OGH 13Os95/79

OGH13Os95/795.10.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführers in der Strafsache gegen Albert A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 11.Mai 1979, GZ. 5 e Vr 9120/78-25, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwaltes Dr. Janovsky, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Albert A wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise, nämlich dahin Folge gegeben, daß anstelle der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe eine Geldstrafe in der Höhe von 360 (dreihundersechzig) Tagessätzen zu je 150 (einhundertfünfzig) Schilling, im Falle der Uneinbringlichkeit 180 (einhundertachtzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt wird. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Albert A 1. des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB., 2. des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 StGB. und 3. des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB.

schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dem Angeklagten liegt zur Last, daß er in der Nacht zum 1.Oktober 1978

1. dem Alois B einen Brillantring im Werte von 10.000 S mit Bereicherungsvorsatz wegnahm (Punkt 1 des Schuldspruches), 2. die Polizeibeamten Wilhelm C und Günther D durch mehrere Faustschläge und Fußtritte an seiner Festnahme zu hindern versuchte (Punkt 2 des Schuldspruches) und 3. durch das zu Punkt 2. genannte Verhalten, welches bei Wilhelm C zahlreiche Hautabschürfungen und Kratzwunden an der linken Hand sowie am linken Unterarm und bei Günther D Hautabschürfungen an der rechten Hand und am rechten Handgelenk zur Folge hatte, Beamte während und wegen der Erfüllung ihrer Pflichten vorsätzlich am Körper verletzte (Punkt 3 des Schuldspruches). Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der mit seiner Berufung überdies die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren Umwandlung in eine Geldstrafe unter Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung nicht zu. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen schüttelte der Angeklagte, der sich am späten Abend des 30.September 1978 in einem Gasthaus in Wien-Favoriten aufhielt, dem ebenfalls dort anwesenden Pensionisten Alois B die Hand, wobei er diese Gelegenheit zum Diebstahl dessen Brillantringes, den er ihm vom Finger streifte, nützte.

B bemerkte den Diebstahl erst einige Minuten später und stellte den Angeklagten zur Rede. Dieser bestritt die Tat, worauf B im nächsten Polizeiwachzimmer Anzeige erstattete. Der folgenden Festnahme durch die Sicherheitswachbeamten Wilhelm C und Günther D widersetzte sich der Angeklagte, indem er sie mit Faustschlägen und Fußtritten attackierte. Während der tätlichen Auseinandersetzung mit den Beamten warf der Angeklagte den zuvor gestohlenen Brillantring auf die Theke des Gasthauses und versuchte, ihn von dort auf den Boden zu stoßen. Der Polizeiinspektor C beobachtete dies und stellte den Ring sicher.

Ziffernmäßig aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5

und teils auch der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. rügt der Beschwerdeführer sachlich unter dem Gesichtspunkt einer offenbar unzureichenden Begründung, daß das Ersturteil nicht näher darauf eingegangen sei, 'wo und auf welche Weise der Ring sichergestellt werden konnte und warum gerade der Angeklagte den Ring gestohlen haben soll'; nach der Aussage des Zeugen E habe es sich bei dem sichergestellten Ring um jenen des Angeklagten gehandelt.

Die Mängelrüge versagt.

Wenn das Erstgericht seine einschlägigen Feststellungen auf die Aussagen der Zeugen B und C gründete und die diesen Aussagen widersprechenden Angaben anderer Zeugen sowie die leugnende Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig verwarf, so ist dies ein zulässiger Akt der freien Beweiswürdigung. Wie die in der gebotenen Kürze (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) gehaltenen Urteilsgründe zeigen, kam das Erstgericht hiebei seiner im § 258 Abs. 2 StPO. festgelegten Verpflichtung zur Würdigung des gesamten Beweismaterials nach, indem es die Beweismittel sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang auf ihre Beweiskraft sorgfältig und gewissenhaft prüfte.

Entgegen dem Beschwerdeeinwand war eine nähere Erörterung des Ortes und der Art und Weise der Sicherstellung des Ringes überflüssig. Denn nach den Wahrnehmungen des Polizeibeamten C hatte der Angeklagte, nachdem er in seine Hosentasche gelangt hatte, den Ring in der Hand, sodaß an dem körperlichen Naheverhältnis des Angeklagten zur Diebsbeute kein Zweifel bestehen kann. Ausgehend hievon und von den vom Schöffensenat ebenfalls für glaubwürdig befundenen Angaben des Zeugen B, wonach der sichergestellte Ring sein eigen und ihm anläßlich des Händeschüttelns vom Beschwerdeführer vom Finger gestreift worden war, konnte das Erstgericht, dem Beschwerdevorbringen zuwider, das nur auf eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige und daher unbeachtliche Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung hinausläuft, denkfolgerichtig und im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung auf die (Diebstahls-) Tat und die Täterschaft des Beschwerdeführers schließen.

Der geltend gemachte Begründungsmangel haftet dem Ersturteil somit nicht an.

Unter dem materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. releviert der Beschwerdeführter ferner das Fehlen der Feststellung eines Bereicherungsvorsatzes im Sinne des (Grund-) Tatbildes des Diebstahls nach § 127 StGB.

Auch dieser Einwand dringt nicht durch.

Der im § 127 StGB. geforderte erweiterte Vorsatz (Bereicherungsvorsatz) des Täters muß dahin gerichtet sein, durch die Zueignung der fremden Sache, d. i. durch die Überführung deren Substanz in das eigene Vermögen (oder jenes eines Dritten), sein (oder des Dritten) Vermögen um den durch das Gut repräsentierten Wirtschaftswert unrechtmäßig zu vermehren (ÖJZ-LSK. 1975/54 u.a.). Mögen auch die Entscheidungsgründe darüber keine ausdrücklichen detaillierten Feststellungen enthalten, so ist doch dem Urteil in seiner Gesamtheit klar zu entnehmen, daß das Gericht einen so gearteten Vorsatz des Angeklagten annahm.

Letztlich ist die Beschwerde auch nicht im Recht, soweit sie unter dem Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. den Standpunkt vertritt, zwischen den Tatbildern des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB. und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB. (Punkte 2) und 3) des Schuldspruches) liege 'unechte oder Scheinkonkurrenz' vor, wobei § 269 Abs. 1

StGB. von § 84 Abs. 2 Z. 4 StGB. konsumiert werde.

Entgegen dieser Auffassung ist Tateinheit der Delikte nach §§ 269 Abs. 1, 83, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB. grundsätzsätzlich möglich. Allerdings erfüllt nicht jede im Zuge ausgeübter Gewalt (§ 269 Abs. 1 StGB.) bei einem Widerstand dem Beamten zugefügte körperliche Beschädigung den Tatbestand nach §§ 83, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB.; es muß vielmehr Verletzungs- oder Mißhandlungsvorsatz (§ 83 Abs. 1 oder 2 StGB., welche Tatbilder rechtlich gleichwertige Begehungsformen eines und desselben Deliktes enthalten /ÖJZ-LSK. 1975/171 /) vorliegen (EvBl. 1976/120). Letzterer trifft aber gegenständlich zu, wie sich aus der Feststellung ergibt, daß der Beschwerdeführer die Polizeibeamten mit Faustschlägen und Fußtritten 'attackierte', womit schon im landläufigen Wortsinn, vor allem aber nach Art und Intensität der vom Angeklagten angewandten Gewalt zumindest auf das Hervorrufen von Schmerzen und Unbehagen gerichtete, sohin mit Mißhandlungsvorsatz begangene Angriffe gegen die körperliche Unversehrtheit zu verstehen sind.

Die Annahme der vorsätzlichen Zufügung der Verletzungen wird auch vom Beschwerdeführer gar nicht bekämpft.

Demnach konnte die Subsumtion des zu den Punkten 2) und 3) des Schuldspruches festgestellten Verhaltens rechtsrichtig sowohl unter das Tatbild nach §§ 15, 269 Abs. 1

StGB. als auch unter jenes der §§ 83, 84 Abs. 2 Z. 4 StPO. erfolgen, sodaß der vom Beschwerdeführer zuletzt geltend gemachte Nichtigkeitsgrund ebenfalls nicht gegeben ist.

Aus den angeführten Erwägungen war der somit zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde der Erfolg zu versagen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 128 Abs. 1 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung nahm es als erschwerend zwei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen und das Zusammentreffen dreier Vergehen an, als mildernd hingegen die Zustandebringung des gestohlenen Ringes und die Tatsache, daß es im Faktum zu Punkt 2. des Schuldspruches beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes, Umwandlung der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe und bedingte Nachsicht der Geldstrafe an.

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen richtig erfaßt, die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe ist jedoch überhöht. Die Vorstrafen des Angeklagten weisen weder auf kriminelle Persönlichkeitszüge noch darauf hin, daß durch die offenbare Erfolglosigkeit vorangegangener Abstrafungen aus spezialpräventiven Erwägungen die Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe angebracht wäre. Auch sind die dem Angeklagten zur Last liegenden Delikte (wie der Hergang der Tat und die Tatsache zeigen, daß der Angeklagte einer geregelten Arbeit nachgeht und in geordneten Verhältnissen lebt) nicht auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende Einstellung zurückzuführen; der Unrechtsgehalt der Tat ist nicht allzu bedeutend, weil die Diebsbeute zustandegebracht wurde und die gesamten Folgen der Taten nicht allzusehr ins Gewicht fallen. In Würdigung dieser Umstände erachtet der Oberste Gerichtshof daher, daß hier eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Monaten dem Unrechtsgehalt der Tat, dem Verschuldensgrad des Angeklagten und seinem Persönlichkeitsbild angemessen ist.

Beträgt die verwirkte Freiheitsstrafe jedoch nicht mehr als sechs Monate, ist gemäß § 37 Abs. 1 StGB. auf eine Geldstrafe zu erkennen, es sei denn, daß die Freiheitsstrafe aus Gründen der Spezial- oder Generalprävention unerläßlich ('geboten') ist. Die beim Angeklagten im Hinblick auf sein Vorleben sicher zu beachtenden spezialpräventiven Gesichtspunkte erfordern nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe; denn auch eine Geldstrafe kann den Täter empfindlicher treffen und dem vornehmsten Strafzweck, der Besserung des Täters und seiner Resozialisierung, dienlicher sein als eine kürzere Freiheitsstrafe, welche als prinzipiell einschneidende Ruptur in die Existenz des Verurteilten seiner allfälligen sozialen Integration schaden könnte (SSt. 46/71). Nach Lage des Falles kann (ungeachtet der Vorstrafen des Angeklagten) vor allem im Hinblick auf seine soziale Integration und des Fehlens von Anzeichen einer Sozialschädlichkeit beim Angeklagten die Geldstrafe als die zweckmäßigere Strafe angesehen werden. Generalpräventive Erwägungen, die für die Verhängung einer Freiheitsstrafe sprächen, scheiden schon deshalb aus, weil die Tat nicht besonders gravierend ist. Es war daher gemäß § 37 Abs. 1 StGB. auf eine Geldstrafe zu erkennen und erachtet der Oberste Gerichtshof eine solche von 360 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen; die Ersatzfreiheitsstrafe war mit 180 Tagen festzusetzen. Bei der Bemessung des Tagessatzes war davon auszugehen, daß der (für ein Kind im Alter von 12 Jahren sorgepflichtige) Angeklagte ein monatliches Einkommen von 6.000 bis 8.000 S bezieht. Soll die durch den Übelcharakter der Geldstrafe gebotene fühlbare Einschränkung in der persönlichen Lebensführung des Angeklagten erreicht werden, so ist angesichts seiner festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse die Festsetzung des Tagessatzes mit 150 S gerechtfertigt.

Eine bedingte Strafnachsicht kam beim Angeklagten mit Rücksicht auf seine Vorstrafen schon aus spezialpräventiven Gesichtspunkten nicht in Betracht.

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