OGH 13Os96/91

OGH13Os96/916.11.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kandera als Schriftführerin in der Strafsache gegen Julius Rudolf L***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 148, 2. Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.Mai 1991, GZ 9 c Vr 7060/89-92, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu den Urteilsfakten I./1. bis 9. und 11., II. und III. und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Julius Rudolf L***** wurde mit dem angefochtenen (auch unbekämpft gebliebene Teilfreisprüche enthaltenden) Urteil der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 148, 2. Fall, StGB und des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 129 Z 1 und 130 StGB sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Es wird ihm angelastet, vom 18.Dezember 1986 bis zum 5.Juli 1989 in Wien und Niederösterreich mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte verschiedener Postämter, Banken und Kreditinstitute durch sein Auftreten als redlicher Scheckinhaber, somit durch Täuschung über Tatsachen, und durch Vorlage von für 17 verschiedene Personen (bzw Unternehmen) ausgegebenen Schecks, die er selbst ausgefüllt und auf denen er die Unterschrift des jeweiligen Kontoinhabers nachgemacht hatte, also unter Benützung falscher Urkunden, zur Ausfolgung von Bargeld in der Gesamthöhe von 792.000 S (im Urteil irrig: 792.500 S), sohin zu Handlungen verleitet zu haben, durch welche die Geldinstitute bzw Kontoinhaber in dieser Höhe am Vermögen geschädigt wurden, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung der schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (I. des Urteilsspruches).

Ferner liegt ihm zur Last, am 23.Juli und am 12.August 1987 in Wien mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich insgesamt 2.700 S Bargeld und ein Feuerzeug im Wert von 6.000 S, durch Einbruch in zwei PKW in der Absicht weggenommen zu haben, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (II.), sowie vom 18. Dezember 1986 bis 10.November 1987 in vier Fällen Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich ihm bei Diebstählen zugekommene Führerscheine, Zulassungsscheine und einen Reisepaß, mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, zu verhindern, daß diese Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten, Rechtsverhältnissen und Tatsachen gebraucht werden (III.).

Rechtliche Beurteilung

Die auf den § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wendet sich gegen den Schuldspruch zu den Punkten I./ 1.) bis 9.) und 11.) (Manipulation mit insgesamt 169 verfälschten Scheckformularen mit einer Schadenshöhe von 422.000 S), II. und III. des Urteilstenors, während der Schuldspruch zu den Punkten I./ 10.) sowie 13.) bis 17.) (Manipulationen mit 148 Scheckformularen und einer Gesamtschadenshöhe von 370.000 S) unbekämpft blieb.

Die Mängelrüge (Z 5), mit der dem bekämpften Schuldspruch im wesentlichen Aktenwidrigkeit vorgeworfen wird, ist im Recht.

Der Schuldspruch geht davon aus, daß der Angeklagte ihm durch selbst oder auch von Dritten verübte Diebstähle zugekommene Scheckformulare ausfüllte, die Unterschriften der Berechtigten nachmachte und die so gefälschten Schecks sodann einlöste. Das Schöffengericht stützte sich bei den bekämpften Schuldspruchsfakten ausschließlich auf das als schlüssig beurteilte Gutachten des Schriftsachverständigen (unter zusammengefaßter Wiederholung von dessen Argumentation, AS 281/IV) und führt aus, dieser komme zum Schluß, die (handschriftlichen) Scheckeintragungen auf den gefälschten Scheckformularen stammten mit "sehr hoher Wahrscheinlichkeit" von der Hand des Angeklagten (AS 279, 281/IV). Bei sehr hoher Wahrscheinlichkeit verbleibe nur mehr ein minimaler Unsicherheitsfaktor, weil sich dieser Wahrscheinlichkeitsgrad (nach den Ausführungen des Sachverständigen, AS 246/IV) knapp unter der absoluten Sicherheit bewege; weitere Abstufungen der Wahrscheinlichkeit seien noch die "hohe Wahrscheinlichkeit" sowie "Wahrscheinlichkeit".

Wie die Beschwerde zu Recht rügt, ging das Schöffengericht dabei jedoch von aktenwidrigen Überlegungen aus.

Der befaßte Schriftsachverständige kam nämlich in seinem Gutachten (sowie im Ergänzungsgutachten) lediglich zum Schluß, daß (bei den bekämpften Schuldspruchfakten) die fraglichen Scheckeintragungen mit "hoher Wahrscheinlichkeit" und nicht mit "sehr hoher Wahrscheinlichkeit" von der Hand des Angeklagten stammen (AS 435/III, 197/IV). Die Übereinstimmung in allgemeinen Merkmalen allein und/oder einigen wenigen besonderen Schriftmerkmalen reichen nach dem Gutachten des Sachverständigen für eine eindeutige Zuordnung nicht aus (AS 431/III, 195/IV), weil die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen weder der Qualität noch der Quantität nach den Schluß zulassen, nur der Angeklagte komme als Täter in Frage (AS 246/IV).

Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn in den Entscheidungsgründen der Inhalt eines Beweismittels unrichtig wiedergegeben wird (Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr 185 und 189 zu § 281 Z 5). Im vorliegenden Fall ist der Mangel erheblich, weil der angefochtene Schuldspruch nur auf die dargestellte Aktenwidrigkeit gegründet wird, weswegen er auch Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung begründet (vgl Mayerhofer-Rieder aaO, ENr 192 und 193).

Aber auch der Schuldspruch zu den Punkten II. und III. des Urteilsspruches ist mit der gleichen Nichtigkeit behaftet. Die Tatrichter gingen nämlich davon aus, es sei in diesen Punkten deswegen auf die Täterschaft des Angeklagten zu schließen, weil zwischen den einzelnen Diebstählen (bei denen dem Angeklagten auch die unterdrückten Urkunden zugekommen sein sollen) und der Präsentation der verfälschten Scheckformulare so wenig Zeit verblieben sei, daß nur der Angeklagte, wenn er es war, der die Scheckformulare ausgefüllt habe, als Täter in Frage kommen könne (AS 283, 285/IV).

Durch den Umstand, daß das Sachverständigengutachten bei der Beurteilung, ob die handschriftlichen Eintragungen auf den Scheckformularen, die die Grundlage für die vorliegenden Betrugstaten bilden, lediglich von "hoher Wahrscheinlichkeit", die Tatrichter jedoch (bei genau abgestufter Bedeutungsdefinition durch den Sachverständigen) von "sehr hoher Wahrscheinlichkeit" ausgingen, ist dem bekämpften Schuldspruch der Boden entzogen, weil die Ausführungen des Schöffengerichts keinen Raum für Überlegungen bieten, ob der Schuldspruch auch erfolgt wäre, wenn der Schöffensenat von der tatsächlichen Bewertung des Grades der Wahrscheinlichkeit für die Herkunft der handschriftlichen Eintragungen auf den Scheckformularen im Gutachten des Sachverständigen ausgegangen wäre.

Da sich somit zeigt, daß der geltend gemachte Begründungsmangel die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidbar macht, und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war ohne Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen gemäß dem § 285 e StPO in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Aufzuheben war auch die mit dem Schuldspruch inhaltlich untrennbar verbundene und damit sein Schicksal teilende Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche.

Mit seiner durch die teilweise Urteilsaufhebung gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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