Spruch:
1. Dem Angeklagten Johann Peter W*** wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider den Ablauf der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung erteilt.
2. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB. (2) unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. (1) sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 18.September 1945 geborene Johann Peter W*** wurde mit dem Urteil des Kreisgerichts Wels vom 10.November 1986 der Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. (1) sowie des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB. (2) schuldig erkannt. Er hat am 9. März 1986 in Edt bei Lambach Jasmina K*** durch die Äußerung, es werde ihr etwas passieren, wenn sie nicht pariere, wobei er sie mit beiden Händen am Hals erfaßte, sohin eine Person weiblichen Geschlechts mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf genötigt (1) sowie am 31.Juli 1986 in Scharten einen Raubüberfall auf die dortige V*** verübt, wobei er 148.500 S Bargeld erbeutete (2).
Zum Wiedereinsetzungsantrag:
Unmittelbar nach der Urteilsverkündung meldete der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (Seite 93). Die Urteilsausfertigung wurde seinem Verteidiger am 3.März 1987 durch Hinterlegung zugestellt (Rückschein auf Seite 110). Am 19.März 1987 langte beim Erstgericht die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung des Angeklagten ein, die laut Kanzleivermerk am 18. März 1987 der Post zur Weiterbeförderung an das Gericht übergeben worden war.
Mit dem Beschluß des Obersten Gerichtshofs vom 7.Mai 1987, 13 Os 48/87, wurden die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung als verspätet zurückgewiesen.
In seinem Wiedereinsetzungsantrag bringt der Verteidiger glaubwürdig vor, seine sonst verläßliche Kanzleiangestellte habe entgegen seiner ausdrücklichen Anordnung nicht den Tag der Hinterlegung (3.März 1987), sondern versehentlich den 4.März 1987
als Datum der Urteilszustellung in den Fristenvormerkkalender der Rechtsanwaltskanzlei eingetragen. So konnte es geschehen, daß die Ausführung der verfahrensgegenständlichen Rechtsmittel erst am scheinbar letzten Tag der Ausführungsfrist für die Beschwerde und die Berufung, nämlich am 18.März 1987 und nicht schon am 17.März 1987 der Post zur Übersendung an das Gericht übergeben wurde. Durch die Zustellung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs an den Verteidiger am 25.Mai 1987 (Rückschein auf Seite 165) erlangte dieser Kenntnis vom Versehen seiner Angestellten; am selben Tag verfaßte er die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung und beantragte im gleichen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider den Ablauf der Frist zur Ausführung der Rechtsmittel. Dieses Schreiben wurde am 26.Mai 1987 zur Post gebracht und langte am folgenden Tag beim Erstgericht ein. Gemäß § 364 Abs. 1 StPO. war dem Angeklagten Johann Peter W*** über seinen Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung zu erteilen, weil er nachzuweisen vermochte, daß es ihm durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Verteidigers Verschulden unmöglich gemacht wurde, diese Frist einzuhalten, er innerhalb von 14 Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses um die Wiedereinsetzung angesucht (§ 364 Abs. 1 Z. 2 StPO.) und zugleich die Ausführung der Rechtsmittel angebracht hat (§ 364 Abs. 1 Z. 3 StPO.).
Rechtliche Beurteilung
Der hiemit gefaßte Beschluß läßt den Zurückweisungsbeschluß des Obersten Gerichtshofs vom 7.Mai 1987, 13 Os 48/87, unberührt, weil die dort zurückgewiesene Rechtsmittelausführung in der Tat verspätet eingebracht worden war und mit dem Beschluß vom 7.Mai 1987 nur die gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen gezogen worden sind.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Nur den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf (1) bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO.
Zutreffend bringt die Mängelrüge (Z. 5) vor, die Urteilskonstatierungen betreffend die als Drohung gewertete Äußerung, es werde etwas passieren, wenn sie (Jasmina K***) nicht pariere, sowie das (als Gewaltausübung beurteilte) Erfassen der Frau mit beiden Händen am Hals fänden in der Aussage der Jasmina K*** keine Deckung. In der Tat bietet die gesamte, den leugnenden Angeklagten belastende Aussage dieser Zeugin in der Hauptverhandlung (Seiten 80 bis 85) keinen Hinweis, der als Stütze für beide entscheidungswesentlichen Feststellungen dienen könnte. Da die zum Schuldspruch führenden Sachverhaltsannahmen auf die Aussage der Zeugin K*** gestützt sind (Seite 106 f.), erweist sich nach dem Vorhergesagten der Ausspruch über entscheidende Tatsachen als unzureichend begründet.
Auch die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) schlägt durch. Wie der Nichtigkeitswerber mit Recht ausführt, ist das Urteil mit Feststellungsmängeln zur subjektiven Tatseite behaftet. Die Entscheidungsgründe führen hiezu lediglich aus: "Dem Angeklagten war zum Zeitpunkt der Tat bewußt, daß er durch sein Tun das gesetzliche Tatbild erfüllt, ein Strafausschließungsgrund oder Schuldausschließungsgrund war nicht gegeben" (Seite 102) und "Er hat das bezeichnende (gemeint wohl: bezeichnete) Opfer zwar nicht notgezüchtigt, jedoch diese Person weiblichen Geschlechts mit Gewalt und durch eine gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf genötigt. Dies geht insbesondere aus den Aussagen der Zeugin hervor und den übrigen angeführten Beweisen. Zumindest hat er in diesem Fall mit einem bedingten Vorsatz gehandelt. Bedingter Vorsatz, Absichtlichkeit und Wissentlichkeit sind ja nur verschiedene Spielarten (und zu gleichstufen !gemeint: und zugleich Stufen ) des Vorsatzes, somit des - in jeder von ihnen zum Ausdruck kommenden - Verwirklichenwollens eines Sachverhaltes, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht" (Seite 107).
Damit aber wird die innere Tatseite des Verbrechens nach § 202 StGB nur unvollständig dargetan. Der Vorsatz des Nötigers zum Beischlaf muß darauf gerichtet sein, zu erreichen, daß das Opfer letztlich - ohne geradezu wehr- oder bewußtlos zu sein, aber immerhin als Folge seiner Gewalteinwirkung oder Drohung - in den außerehelichen Beischlaf einwilligt, wobei sich der Täter der Ernsthaftigkeit des widerstrebenden Willens der Genötigten bewußt sein muß. Hiezu läßt das angefochtene Urteil jegliche (begründete) Feststellung vermissen.
Der zum Vorteil des Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war schon bei einer nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben, weil die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist (§ 285 e StPO.).
Mit seiner Berufung war Johann Peter W*** auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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