Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der fünfzigjährige Gartenarbeiter Franz H*** wurde des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB. schuldig erkannt, weil er am 24.Juni 1988 in Wien Elisabeth S*** durch Tritte gegen den Kopf und Überschütten mit heißer Suppe am Körper vorsätzlich verletzt hat, wobei die Tat den Tod der Genannten zur Folge hatte.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen fand der Angeklagte in seiner Wohnung am Abend des 24.Juni 1988 seine einundvierzigjährige Lebensgefährtin Elisabeth S***, gegen die er namentlich in der letzten Zeit schon wiederholt wegen deren Alkoholisierung tätlich vorgegangen war, alkoholisiert und nackt am Boden liegend vor. Er geriet hierüber derart in Wut, daß er ihr mit Verletzungsvorsatz (nach den Urteilsgründen S. 163 sogar in der Absicht, sie am Körper schwer zu beschädigen) Schläge und Tritte mit den beschuhten Füßen gegen den Körper, insbesondere den Kopf und die Brust versetzte. Hiebei war ihm als ehemaligem Fußballer bewußt, über besondere Muskelkraft in den Beinen zu verfügen. Als S*** laut wimmerte und schrie, er möge aufhören, ließ er sie zunächst liegen, nahm aber kurz darauf einen in der Küche befindlichen Topf mit heißer Flüssigkeit und überschüttete sie damit. Später schleppte er sie ins Schlafzimmer, wobei er bemerkte, daß sie sich inzwischen angekotet hatte, legte sie ins Bett und begann, die Küche von den Spuren seiner Tätigkeit zu reinigen. Um die Lebensgefährtin kümmerte er sich nicht weiter; auch nicht in den Vormittagsstunden des nächsten Tages, als er am Körper und im Gesicht der im Bett verbliebenen Elisabeth S*** die Folgen der von ihm versetzten Tritte und Hiebe bemerkte. Selbst als sie sich am 26.Juni 1988 "unnatürlich im Bett bewegte", aus dem Bett fiel und auf dem Boden liegend hechelnd zu atmen begann, verständigte er erst einige Zeit später den Notarzt, der sofort die Einweisung der Elisabeth S*** in das Krankenhaus veranlaßte. Bei S*** war durch die Tathandlungen ein komatöses Zustandsbild mit zahlreichen Blutunterlaufungen und Verbrennungen sowie Brüchen der linken sechsten bis siebenten Rippe, die ebenso wie die flächenhafte Ausdehnung der Verbrühungen mit einer schweren körperlichen Beeinträchtigung verbunden waren, eingetreten. Trotz intensiver therapeutischer Maßnahmen führten die Rippenbrüche im Zusammenwirken mit den anderen Beschädigungen durch die vom Angeklagten gesetzten Handlungen sowie die infolge dieser Handlungen notwendig gewordene Bettlägrigkeit den Tod der Elisabeth S*** an einer Lungenentzündung am 5.Juli 1988 herbei.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte eine auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 10 StPO., inhaltlich nur auf Z. 10 gestützte Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, welche auf eine Beurteilung der Tat nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB. abzielt.
Die Rüge, das Auftreten einer - keineswegs regelmäßig zum Tod führenden - Lungenentzündung infolge Bettlägerigkeit sei für den Angeklagten auf Grund seiner Lebenserfahrung nicht vorhersehbar gewesen, geht ins Leere, weil nach § 7 Abs 2 StGB. die an eine besondere Tatfolge geknüpfte schwerere Strafe den Täter trifft, wenn er diese Folge wenigstens fahrlässig herbeigeführt hat. Demnach kommt es nur auf die Vorhersehbarkeit des qualifizierenden Erfolgs (des Todes), nicht des tatsächlichen Kausalverlaufs (des Auftretens einer Lungenentzündung als Folge der verletzungsbedingten Bettlägerigkeit) an (SSt 53/43 u.v.a.). Anders als in den von ihm zitierten Straffällen ist die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Begehungsweise der Körperverletzung keineswegs als rücksichtlich der qualifizierenden Tatfolge atypisch zu beurteilen (vgl. übrigens ZVR. 1977/273). Bei der Betrachtung der Vorgangsweise des Täters einerseits und des Erfolgs andererseits aus der ex ante-Sicht eines dem Verkehrskreis des Angeklagten angehörigen sachkundigen Beobachters ergibt sich nämlich, daß der Eintritt des Todes der Tathandlung (dem massiven Treten und Schlagen mit den beschuhten Füßen gegen den Gesichtsschädel und den Oberleib und dem Zufügen schwerer Verbrühungen durch Überschütten mit einer heißen Flüssigkeit) durchaus adäquat und dementsprechend im Rahmen des vom Angreifer eingegangenen Risikos gelegen war. Darnach ist keine exzeptionelle Fallgestaltung, sondern einer jener Regelfälle des § 7 Abs 2 StGB. gegeben, in welchen das Überschreiten jedweder maßhaltenden Grenzen (§ 6 Abs 1, erster Teil, StGB.) die qualifizierte Tatfolge nach sich zog.
Daß aber der Angeklagte zur Beobachtung der zur Vermeidung der Todesfolge notwendigen Zurückhaltung ("Sorgfalt" in der Bedeutung des § 6 Abs 1 StGB.) nicht befähigt gewesen sei, wird in der Beschwerde nicht einmal behauptet. Den Risiko- und den Adäquanzzusammenhang (dazu Kienapfel AT Z. 27 RN. 3 und 12) sucht der Beschwerdeführer in Zweifel zu ziehen, indem er darauf verweist, daß seine Lebensgefährtin erst elf Tage nach der Tat - nach angeblich zwischenzeitig bereits eingetretener Besserung ihres Gesundheitszustands - verstorben sei. Dabei verkennt der Rechtsmittelwerber, daß die Lehren vom Adäquanz- und vom Risiko-(oder Rechtswidrigkeits-)zusammenhang nur die Fälle atypischer Kausalverläufe aus der Strafbarkeit nach der Äquivalenztheorie aussondern sollen (vgl. Kienapfel AT Z. 10 RN. 18 und 22, Z. 27 RN. 1 und 12). Von einem atypischen, d.h. ganz und gar ungewöhnlichen Kausalverlauf kann indes, wie schon oben verwiesen, beim Hinzutritt einer Lungenentzündung infolge Bettlägerigkeit nach schweren Verletzungen nicht gesprochen werden (nochmals ZVR. 1977/273). - Der Beschwerdeführer bleibt aber außerdem jegliche Begründung dafür, daß "auch die Frage nach einer eventuellen überholenden Causalität gestellt werden könnte", schuldig. Ein nach der Tat gesetztes, von dieser unabhängig den Tod der S*** herbeiführendes Fehlverhalten (Kienapfel AT Z. 10 RN. 17) ist nicht nur nicht festgestellt und scheidet schon deshalb aus der Erörterung der an den Urteilssachverhalt gebundenen Rechtsrüge aus; es fehlen für eine sogenannte überholende Kausalität auch die geringsten Anhaltspunkte in den Akten (siehe im Gegenteil die Hinweise auf die intensiven und zweckmäßigen therapeutischen Maßnahmen S. 120 unten sowie im Urteil S. 160 oben).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach erfolglos.
Dieses Schicksal teilt auch die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafreduktion, die ungeteilte (§ 43 StGB.), allenfalls die bedingte Nachsicht eines größeren Teils (§ 43 a StGB.) der verhängten Strafe, begehrt.
Nach § 86 StGB. wurde H*** zu dreißig Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, wovon zwanzig Monate gemäß § 43 a Abs 4 StGB. bedingt nachgesehen wurden. Erschwerend fiel dabei die besonders brutale Vorgangsweise durch Überschütten des auf dem Boden liegenden, schon schwer mißhandelten Opfers mit einer heißen Flüssigkeit ins Gewicht, was eine besondere Gefühlskälte gegenüber der Lebensgefährtin ersehen läßt. Dem standen als mildernd der bisher tadelsfreie Wandel des Angeklagten sowie seine Darstellung der Ereignisse, die immerhin eine Art Schuldeinsicht erkennen ließ, gegenüber.
Entgegen den Berufungsausführungen wurde das Geständnis nicht nur als mildernd genannt, sondern, wie die bei einem bis zu zehn Jahren reichenden Rahmen verhängte Strafe zeigt, auch ausreichend gewürdigt. Der weitere Milderungsgrund eines bisher ordentlichen Lebenswandels und eines auffallenden Widerspruchs der Tat mit dem zum sonstigen Verhalten (§ 34 Z. 2 StGB.) ist infolge des Umstands, daß dem nunmehr abgeurteilten Verbrechen zahlreiche Mißhandlungen der Lebensgefährtin vorangegangen sind, zu verneinen. Insoweit sind die erstinstanzlichen Strafzumessungsgründe zum Nachteil des Berufungswerbers zu korrigieren.
Lang andauernde, dem Tod vorangehende Qualen des Opfers wurden nicht als erschwerend angenommen. Die Gefühlskälte wiederum kann nicht, wie die Berufung meint, mit dem Hinweis, daß der Tat ein außergewöhnlicher Streit vorausgegangen sei, aufgewogen werden; dies ganz abgesehen davon, daß für eine Auseinandersetzung mit dem Opfer keine Anhaltspunkte gegeben sind, weil der Angeklagte ohne jeglichen Wortwechsel auf das auf dem Boden liegende Opfer geschlagen und getreten hat (S. 158 f). Die Alkoholisierung wurde zu Recht nicht als mildernd gewertet, weil dem Berufungswerber bekannt war, daß er in diesem Zustand enthemmt ist und zu Zornausbrüchen mit Aggressionen neigt (S. 101). Generalpräventive Gründe wurden als straferhöhend nicht genannt, sodaß die diesbezüglichen Berufungsausführungen einer Grundlage entbehren.
Kommt sonach eine Strafreduktion nicht in Betracht, so scheidet die Anwendung des § 43 StGB. kraft Gesetzes aus (Abs 1: zwei Jahre nicht übersteigende Freiheitsstrafe). Weiterer Gründe hiefür bedarf es nicht.
Es besteht aber auch kein Anlaß, einen größeren Teil der verhängten Strafe bedingt nachzusehen. Die "hohe Wahrscheinlichkeit", daß der Angeklagte künftighin nicht mehr straffällig wird, war überhaupt Voraussetzung für die Anwendung des § 43 a Abs 4 StGB. Die von der Berufung auch in diesem Zusammenhang erwähnte Generalprävention hatte, wie die Urteilsgründe deutlich zeigen, auf das Maß des unmittelbar zu vollziehenden Strafteils keinen Einfluß.
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