Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 257,25 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die als Raumpflegerin im Betrieb der beklagten Partei beschäftigte Klägerin wurde am 8.11.1982 entlassen. Sie focht diese Entlassung beim Einigungsamt Salzburg gemäß den §§ 106 f ArbVG an. In der am 9.12.1982 vor diesem Einigungsamt stattgefundenen mündlichen Verhandlung schlossen die durch Rechtsanwälte vertretenen Parteien folgenden Vergleich:
"1. Das Dienstverhältnis zwischen den Parteien wird einvernehmlich mit 31.12.1982 aufgelöst.
2. Die Antragstellerin wird bis zu diesem Zeitpunkt dienstfrei gestellt und konsumiert bis zu diesem Zeitpunkt die ihr zustehenden Urlaubsansprüche.
3. Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, der Antragstellerin zu Handen Dr. Peter C***, Rechtsanwalt in Salzburg, sämtliche gesetzlichen und kollektivvertraglichen Ansprüche inklusive der Abfertigung jedoch ohne Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
4. Die Antragstellerin Katharina S*** verpflichtet sich bei Exekution, die ihr bittleihweise überlassene Garconniere im Haus 5101 Bergheim 360, top.2, bestehend aus einem Wohnraum, einem Waschraum/Toilette und einem Abstellraum bis längestens 31.3.1983 zu räumen und der Antragsgegnerin R*** B***
reg.Gen.m.b.H. geräumt zu übergeben unter Verzicht auf jedweden Räumungsaufschub.
5. Hiemit sind sämtliche gegenseitigen, wie immer Namen habenden Ansprüche verglichen."
Dieser Vergleich wurde unter anderem auch von der Antragstellerin und ihrem Rechtsvertreter unterschrieben. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin der beklagten Partei, ihrer ehemaligen Arbeitgeberin gegenüber die Aufhebung dieses Vergleiches wegen Irreführung. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, der Vergleichsabschluß sei nach der Einvernahme eines (sie belastenden) Zeugen erfolgt. Die Angaben dieses Zeugen seien jedoch unrichtig gewesen und hätten ihre Person herabgewürdigt, sodaß sie geweint habe. Sie habe ihrem Rechtsvertreter zwar gesagt, daß die Zeugenangaben unrichtig seien, doch sei dieser in der Folge von der Richtigkeit dieser Zeugenangaben ausgegangen. Als schließlich auch der Arbeitnehmerbeisitzer ihr einen Vergleich nahegelegt habe, seien alle ihre Einwendungen von ihrem Rechtsvertreter abgetan worden. Sie habe zuerst den protokollierten Vergleich nicht unterschreiben wollen, doch sei sie sowohl von ihrem Rechtsvertreter als auch von dem erwähnten Beisitzer eindringlich dazu aufgefordert worden. Ihr Rechtsvertreter sei dabei insofern von einem Irrtum ausgegangen, als er die Angaben des Zeugen für richtig gehalten habe. Er habe sie überdies nicht über die mit dem Abschluß des Vergleichs verbundenen Rechtsfolgen aufgeklärt. Die darin eingegangene Räumungsverpflichtung sei ihr erst nach einer Vorsprache in der Kammer für Arbeiter und Angestellte klar geworden. Schließlich seien beide Vertragsparteien davon ausgegangen, daß die Entlassung von einer hiezu befugten Person ausgesprochen worden sei. Der betreffende Angestellte sei aber dazu nicht berechtigt gewesen. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und bestritt das Vorliegen von Anfechtungsvoraussetzungen, insbesondere eine Irreführung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende noch wesentliche Feststellungen:
Die Verhandlung vor dem Einigungsamt, in der der den Gegenstand dieses Verfahrens bildende Vergleich abgeschlossen wurde, dauerte viereinhalb Stunden. Die in dieser Verhandlung durchgeführten Beweisaufnahmen ergaben eine für die Klägerin aussichtslose Situation. Von seiten des Senates des Einigungsamtes und des Rechtsvertreters der Klägerin, Rechtsanwalt Dr. C***, wurde hierauf versucht, der Klägerin das für sie günstige Vergleichsanbot der Antragsgegnerin nahe zu bringen. Es wurden ihr die Chancen des Einigungsamtsverfahrens und die Wirkungen des vorgeschlagenen Vergleichs erläutert. Dr. C*** stellte der Klägerin, nachdem er ihr alle Möglichkeiten und Folgen eines Vergleichs erklärt hatte, frei, den Vergleich abzuschließen. Der Klägerin war, bevor sie den Vergleich unterfertigte, die Wirkung dieses Vergleichs bewußt. Sie wurde weder durch die Mitglieder des Senats noch durch andere Verhandlungsteilnehmer in Irrtum geführt.
Mangels Vorliegens einer Irreführung verneinte das Erstgericht das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 30.000 übersteige. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und billigte dessen rechtliche Beurteilung.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die nur aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin wirft dem Berufungsgericht lediglich vor, es sei auf die Frage, ob der Irrtum der Klägerin rechtzeitig aufgeklärt worden sei, nicht eingegangen und habe dazu keine Feststellungen getroffen.
Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts war die Klägerin in einem die Anfechtung des Vergleichs - da das Einigungsamt kein Gericht, sondern eine Verwaltungsbehörde ist, ist der angefochtene Vergleich kein gerichtlicher Vergleich im Sinne des § 204 ZPO, sondern ist ein Vergleich im Sinne des § 1380 ABGB - rechtfertigenden Irrtum im Sinne des § 1385 ABGB nicht befangen. Der Vergleich wurde erörtert, der Klägerin erklärt und ihr der Abschluß des Vergleichs ausdrücklich freigestellt; sie wurde durch niemanden in Irrtum geführt.
Aber selbst wenn die Klägerin, die den Vergleich unterschrieb und zumindest die Gelegenheit hatte, seinen Inhalt vorher durchzulesen, in einem den anderen an der Verhandlung teilnehmenden Personen nicht erkennbaren und von diesen auch nicht veranlaßten Irrtum befangen gewesen sein sollte, wurde dieser nicht rechtzeitig aufgeklärt. Der Vergleich wurde nämlich nicht nur von beiden Seiten unterfertigt, sondern auch in der Folge zumindest in wesentlichen Punkten durchgeführt. Die Klägerin hat nach ihren eigenen Angaben in der Folge die ihr auf Grund des Vergleichs zustehenden Entgeltbeträge erhalten und angenommen. Damit hatte aber die beklagte Partei im Vertrauen auf die dem Vergleich zugrundeliegende Erklärung der Klägerin gehandelt (SZ 42/121 mwH, ua.). Irgendwelche Feststellungen über die Frage der Rechtzeitigkeit einer Aufklärung des Irrtums waren schon aus diesem Grunde entbehrlich. Die in der Klage aufgegriffene, in der Revision nicht mehr relevierte Frage eines Irrtums über die Entlassungsbefugnis jenes Angestellten der beklagten Partei, welcher die Entlassung der Klägerin aussprach, ist für die Entscheidung schon deshalb ohne Bedeutung, weil der Arbeitgeber, welche die von einer hiezu nicht befugten Person ausgesprochene Entlassung auch dadurch nachträglich genehmigen kann (§ 1016 ABGB), daß er sich in einen Prozeß über eine solche Entlassung einläßt und sich zu ihr bekennt (Kuderna, Das Entlassungsrecht, 13).
Der Anfechtung des Vergleichs fehlt somit schon aus den dargelegten Gründen die Berechtigung, sodaß auf weitere Fragen, etwa, ob die Klägerin berechtigt wäre, nur die sich aus dem Vergleich für sie ergebenden Verpflichtungen, nicht aber auch die darin enthaltenen Ansprüche von der Anfechtungserklärung umfaßt wissen will - diese Frage wurde von den Untergerichten offensichtlich nicht aufgeworfen - auf sich beruhen kann. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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