich geltend machte, könnte sie - die Anwendbarkeit des

Kautionsschutzgesetzes vorausgesetzt - dem berechtigten Anspruch auf

Rückforderung der Kaution durch die Klägerin ihre

Schadenersatzansprüche auch nicht mehr aufrechnungsweise

entgegensetzen. Daß die Kaution auch für den Fall der vorzeitigen

unbegründeten Kündigung vereinbart wurde, verschlägt nichts

(Spielbüchler, Arbeitsrecht 2 I 119; Arb.6074, 7169; SozM I A/e

575).

Richtig ist, daß das Kautionsschutzgesetz zunächst nur auf das Vorliegen eines "Dienstverhältnisses" und eines "Dienstvertrages" Bezug nimmt. Nach § 8 dieses Gesetzes sind aber unter "Dienstverträgen" auch Lehr-, Praktikanten- und Volontärverträge zu verstehen, und gemäß dem 2.Absatz dieser Bestimmung ist das Gesetz auch auf die Arbeitsverhältnisse der Heimarbeiter sinngemäß anzuwenden. Während das Lehrverhältnis trotz seines Ausbildungszwecks den Arbeitsverhältnissen zuzurechnen ist, wird etwa der Volontär, der ebenfalls in einem Ausbildungsverhältnis steht, nicht den Dienstnehmern zugeordnet (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 121); er erhält daher meist kein oder nur ein geringfügiges Entgelt. Ihm nahe steht der Praktikant, der die praktische Tätigkeit in Ergänzung einer theoretischen Ausbildung kennen lernen will. Auch Heimarbeiter gelten nicht als Arbeitnehmer;

sie sind zwar wirtschaftlich unselbständig, aber persönlich weitgehend unabhängig (Schwarz-Löschnigg aaO, 127 f mwN;

Spielbüchler aaO, 26 und 45). Aus diesem sehr weiten Anwendungsbereich ist entgegen der Ansicht der beklagten Partei abzuleiten, daß das Kautionsschutzgesetz nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für jene Personen gelten soll, die auf Grund ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit arbeitnehmerähnlich sind. Die normative Bedeutung des § 2 Abs.1 Satz 2 ArbGG erschöpft sich nicht in der Regelung der sachlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes; sie führt vielmehr weiter zur analogen Anwendung arbeitsrechtlicher Prinzipien auf die dort genannten Personen (Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht 8). Arbeitnehmerähnliche Personen werden daher in bezug auf Vorschriften, welche - wie jene des Kautionsschutzgesetzes - die wirtschaftliche Schwäche im allgemeinen berücksichtigen, den Arbeitnehmern gleichgestellt (Spielbüchler aaO 26; SozM I A/e 911).

Bei Arbeitnehmerähnlichkeit liegt zwar ein Arbeitsvertragsverhältnis an sich nicht vor, doch sind die Kriterien fremdbestimmter Arbeit in erheblichem Umfang gegeben. Arbeitnehmerähnliche Personen sind rechtlich selbständig, wirtschaftlich aber unselbständig und stehen deshalb einem Arbeitnehmer näher als einem Unternehmer (Arb.6300). Gerade bei "selbständigen" Handelsvertretern kommt es vor, daß sie sich ihrem Auftraggeber gegenüber wirtschaftlich in einer ähnlichen Situation befinden, wie sie für Arbeitnehmer typisch ist (Arb.5496); es überwiegt die Fremdbestimmtheit ihrer Tätigkeit (Schwarz-Löschnigg aaO 125 f). Ob die Klägerin bei ihrer Tätigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen ist, ist daher nach ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit zu beurteilen (Arb.6138). In erster Instanz beschränkte die beklagte Partei ihr diesbezügliches Vorbringen darauf, daß zwischen den Streitteilen kein "Dienstverhältnis" vorgelegen sei; anderereits behauptete sie - im Widerspruch dazu - eine zeitwidrige Kündigung des "Dienstverhältnisses" durch die Klägerin. Soweit das Erstgericht allein auf Grund einer informativen Befragung der Klägerin und daher mangelhaft (Fasching Komm.II 872) Feststellungen über deren wirtschaftliche Unselbständigkeit traf, brachte die beklagte Partei in der Berufung neben ihrer Mängelrüge - zulässigerweise - neu vor, daß keinerlei wirtschaftliche Unselbständigkeit der Klägerin bestanden habe. Die Klägerin sei nämlich während der Dauer des "Handelsvertretervertrages" mit ihr auch für die A***-Versicherung tätig geworden und habe in einer Handelsagentur gearbeitet (S 33). Wohl kann wirtschaftliche Unselbständigkeit auch bei Beschäftigung durch mehrere Auftraggeber vorliegen, doch könnte eine überwiegende anderweitige Erwerbstätigkeit der Klägerin ihre Beziehung zur beklagten Partei nicht mehr als typisch für einen Arbeitnehmer erscheinen lassen. Das Berufungsgericht hat es zufolge seiner aufgezeigten Rechtsansicht unterlassen, die angebotenen Beweise aufzunehmen und überhaupt Feststellungen über die Frage der Arbeitnehmerähnlichkeit der Klägerin zu treffen. Damit ist das Berufungsverfahren mit einem wesentlichen Mangel behaftet, der abstrakt geeignet ist, die Unrichtigkeit der Entscheidung herbeizuführen (Fasching, Lehr- und Handbuch Rz 1765). Das Berufungsgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren die beantragten Beweise aufzunehmen und daraus sowie aus dem vorliegenden "Handelsvertretervertrag" ergänzende Feststellungen über die wirtschaftliche Position der Klägerin gegenüber der beklagten Partei zu treffen haben.

Aus diesen Erwägungen war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Erlassung eines Teilurteils nach § 391 Abs.3 ZPO kam nicht in Betracht, da der Anspruch auf Rückforderung der Kaution und die eingewendeten Schadenersatzansprüche im rechtlichen Zusammenhang stehen (vgl. Rummel in Rummel ABGB, § 1440 Rz 22).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

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