European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0140NS00006.9300000.0309.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Ablehnung des Oberlandesgerichtes Wien (einschließlich dessen Präsidenten) ist nicht gerechtfertigt.
Zur Entscheidung über die Ablehnung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
Nachdem das Oberlandesgericht Wien erst mit Beschluß vom 26.Jänner 1993, AZ 21 Bs 16/93 (= ON 49 der Strafakten), einer Haftbeschwerde des Beschuldigten Anton B* nicht Folge gegeben hatte und für den 11.März 1993 die (inzwischen allerdings abberaumte) Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien angeordnet worden war (ON 61), langte am 18.Feber 1993 beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein als Haftbeschwerde bezeichneter neuerlicher Enthaftungsantrag des Anton B* ein, indem er zugleich ‑ wie schon früher (vgl. ON 43 und 44) ‑ den gesamten Gerichtshof erster Instanz und das gesamte Oberlandesgericht Wien (einschließlich dessen Präsidenten) wegen Befangenheit ablehnte (ON 60).
Rechtliche Beurteilung
Zur Entscheidung über die Ablehnungserklärung in Ansehung des ganzen Landesgerichtes für Strafsachen Wien ist das Oberlandesgericht Wien berufen (§ 74 Abs. 2 zweiter Halbsatz StPO). Da dieser Gerichtshof zweiter Instanz aber vom Beschuldigten seinerseits in seiner Gesamtheit abgelehnt wird, hat zuvor der Oberste Gerichtshof über die Zulässigkeit der Ablehnung des Oberlandesgerichtes Wien zu entscheiden (§ 74 Abs. 2 dritter Halbsatz StPO).
Anton B* begründet seine Ablehnung des Oberlandesgerichtes Wien ‑ sinngemäß ‑ damit, daß das Landesgericht für Strafsachen Wien und das Oberlandesgericht Wien "als Instanzen gemeinsam als Bande wiederholt Verbrechen" (des Mißbrauchs der Amtsgewalt) gegen ihn begangen hätten, und zwar insbesondere durch ungerechtfertigte Verhängung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft sowie durch die Vereitelung seiner berechtigten Haftentschädigungsansprüche.
Die Ablehnung ist nicht gerechtfertigt.
Gemäß § 72 Abs. 1 StPO kann der Beschuldigte Mitglieder des Gerichtes ablehnen, wenn er außer den in den §§ 67 bis 69 StPO bezeichneten Fällen (der Ausschließung) andere Gründe anzugeben und darzutun vermag, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit des Abzulehnenden in Zweifel zu setzen. Diese Ablehnungsgründe müssen genau angegeben und nach Möglichkeit bescheinigt werden (§ 73 zweiter Satz StPO). Die Ablehnung eines Richters ist nur dann gerechtfertigt, wenn Umstände vorliegen, die aus objektiver Sicht zur Befürchtung Anlaß geben, der Abgelehnte könnte sich bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Gründen leiten lassen (EvBl. 1973/326 uva). Daraus folgt, daß Ablehnungserklärungen immer personsbezogen sein müssen, auf unsubstantiierte und haltlose Pauschalvorwürfe ohne individuellen Gehalt ‑ wie sie hier gegen die Gesamtheit der Richterschaft des Oberlandesgerichtes Wien vorgebracht werden ‑ aber nicht einzugehen ist (vgl. 14 Ns 11/91 mwN, 14 Ns 17/92, 13 Ns 24/92 uva).
Der Ablehnung war daher ein Erfolg zu versagen.
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