OGH 14Ob3/86

OGH14Ob3/8628.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Riedler sowie die Beisitzer Dr. Viktor Schlägelbauer und Dr. Gerald Mezriczky als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz FRIESSNEGG, KFZ-Mechaniker und Karosseur, Oberhaag, Wugitz 11, vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei A*** K*** Gesellschaft mbH in Werndorf, Bundesstraße 100, vertreten durch Dr. Harold Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 43.712,75 brutto sA (Streitwert im Revisionsverfahren S 39.631,05) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 4. Juli 1985, GZ. 2 Cg 29/85-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 9. Juli 1984, GZ. 2 R 315/83-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.069,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer und S 240,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 16. Juli 1979 bis 15. Juli 1983 als KFZ-Mechaniker- und Karosseurlehrling tätig. Anschließend arbeitete er dort als Geselle weiter. Auf dieses Dienstverhältnis hat der Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe Anwendung zu finden. Am 1. September 1983 wurde der Kläger entlassen.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Bezahlung des Betrages von S 43.712,75 brutto sA und führte aus: Die Entlassung sei erfolgt, obwohl er der beklagten Partei am 12. Juli 1983 Mitteilung vom Erhalt eines Einberufungsbefehles gemacht habe und eine Zustimmung des Einigungsamtes zur Entlassung nicht beantragt worden sei. Da er kein Interesse an der Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses habe, mache er folgende Ansprüche geltend:

a) Den Rest der Entlohnung für August 1983 in der Höhe von

S 1.118,50 brutto,

b) den von der beklagten Partei einbehaltenen aliquoten Teil des Urlaubszuschusses in der Höhe von S 1.840,25 brutto,

c) anteilige Weihnachtsremuneration für die Zeit vom 1. Jänner bis 1. September 1983 in der Höhe von S 4.115,17 brutto,

d) eine Kündigungsentschädigung für drei Monate einschließlich Sonderzahlung und Wohnungsbeihilfe in der Höhe von S 28.296,90 brutto,

e) eine Urlaubsentschädigung für 23 Urlaubstage in der Höhe von

S 8.341,93 brutto, zusammen also S 43.712,75 brutto. Die beklagte Partei stellte die Höhe des Klagebegehrens sowie den Umstand, daß 23 Urlaubstage unverbraucht seien, außer Streit, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein:

Der Kläger habe seine Einberufung zum Bundesheer gegenüber der beklagten Partei nicht bekanntgegeben. Die Entlassung sei zu Recht erfolgt. Der Kläger habe nämlich im Auftrag seines Vorgesetzten einen havarierten PKW abgeschleppt und in die Werkstätte der beklagten Partei gebracht. Dort habe er aber mit dem Halter des Fahrzeuges einen Kaufvertrag abgeschlossen. Er habe den Wagen aus der Werkstatt weggebracht und im offensichtlichen Pfusch selbst repariert. Der Kläger habe das gleiche Verhalten schon zweimal gesetzt. In beiden Fällen sei er aufs schärfste verwarnt worden und es sei ihm für den Fall der Wiederholung die Entlassung angedroht worden. Das Verhalten des Klägers sei daher als beharrliche Pflichtverletzung zu werten. Auffallend sei, daß der Kläger jedesmal nach dem Ankauf eines havarierten Wagens in der Folgezeit im "Krankenstand" gewesen sei; offensichtlich habe er in diesem Zeitraum die Autos repariert und wiederum verkauft. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. Juli 1984 stellte der Kläger "außer Streit", daß sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Autokauf bzw. Autoverkauf des Zeugen Christian S*** einen Entlassungstatbestand nach § 82 der Gewerbeordnung darstellt, und stützte sein Klagebegehren ausschließlich auf die Unwirksamkeit der Entlassung im Sinne des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger einen Betrag von S 4.081,70 samt Anhang zu bezahlen und wies das Mehrbegehren in der Höhe von S 39.631,05 sA ab. Es erachtete die Entlassung für wirksam. Der zugesprochene Betrag setzt sich aus dem Restlohn für August 1983 in der Höhe von S 1.118,50 brutto, der mit S 1.222,95 brutto errechneten Urlaubsabfindung und dem zu Unrecht einbehaltenen Teil des Urlaubszuschusses in der Höhe von S 1.840,25 brutto zusammen.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsabweisenden Teil dieses Urteils gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende Feststellungen:

Der anzuwendende Kollektivvertrag verneint einen Anspruch auf Weihnachtsremuneration unter anderem bei Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers. Im Frühjahr 1983 hat der Kläger einen PKW "Audi 80" einem Kunden der beklagten Partei abgekauft, der diesen PKW zunächst als Wrack für einen neuen PKW bei der beklagten Partei in Zahlung geben wollte. Die Verhandlungen darüber waren bereits weit gediehen. Der Audi 80 befand sich schon in der Werkstätte der beklagten Partei und dessen Restwert war bereits durch einen Versicherungssachverständigen ermittelt und dem Kunden bekanntgegeben worden. Dieses Geschäft wurde vereitelt, weil der Kläger den PKW für sich persönlich kaufte und herrichtete, um ihn dann selbst zu verwenden. Wegen dieses Verhaltens wurde der Kläger verwarnt und es wurden ihm Folgen angedroht. Vor dem 1. September 1983 hat der Kläger wiederum einem Kunden der beklagten Partei, nämlich Christian S***, einen schwer beschädigten PKW VW Golf GTI abgekauft, der bereits in die Werkstätte der beklagten Partei geschleppt worden war, um dort entweder im Auftrag des Christian S*** repariert oder als Wrack für einen neuen PKW in Zahlung gegeben zu werden. Christian S*** hatte den Auftrag zum Zerlegen des PKW erteilt, weitere Reparaturarbeiten aber nicht mehr durchführen lassen, weil ihm mitgeteilt worden war, daß die Reparatur nicht - wie ursprünglich angenommen - S 50.000, sondern S 60.000 zuzüglich Umsatzsteuer kosten würde und der Wrackwert mit S 6.000 eingeschätzt werde, während der Kläger ihm S 15.000 für das Wrack zusicherte. Christian S*** kaufte bei der beklagten Partei zwar einen neuen PKW, gab ihr aber nicht das Wrack in Zahlung, weil der Kläger mit seinen S 15.000 den von der Beklagten veranschlagten Wrackwert wesentlich überschritten hatte. Dadurch wurde die beklagte Partei um die Möglichkeit gebracht, das Wrack instandzusetzen und mit Gewinn zu veräußern. Vor der Entlassung des Klägers erhielt die beklagte Partei keine Kenntnis davon, daß der Kläger zum Präsenzdienst einberufen worden sei. Der Einberufungsbefehl zum ordentlichen Präsenzdienst war dem Kläger im Juli 1983 zugestellt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus: Der Kläger habe seinen Entlassungsschutz im Sinne der §§ 3, 6 und 7 Abs. 1 zweiter Satz ArbPlSichG verloren. Ein Entlassungstatbestand sei erfüllt. Gemäß § 76 GewO 1859 sei ein Arbeiter seinem Dienstgeber gegenüber unter anderem zur Treue verpflichtet. Das müsse wenigstens bedeuten, daß ein Dienstnehmer die bereits konkret angebahnten Geschäfte seines Dienstgebers nicht durch eigene Geschäfte vereiteln dürfe. Das habe der Kläger aber in zwei Fällen getan, davon das zweite Mal nach einer ausdrücklichen Verwarnung, die so gehalten gewesen sei, daß der Kläger in einer dem Ernst der Lage angepaßten Weise zur Einhaltung seiner Pflichten aufgefordert worden sei. Das Verhalten des Klägers erfülle daher zumindest einen Entlassungstatbestand nach § 82 lit. f GewO 1859 zweiter Tatbestand. Ob der Kläger zusätzlich den zweiten Tatbestand des § 82 lit. e GewO erfüllt habe, könne unerörtert bleiben. Da die Entlassung sich damit als gerechtfertigt erwiesen habe, sei der Anspruch des Klägers auf Kündigungsentschädigung, Weihnachtsremuneration und Urlaubsentschädigung zu Recht abgewiesen worden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß ein Entlassungsschutz im Sinne des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes nicht bestand. Es ist daher nur zu prüfen, ob ein Entlassungsgrund im Sinne des § 82 GewO 1859 - die Geltung dieser Bestimmung wurde durch den § 376 Z 47 GewO 1973 aufrecht erhalten - gegeben ist. Nach § 82 lit. e zweiter Fall GewO 1859 darf der Arbeitnehmer entlassen werden, wenn er ohne Einwilligung des Gewerbeinhabers ein der Verwendung beim Gewerbe abträgliches Nebengeschäft betreibt. Ein solches Nebengeschäft liegt vor, wenn eine der Verwendung im Gewerbe abträgliche Tätigkeit des Dienstnehmers in der Absicht erfolgt, sie wiederholt zu verrichten. Die abträgliche Auswirkung kann ua. darin bestehen, daß das Nebengeschäft im Gewerbe des Dienstgebers betrieben wird, der Dienstnehmer also seinem Dienstgeber Konkurrenz macht (Arb. 10.267 ua.). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Dienstnehmer seinen Dienstgeber bei zu erbringenden Arbeiten planmäßig unterbietet, sondern auch dann, wenn der Dienstnehmer Erwerbsgeschäfte seines Dienstgebers wiederholt dadurch verhindert, daß er dem Verhandlungspartner des Dienstgebers die Sache, über die zwischen diesen beiden verhandelt wird, abkauft und dabei allenfalls den Dienstgeber überbietet.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger, nachdem er bereits im Frühjahr 1983 den Erwerb eines Wracks durch seinen Dienstgeber verhindert hatte, indem er dieses Wrack selbst kaufte, trotz Verwarnung neuerlich ein bereits in der Werkstätte der klagenden Partei befindliches Wrack gekauft und dadurch dieser die Möglichkeit genommen, das Wrack zu erwerben, zu reparieren und mit Gewinn zu veräußern. Unabhängig davon, ob der Kläger das zuletzt erworbene Wrack für sich selbst oder zum Weiterverkauf (nach allfälliger Reparatur) gekauft hat, liegt darin ein abträgliches Nebengeschäft iS des § 82 lit. e, zweiter Fall GewO 1859, weil sowohl die Wiederholungsabsicht als auch die Konkurrenzierung des Dienstgebers, verwirklicht sind. Es ist dabei gleichgültig, wie gut oder wie schlecht das Geschäft für den Dienstgeber gewesen wäre und für den Dienstnehmer war, weil letzterer jedenfalls gegen das Interesse des Dienstgebers an einer eigenen Entscheidung gehandelt hat (abgesehen davon, daß erfahrungsgemäß sowohl die Eigenreparatur von beschädigten Fahrzeugen wie auch die Inzahlungnahme durch Händler oft Gewinn verspricht.

Da somit die Entlassung aus dem Grunde des § 82 lit. e zweiter Fall GewO 1859 gerechtfertigt ist war der Revision des Klägers der Erfolg zu versagen, ohne daß auf den Entlassungsgrund des § 82 lit. f GewO 1859 einzugehen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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