OGH 13Os89/95

OGH13Os89/9512.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juli 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Wlattnig als Schriftführer, in der Strafsache gegen Julius S***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 15, 201 Abs 2) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 15.Mai 1995, GZ 36 Vr 2195/94-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil gemäß § 290 Abs 1 StPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Julius S***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 15, 201 Abs 2) StGB schuldig erkannt, weil er sich am 24.Juni 1994 in Innsbruck, wenn auch nur fahrlässig durch Alkoholgenuß in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzte und in diesem Zustand versuchte, Sal U***** mit Gewalt, und zwar durch Erfassen an den Schultern und Drängen in die Kabine einer Toiletteanlage, zur Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen.

Dagegen erhob der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde gestützt auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO.

Das Schöffengericht stellte (zusammengefaßt wiedergegeben) fest, daß der Angeklagte sich am Tag der Tat und "auch schon die Tage vorher mit Alkohol vollaufen" ließ, eine Damentoilette aufsuchte und sich dort in eine Kabine begab. Von dort sah er über die Trennwand in die Nachbarkabine, wo sich eine 22jährige Frau aufhielt. Sie forderte ihn auf, zu verschwinden, worauf er antwortete, er habe für das Zusehen 500 S bezahlt. Als die Frau die Kabine verlassen wollte, erfaßte der Angeklagte sie an den Schultern, drängte sie in die Kabine zurück und machte die Türe hinter sich zu. Danach begann er, den Reißverschluß seiner Hose zu öffnen. Die Frau rief um Hilfe und als Schritte zu hören waren flüchtete der Angeklagte. Die Tatrichter stellten fest, daß er mit der Frau einen Geschlechtsverkehr durchführen wollte (was sie aus dem offenen Hosenschlitz des Angeklagten schlossen, US 8), nachdem er sich zuvor fahrlässig in den beschriebenen Rauschzustand versetzt hatte.

Aus Anlaß der (formelle Begründungsmängel geltend machenden) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, daß vom Erstgericht das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet wurde (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).

Bei der Rauschtat des § 287 Abs 1 StGB müssen alle Merkmale des Tatbestandes, im aktuellen Fall des angelasteten Vorsatzdeliktes, erfüllt sein. Es muß also sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand verwirklicht sein, die Verwirklichung bloß der äußeren Tatseite genügt nicht. Insbesondere muß im Falle des § 201 Abs 2 StGB sowohl die Durchführung des Beischlafes oder einer diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung als auch die Anwendung des Nötigungsmittels vom Tätervorsatz umfaßt sein, der sich auch darauf zu beziehen hat, daß der Täter das Nötigungsmittel einsetzt, damit ein Widerstand des Opfers gegen die Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung überwunden wird (Leukauf-Steininger, Komm3, § 201 RN 23).

Ein vorsätzliches Handeln dieser Art ist grundsätzlich auch einem Volltrunkenen möglich. Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB als Rauschtat setzt somit die entsprechenden Konstatierungen voraus (Leukauf-Steininger, aaO, § 287 RN 10 b).

Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Beziehung auf das Nötigungsmittel der Gewaltanwendung hat das Schöffengericht jedoch nicht getroffen. Allein die Feststellung, daß der Angeklagte mit seinem Opfer einen Geschlechtsverkehr durchführen wollte, reicht zur Erfüllung des Tatbestandes der ihm vorgeworfenen Rauschtat keineswegs hin. Indem das Erstgericht trotzdem auf diese Tatbestandserfüllung geschlossen hat, wurde das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet.

In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß auch nach der vom Schöffengericht festgestellten Tatsituation aus dem Beginnen des Öffnens des Reißverschlusses der Hose allein noch keineswegs darauf geschlossen werden kann, daß der Vorsatz des Angeklagten auf die (gewaltsame) Durchführung eines Geschlechtsverkehrs (oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung) gerichtet war.

Da sich demzufolge zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat, war schon bei nichtöffentlicher Beratung aus Anlaß der vom Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 Abs 1 StPO) das angefochtene Urteil zu kassieren und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung der Sache aufzutragen (§ 285 e StPO). Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das Rechtsmittel, welches teilweise - wenn auch als bloßen Begründungsmangel ausgeführt - ähnliche Überlegungen zur Fehlerhaftigkeit des Urteils anstellt.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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