European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00089.23X.1115.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die strafrechtliche Unterbringung der * P* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum angeordnet.
[2] Danach hat sie am 23. September 2022 in L* unter dem maßgeblichen Einfluss eines ihre Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer schizoaffektiven Störung, beruht,
(I) einen Beamten, nämlich Insp. * M*, mit Gewalt an ihrer Identitätsfeststellung, somit an einer Amtshandlung zu hindern versucht, indem sie ihm, als er durch die Überprüfung ihrer Daten abgelenkt war, mit der flachen Hand eine wuchtige Ohrfeige versetzte, und
(II) durch die zu I geschilderte Tat am Genannten, somit an einem Beamten, welcher dadurch einen etwa zweistündigen leichten Schmerzzustand und eine Rötung (US 4, 6 und 8) erlitt, eine Körperverletzung (hier: § 83 Abs 1 StGB) während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten herbeigeführt
und dadurch die Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB begangen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 (richtig) lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen.
[4] Nach der Prognoseentscheidung des Erstgerichts sind in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere gegen Leib und Leben gerichtete Taten mit schweren Folgen, wie vorsätzliche schwere Körperverletzungen, zu erwarten (US 7 und 9).
[5] Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider blieb das Gutachten der Sachverständigen * beim Ausspruch über entscheidende Tatsachen nicht unberücksichtigt (US 6 und 7). Die Bildung eines Vorsatzes schließt das krankheitsbedingte Fehlen der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit der Betroffenen zur Tatzeit nicht aus (vgl dazu RIS-Justiz RS0090295 [T4]).
[6] Die Ableitung der Konstatierungen zur inneren Tatseite aus dem äußeren Geschehensablauf (US 6) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keineswegs zu beanstanden (vgl RIS-Justiz RS0098671 und RS0116882).
[7] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für die Betroffene günstigere Schlüsse ableitet als das Erstgericht, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
[8] Nach den Feststellungen des Erstgerichts versetzte die Betroffene dem Polizeibeamten mit der flachen Hand einen wuchtigen Schlag (eine Ohrfeige) in das Gesicht, wodurch dieser einen die Gewalteinwirkung etwa zwei Stunden überdauernden leichten Schmerzzustand und eine über diesen Zeitraum sichtbare (Haut-)Rötung erlitt (US 4 und 8).
[9] Die Behauptung eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen (der Sache nach Z 10) zum Tatbestandsmerkmal der Verletzung am Körper oder der Schädigung an der Gesundheit im Sinn des § 83 Abs 1 StGB entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (siehe aber RIS-Justiz RS0116565). Die Bezugnahme auf den zu RIS-Justiz RS0092574 gebildeten Beisatz T6 geht insoweit schon deshalb ins Leere, weil sich dieser nicht auf Schmerzzustände, sondern bloß auf (im Übrigen nur kurzfristig sichtbare) Rötungen bezieht.
[10] Mit Blick auf die Stellungnahme der Generalprokuratur sei hinzugefügt, dass die Feststellungen des Erstgerichts, wonach es die Betroffene ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, durch ihre Tathandlung eine Rötung und einen Schmerzzustand herbeizuführen, welcher die Gewalteinwirkung zeitlich (erheblich) überdauert (US 4 iVm US 6 und 8), in subjektiver Hinsicht den Tatbestandserfordernissen des § 83 Abs 1 StGB genügen (RIS-Justiz RS0092475 und RS0092661; Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 83 Rz 3).
[11] Entgegen dem Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11, nominell verfehlt auch Z 5) haben die Tatrichter die in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit befürchteten Prognosetaten ihrer Art nach (strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, wie schwere Körperverletzungen im Sinn des § 84 Abs 1 StGB und § 84 Abs 4 StGB, US 7 und 9) hinreichend umschrieben und zutreffend als solche mit schweren Folgen beurteilt (vgl RIS-Justiz RS0116500).
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[13] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
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